Tabea Hofmann

Praktisches Jahr
22.05.2023 – 10.09.2023

Woche 1: 22.05. – 28.05.2023

Jetzt ist es also so weit. Nachdem ich mich erfolgreich durch das M2 gekreuzt und im Anschluss 5 Wochen lang die Seele baumeln lassen habe, starte ich nun im beschaulichen Grafenau in mein 1. Tertial.
Obwohl ich das Team und die Praxis, in der ich die nächsten vier Monate verbringen werde, bereits kennenlernen durfte, bin ich doch etwas aufgeregt, als ich meiner jahrelangen Heimatstadt Würzburg den Rücken kehre. Nach 3,5h Fahrt erwartet mich dann die erste Überraschung. Dr. Blank hatte mich schon „vorgewarnt“, dass das Haus und der Garten ein bisschen größer seien und dementsprechend auch viel Pflege und Zuwendung bedürfen, aber damit hatte ich nicht gerechnet. Ganz enthusiastisch laufe ich Treppen rauf und runter, stecke meinen Kopf in jedes Zimmer und lasse mir im Garten die Sonne ins Gesicht scheinen.

Einen Tag später, am Sonntagabend, lerne ich meine Mitbewohnerin Alicia kennen und wir quatschen noch ein bisschen, bevor es früh ins Bett geht. Schließlich klingelt der Wecker am nächsten Morgen schon um halb 7.
Als ich mich dann am Montag um kurz vor 8 zu Fuß in die Praxis aufmache, bin ich wieder ein bisschen nervös. Die Nervosität ist aber unbegründet – ich werde direkt herzlich empfangen und da das Wartezimmer schon rappelvoll ist, geht es auch sofort los.

Während ich am ersten Tag noch die Rolle als passive Zuhörerin übernehme, darf ich ab Dienstag schon mit der Anamnese starten und Untersuchungen durchführen, bevor dann Dr. Scholz oder Dr. Carlberg dazustoßen und mir Feedback und hilfreiche Tipps geben.  Ich horche auf Lungen, schaue in Münder und Ohren, teste Vibrationsempfinden und Reflexe und werfe einen Blick auf das ein oder andere EKG. Zwei Vormittage verbringe ich mit Hausbesuchen und am Freitag darf ich mich das erste Mal am Sono ausprobieren.

Mit den Fallbesprechungen dienstags und donnerstags, sowie dem Nahtkurs in Cham am Mittwoch, wo Alicia und ich die anderen beiden PJlerInnen, Andreas und Julia, zum ersten Mal treffen, ist die Woche schnell gefüllt. Was sich auch schnell füllt, ist die Liste mit Dingen, die ich nochmal nachlesen möchte. Gleichzeitig bin ich überrascht, wie viel ich doch (noch) weiß und wie viel Neues ich diese Woche schon gelernt habe.
Etwas erschöpft, aber auch sehr zufrieden, starte ich jetzt in das lange Pfingstwochenende und bin gespannt, was die nächste Woche so bieten wird.
 

Woche 2: 29.05. – 04.06.2023

Nachdem ich am verlängerten Wochenende viel Zeit an der frischen Luft verbracht und fleißig die Gegend erkundet habe, starte ich gut erholt in die zweite Woche. Meine Stammpraxis ist gerade im wohlverdienten Urlaub, also habe ich die Gelegenheit, eine Woche als Gast bei Dr. Baloun in Neureichenau zu verbringen. Nach 40 Minuten Autofahrt durch mehrere gemütliche Ortschaften, Wälder und Wiesen erwarten mich eine schöne moderne Praxis und ein sehr herzliches Team. Nach einer kurzen Einführung werde ich schnell in die Sprechstunde integriert, darf die PatientInnen befragen und untersuchen und bespreche anschließend meine Ergebnisse mit Dr. Baloun.
Ganz begeistert bin ich von dem neuen Sonographiegerät – so scharfe Bilder habe ich bisher beim Schallen noch nie gesehen. Allerdings tue ich mich bei der Bilddarstellung noch etwas schwer und bin ganz neidisch auf die schönen Bilder, die Dr. Baloun auf den Bildschirm zaubert.
Wir sehen in der Woche eine zystenreiche Leber und wiederholen nochmal die typischen sonographischen Kriterien der Zyste:

  • Echofreiheit
  • Dorsale Schallverstärkung
  • Dünne und scharfe Begrenzung

Neben den Zysten mache ich auch den DHC dank des Hinweises auf das sogenannte „Mickey Mouse Sign“, gebildet durch Pfortader, DHC und Leberarterie, schnell ausfindig.
Aber nicht nur beim Sonografieren darf ich selbst Hand anlegen. Bei einer Patientin, die nach Venenexhairese zum Fädenziehen in die Praxis kommt, kann ich direkt die Skills, die wir eine Woche zuvor im Nahtkurs aufgefrischt haben, anwenden. Mit etwas Geduld und der tatkräftigen Unterstützung einer der lieben und hilfsbereiten Arzthelferinnen, sind sämtliche Fäden rasch entfernt.
Am Donnerstag stelle ich dann in der Fallbesprechung meine erste Patientin vor und im Anschluss diskutieren wir die Frage, was der richtige Umgang mit Antibiotika bei RisikopatientInnen und Verdacht auf HWI ist. Ist in diesem Fall eine frühe Antibiotikaprophylaxe gerechtfertigt oder sollte man auch hier erstmal abwarten und den weiteren Verlauf engmaschig beobachten?
Insgesamt ist die kurze Woche wie im Fluge vergangen und ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, in eine andere Praxis hineinzuschnuppern. Dr. Baloun hat sich sehr viel Zeit für mich genommen und trotz vollem Wartezimmer sein Wissen und seine Expertise mit mir geteilt. Ganz besonders unterhalten und im Kopf geblieben sind mir seine selbst ausgedachten Merksprüche. Auf die Frage, ob E. faecium oder faecalis resistenter seien, kann ich nur mit der Schulter zucken. Fürs nächste Mal weiß ich: „Bei faecalis hilft (fast) alles”.
 

Woche 3: 05.06. – 11.06.2023

In meiner dritten Woche bin ich wieder in Grafenau eingeteilt, diesmal in der Gemeinschaftspraxis von Dr. Gahbauer, Dr. Ravasz und Dr. Schreib. 
Am Montag kann ich fast ausschlafen, denn von unserem Häuschen zur Praxis sind es nicht mal 5 Minuten zu Fuß. Vor Ort werde ich herzlich willkommen geheißen und es wartet auch schon ein gut gefülltes Wartezimmer – es ist also ein typischer Montag. Die ersten Tage verbringe ich mit Dr. Schreib – entweder führt er die Gespräche mit den PatientInnen und stellt mein Wissen immer mal wieder mit einer Frage auf die Probe oder ich darf die PatientInnen in einem eigenen Zimmer empfangen und bespreche mein Vorgehen und meine Therapievorschläge im Anschluss mit ihm.
Unter Aufsicht führe ich mein erstes Hautscreening durch und wiederhole in diesem Rahmen nochmal die Merkmale der ABCDE-Regel, außerdem interpretiere ich diverse Lungenfunktionen und diagnostiziere sowohl einen Links- als auch einen Rechtsschenkelblock im EKG.
Am Mittwochnachmittag ist wieder Zeit für unser wöchentliches PJ-Teaching – diesmal allerdings nicht in Cham, sondern virtuell ganz gemütlich von unserem Küchentisch aus. In 1,5h bekommen wir einen Einblick in die Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und einen Überblick über verschiedene Bildgebungsverfahren im hausärztlichen Kontext. Es ist sehr angenehm, den Mittwoch ohne drei Stunden zusätzliche Autofahrt zu verbringen und Alicia und ich nutzen die freie Zeit im Anschluss spontan, um den ersten der „100 Fälle der Allgemeinmedizin“ durchzusprechen. Unsere fiktive Patientin leidet an Kopfschmerzen und gemeinsam machen wir uns Gedanken zu Diagnostik und Therapie und überlegen, welche abwendbaren gefährlichen Verläufe es auszuschließen gilt. Es stellt sich heraus, dass in diesem Fall eine Migräne die Ursache für die Beschwerden ist, und wir sind beide überrascht, dass wir die meisten Fragen auf dem Weg zu dieser Diagnose und der anschließenden Therapie doch recht schnell beantworten können.    
Am nächsten Tag ist mal wieder Feiertag hier in Bayern und nach einem gut gefüllten Freitagvormittag, den ich diesmal in Begleitung von Dr. Gahbauer verbringe, geht eine sehr lehrreiche und bereichernde Woche zu Ende. 
 

Woche 4: 12.06. – 18.06.2023

Diese Woche bin ich wieder in meiner Stammpraxis bei Dr. Carlberg und Dr. Scholz eingeteilt und obwohl ich es auch sehr spannend und lehrreich fand, einen Einblick in andere Praxen und die Arbeitsweise von anderen ÄrztInnen zu bekommen, bin ich doch sehr froh, die nächsten Wochen an einem festen Ort zu verbringen.
Die erste Arbeitswoche in der Praxis nach 2 Wochen Pfingstferien verläuft genauso, wie man sich das vorstellt: Das Telefon klingelt fast ununterbrochen, das Wartezimmer ist voll besetzt und auch auf dem Gang stehen PatientInnen mit dringenden Anliegen und Terminen, die gerne gesehen werden möchten. Dementsprechend lang sind auch die Wartezeiten und ich bin beeindruckt, dass Dr. Scholz und Dr. Carlberg trotzdem sehr ruhig und gelassen bleiben und sich für jeden ihrer PatientInnen ausreichend Zeit nehmen.
Es gibt eine Vielzahl von Krankheitsfällen, von akuten Beschwerden bis hin zu chronischen Erkrankungen, die untersucht und behandelt werden müssen.  Wir sehen u.a. einen Patienten mit Verdacht auf Neurodermitis, einen mit fortgeschrittenem Parkinson-Syndrom und einen mit Mundsoor nach Kortisoninhalation. Außerdem stehen einige Impfungen an und ich führe mehrere präoperative Untersuchungen durch – eine gute Möglichkeit, die systematische körperliche Untersuchung zu wiederholen.
Zwischendurch darf ich wieder eine Patientin vorschallen, bevor Dr. Carlberg dazustößt. Die Patientin ist zur Kontrolle da – sie sei in der Vergangenheit durch erhöhte Leberwerte und eine Fettleber im Ultraschall aufgefallen. Im Sono weisen Leber- und Nierenparenchym eine homogene, vergleichbare Echogenität auf; was mir allerdings ins Auge fällt, ist die Gallenblase. Die Wand zeigt eine deutliche Dreischichtung, um die Gallenblase sieht man einen echoarmen Flüssigkeitssaum und im Inneren einen Stein. Meine Nachfrage, ob der Gallenstein vorbekannt wäre und sie aktuell Bauchschmerzen habe, verneint die Patientin. Als Dr. Carlberg dazustößt, bestätigt er meine Vermutung. Es handelt sich sehr wahrscheinlich um eine chronische Cholezystitis, die einer weiteren Abklärung bedarf.
Am Mittwochnachmittag steht wieder unser wöchentliches PJ-Teaching an. Auch diese Woche findet es online statt und um 15 Uhr sitzen Alicia und ich mit einer Tasse Tee in der Küche und lauschen PD Dr. Breu, der Chefärztin der Anästhesie und Intensivmedizin in Cham, die über die unterschiedlichen Arten von Schmerzen und wie man diese behandelt, referiert. Das meiste hat man schon mal gehört, aber gerade in Bezug auf die Therapie von chronischen Schmerzen kann ich einige neue Erkenntnisse erlangen. Wir können unser aufgefrischtes bzw. neu erlerntes Wissen direkt am Ende noch an ein paar BeispielpatientInnen anwenden und es zeigt sich, dass alle gut aufgepasst haben.
Aber das war es noch nicht mit Input für diesen Tag – am Abend treffen wir uns zum 59. Journal Club. Auch hier sitzen Alicia und ich wieder vor dem Laptop und folgen interessiert der Diskussion der anwesenden ÄrztInnen. Es werden unterschiedliche Studien vorgestellt, unter anderem eine Studie zu dem neuen Migränemedikament Lasmiditan, und wir sprechen auch über ein Tool, das entwickelt wurde, um die Risikowahrscheinlichkeit für das Auftreten eines kolorektalen Karzinoms vorherzusagen.
Und dann ist auch schon wieder Freitag und die ersten vier Wochen von meinem PJ sind vorbei. Die Zeit hier vergeht wahnsinnig schnell und jetzt freue ich mich erstmal auf ein entspanntes und ruhiges Wochenende, bevor ich mich wieder in den Praxisalltag stürze.
 

Woche 5: 19.06. – 25.06.2023

Auch in der fünften Woche ist unser Wartezimmer immer gut besetzt und das ganze Team hat alle Hände voll zu tun. Zu dieser Herausforderung gesellt sich auch noch das Wetter hinzu – es wird von Tag zu Tag wärmer, bis wir am Donnerstag mit 33°C den Höchststand erreichen, bevor dann das lang ersehnte Gewitter kommt und endlich ein bisschen Abkühlung bringt.
Wir lassen uns von den hohen Temperaturen nicht einkriegen – es werden flugs ein paar Ventilatoren aufgestellt und mehr Trinkpausen eingelegt und dann widmen wir uns wieder der PatientInnenversorgung.
Am Anfang der Woche stellt sich ein Patient mit ausstrahlenden Schmerzen im Schulterbereich bei uns vor. Seine Erklärung, er habe sich am Wochenende wohl verhoben, klingt erstmal plausibel. Kurz bevor wir die Schulter genauer untersuchen können, erwähnt er noch, dass er auch „so einen Ausschlag“ über der Brust habe. Wir werfen nur einen kurzen Blick darauf und schon ist klar, was die eigentliche Ursache für die Schmerzen ist. Der gerötete, bläschenförmige Ausschlag, der auf ein Hautareal begrenzt ist, ist doch eher typisch für den Herpes Zoster. Anstelle einer Schmerzsalbe verschreiben wir also ein Virostatikum.
Was die Sonografie angeht, wird diese Woche (ungeplant) zu meiner Schilddrüsen-Woche. Am Dienstag nimmt sich Dr. Carlberg viel Zeit, um mir die Untersuchung der Schilddrüse im Ultraschall einmal ausführlich zu zeigen und zu erklären, und in den nächsten Tagen darf ich mich dann alleine ausprobieren. Am Anfang läuft es noch etwas holprig, aber nach einer Weile habe ich den Dreh raus und freue mich, wenn die Messungen von Dr. Carlberg beim Nachschallen mit meinen übereinstimmen.
Am Mittwochnachmittag treffen wir uns dann wieder mit Julia und Andreas zu unserer wöchentlichen Teachingreihe. Diesmal sind wir nicht in Cham, sondern fahren nach Falkenstein zur urologischen Praxis von Dr. Maurer. Zu Beginn bekommt jeder ein Blatt mit einer übersichtlichen Mindmap zum Thema „Basiswissen Urologie“ in die Hand gedrückt und dann arbeitet Dr. Maurer die Punkte nach und nach ab und lässt auch genug Raum für Fragen von unserer Seite. Bisher habe ich eher wenige urologische Fälle in unserer Praxis gesehen, aber falls sich das ändern sollte, bin ich jetzt bestens vorbereitet!
Die nächsten Tage vergehen trotz oder vielleicht gerade wegen der gut gefüllten Sprechstunden überraschend schnell und dann steht auch das Wochenende wieder vor der Tür. Diesmal habe ich mir vorgenommen, eine Kajaktour auf dem Regen zu unternehmen und ich freue mich sehr darauf, den Bayerischen Wald vom Wasser aus zu erkunden, ein bisschen im kühlen Nass zu planschen und dabei die Seele baumeln zu lassen.
 

Woche 6: 26.06. – 02.07.2023

Den Montagvormittag in dieser Woche verbringe ich mit einer der MFAs im Labor. Die Arbeit ist auch hier sehr abwechslungsreich: Der Großteil der Zeit ist zwar mit Blutentnahmen gefüllt, aber zwischendurch messe ich Quick-Werte, lese die Werte zur Berechnung der BSG ab, beurteile Urinstreifen und schaue mir das Sediment unter dem Mikroskop an. Ich freue mich, mal einen “Blick hinter die Kulissen“ werfen zu können und dass zwischendurch genug Zeit für ausführliche Erklärungen, meine Fragen und auch zum Plaudern bleibt.
Am Dienstag steht mal wieder ein Praxiswechsel an – ich bleibe diesmal in Grafenau und darf mir den hier angesiedelten Standort der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald anschauen. Hier treffe ich auf Dr. Blank und beobachte erst aus dem Hintergrund, wie fix und trotzdem gründlich er seine PatientInnen versorgt, bis ich dann selbst Anamnese und Untersuchungen durchführe. Im Anschluss präsentiere ich Dr. Blank meine Ergebnisse und erhalte dafür hilfreiches Feedback. Nach der Mittagsbesprechung mache ich mich auf den Weg zurück in unser Häuschen, wo ich den Vormittag noch einmal rekapituliere.
Ein häufiger Vorstellungsgrund heute waren Bauchschmerzen. Die Ursachen dafür sind vielfältig, aber durch gezieltes Fragen kann man in der Anamnese schon einiges über den Ursprung der Beschwerden herausfinden. Die Kombination mit Durchfall nach dem Verzehr von abgelaufenen Milch- und Fleischprodukten am Wochenende deutet auf eine Lebensmittelvergiftung hin und die Cholezystektomie in der Vorgeschichte der anderen Patientin könnte auf eine dadurch bedingte Unverträglichkeit von fettreichen Speisen hinweisen. Zur weiteren Abklärung und dem Ausschluss von AGVs folgt noch die körperliche Untersuchung und eine Sonografie des Abdomens. In beiden Fällen kann Entwarnung gegeben werden und mit dem Hinweis, in nächster Zeit auf die Ernährung und bei Durchfall auf den Flüssigkeitshaushalt zu achten, entlassen wir die PatientInnen nach Hause.
Da wir am Mittwoch ausnahmsweise mal kein Teaching in bzw. aus Cham haben, beschließen Alicia und ich, wieder selbst aktiv zu werden. Draußen ist ein herrlicher Sommertag und so setzen wir uns kurzerhand mit einer Picknickdecke in den Garten und knobeln wieder an einem fiktiven Fall aus dem Lehrbuch. Unser erstes Thema: Bauchschmerzen. Mal wieder. Unsere Patientin hat Fieber und – wie vor zwei Jahren schon mal – Schmerzen im linken Unterbauch. Diese Kombination kommt uns sehr bekannt vor und wir liegen mit unserer Vermutung richtig. Die Patientin wird von einer Divertikulitis geplagt. Wir können uns schnell darauf einigen, was wir an weiterer Diagnostik durchführen würden, aber die Antibiotika, die zur Therapie einer (möglicherweise) komplizierten Divertikulitis in Betracht kommen, müssen wir doch nochmal nachschlagen.
Am Ende der Woche bekomme ich Besuch aus Würzburg. Es ist schön, sich beim gemütlichen Abendessen über die Erfahrungen im PJ auszutauschen und in den nächsten beiden Tagen beim Wandern auf den kleinen Arber und Eisessen im Grafenauer Kurpark einfach abzuschalten und den Sommer zu genießen.
 

Woche 7: 03.07. – 09.07.2023

Eine weitere Woche neigt sich dem Ende zu. Neben vielen interessanten und bereichernden Begegnungen mit PatientInnen bleiben mir diese Woche vor allem die lehrreichen Vorträge in den virtuellen Besprechungen und vor Ort in Cham im Gedächtnis.
Da ist zum einen das Thema "Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom" (OSAS), über das Dr. Machac am Montag in der Mittagsbesprechung referiert. Die Häufigkeit der Erkrankung nimmt zu und da die kardiovaskulären Folgen verheerend sein können, ist es wichtig, das OSAS frühzeitig zu erkennen und zu therapieren. Dr. Machac erläutert uns, bei welcher Symptomkonstellation wir hellhörig werden sollten, welche Kriterien für die Diagnosestellung erfüllt sein müssen und welche Behandlungsoptionen in Betracht kommen.

Am Mittwochnachmittag in Cham steht dann das Herz im Mittelpunkt. Der Chefarzt der Inneren Medizin, Prof. Dr. Buchner, führt uns in die Grundlagen der Echokardiografie ein und zeigt eine breite Auswahl an Pathologien des Herzens, die man mithilfe des Ultraschalls diagnostizieren kann. Im Anschluss haben wir die Möglichkeit, uns gegenseitig zu schallen und mit etwas Hilfestellung gelingt es auch, die richtigen Schallfenster und Schnitte darzustellen. Mit dem guten Gefühl, durch diese interaktive Erfahrung das Verständnis für die Echokardiografie nachhaltig vertieft zu haben, machen wir uns auf den Heimweg. Auf halber Strecke beschließen wir spontan, wieder einen Zwischenstopp in Regen einzulegen und den Abend bei einem gemütlichen Plausch und leckerem Essen in der Pizzeria ausklingen zu lassen.
Die Fallbesprechung am Donnerstagmittag verläuft etwas anders als sonst. In einer Praxis haben sich gehäuft Patientinnen mit PCO-Syndrom vorgestellt und infolgedessen sind auch einige Fragen zu dieser Erkrankung aufgetaucht. Um diese zu beantworten, ist im heutigen Zoom-Meeting ein Gynäkologe dabei. Er nimmt sich viel Zeit, uns ausführlich über das Syndrom zu informieren und ich bin ganz begeistert, dass die Möglichkeit besteht, sich so persönlich mit anderen Fachbereichen auszutauschen.
Ein anderer Aspekt der hausärztlichen Tätigkeit, der diese Woche für mich sehr geprägt hat, ist das Überbringen schlechter Nachrichten. Schlechte Nachrichten heißt in beiden Fällen, die ich diese Woche miterlebe, dass anhand einer Gewebeprobe Krebs diagnostiziert worden ist. Das Aufklärungsgespräch bei der Erstdiagnose einer solchen Erkrankung ist für beide Seiten, PatientInnen und ÄrztInnen, emotional belastend. Auf ärztlicher Seite bedarf es viel Einfühlungsvermögen und ich stelle in meiner Rolle als Beobachterin fest, wie wichtig es ist, Pausen im Gespräch zu lassen und regelmäßig nachzufragen, ob die Informationen auch bei den PatientInnen angekommen sind. Um ein schwieriges Gespräch zu planen, kann man sich an dem  SPIKES-Kommunikationsmodell orientieren und Dr. Blank gibt mir den wertvollen Hinweis, die Gesprächsführung anhand des Modells erstmal mit weniger schwerwiegenden Diagnosen zu üben, um im Ernstfall sicher auf das Schema zurückgreifen zu können.
 

Woche 8: 10.07. – 16.07.2023

Nun sind es schon zwei Monate, in denen ich den Bayerischen Wald und unser feines Häuschen im beschaulichen Grafenau mein Zuhause nennen kann. Ich brauche kein google maps mehr, um mich im Ort zurechtzufinden, weiß, in welchen Ecken im Garten Himbeeren und Walderdbeeren zu finden sind und kenne den Namen der Nachbarskatze, die sich gerne auf unserem Grundstück herumtreibt und Streicheleinheiten nicht abgeneigt ist.
In der Praxis machen sich die beiden Monate nicht nur an meinem Wissenszuwachs, sondern auch im Umgang mit den PatientInnen bemerkbar. Viele Gesichter im Wartezimmer sind mir inzwischen vertraut, Anamnese und Untersuchung sind routinierter geworden und auch in die anfangs sehr unübersichtlich wirkende Praxissoftware habe ich mich mittlerweile eingefunden. Meine Fortschritte werden mir noch einmal richtig bewusst, als ich am Ende der Woche mit Dr. Carlberg in einer ruhigen Minute die geforderten Fähigkeiten und Fertigkeiten in meinem Logbuch reevaluiere. Ein schönes Gefühl!
Und trotzdem gibt es jede Woche etwas Neues zu lernen oder die Möglichkeit, Themen noch etwas zu vertiefen. So auch am Mittwoch im PJ-Teaching, das wieder online stattfindet. Das Thema heute: Psychiatrische Erkrankungen erkennen, behandeln oder überweisen. Im Fokus steht dabei die Depression. Und das zu Recht, schließlich leidet von 10 PatientInnen, die eine Hausarztpraxis aufsuchen, eine/r auch an dieser psychischen Erkrankung. "Man kann also durchaus von einer Volkskrankheit sprechen", sagt die Chefärztin der Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. Prasser, die sich heute Zeit für uns genommen hat. Sie erzählt uns, worauf man als Arzt und Ärztin in der hausärztlichen Versorgung achten muss und anhand welcher Symptome man die passenden Medikamente auswählt.
Auch am Donnerstag in der Mittagsbesprechung widmen wir uns statt konkreten PatientInnenfällen einer Erkrankung, und zwar dem Herpes zoster. Dr. Machac fasst nochmal das Wichtigste zusammen und stellt uns zwischendurch Fragen, was den Lerneffekt für mich noch etwas verstärkt. Wenn ich selbst aufgefordert werde, aktiv mitzumachen, bleibt meist doch etwas mehr hängen.
 

Woche 9: 17.07. – 23.07.2023

Nach einem sehr schönen, aber leider nicht ganz so erholsamen Wochenende in Würzburg starte ich am Montag etwas müde in die Sprechstunde. Die Müdigkeit hält leider die ganze Woche an und ich bin mir sicher, dass die Hitze nicht ganz unschuldig daran ist.
Auch den PatientInnen machen die hohen Temperaturen zu schaffen. Ein häufiger Beratungsanlass ist eine plötzlich auftretende Hypotonie, obwohl der Blutdruck bisher gut medikamentös eingestellt war. Einige PatientInnen klagen auch über damit verbundene Symptome, wie Schwindel, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit. In den meisten Fällen reicht eine Reduktion der Medikamentendosis und der Hinweis, bei so hohen Temperaturen gut auf den Wasserhaushalt zu achten, um die PatientInnen wieder Nachhause entlassen zu können. Eine Patientin berichtete jedoch zusätzlich von dem Gefühl, dass ihr Herz ab und zu komisch schlagen würde. Der unregelmäßige Herzschlag lässt sich auch beim Tasten des Pulses bestätigen und nach einem auffälligen EKG beschließen wir, die Patientin für eine weitere Abklärung in die Klinik einzuweisen.
Zum Sommer gehört nicht nur die Hitze, sondern auch diverse Insekten, die sich gerne von menschlichem Blut ernähren. Und so stellen sich immer wieder PatientInnen mit Rötung und Schwellung nach Insektenstich bei uns vor. Je nach Symptomatik unterscheiden wir zwischen Erythema migrans, einer Lokalreaktion und in zwei Fällen verordnen wir mit Verdacht auf Erysipel ein Antibiotikum. Bei einer Patientin liegen wir mit unserem Verdacht allerdings falsch, denn bei der Nachkontrolle ist die Rötung trotz Antibiotikatherapie nicht zurückgegangen – ganz im Gegenteil, sie hat zugenommen und unterhalb des Knöchels zeigt sich außerdem ein geröteter Strang, der palpabel und druckdolent ist. Es sieht sehr verdächtig nach einer Phlebitis aus und mithilfe der Sonografie können wir unsere Verdachtsdiagnose bestätigen. Die Antibiose wird also direkt abgesetzt und stattdessen befolgen wir die Devise: Kompression, Mobilisation und Antikoagulation. 
Neben vielen spannenden Fällen in der Praxis ist auch die Montagsbesprechung sehr lehrreich. Statt dem üblichen Vortrag zu einem Thema stellt Dr. Blank uns heute Fragen zur Wundversorgung. Wann ist eine Wunde verschlossen? Wie lange muss man nach der OP warten, bis man wieder mit der Wunde duschen darf? Wann sollte man die Fäden ziehen? Ich stelle fest, dass ich bei dem Thema doch eher vorsichtig unterwegs bin und bin ganz überrascht, dass Operationswunden bereits nach 48h mit Wasser in Kontakt kommen dürfen. Im Anschluss gibt es dann einen kurzen Themenwechsel: Wie geht man vor, wenn nach einem nicht ganz erfolgreichen Versuch, eine Zecke zu entfernen, ein Teil der Zecke stecken bleibt? Aus eigener Erfahrung weiß ich: Das regelt der Körper meistens von selbst.
Auch das PJ-Teaching am Mittwoch ist interaktiv gestaltet. Dr. Weinhold, Fachärztin für Allgemeinmedizin, gibt uns hilfreiche Tipps im Umgang mit PatientInnen und möchte wissen, was wir bisher für Erfahrungen gemacht haben.
Im Anschluss findet der Journal Club statt und wie beim letzten Mal werden wieder viele spannende Studien vorgestellt und diskutiert.
Aber das war es noch nicht mit Input für diese Woche: Am Wochenende geht es für mich nach Bad Staffelstein zu einem PJ-Trainingskurs, der von meiner Heimatuniversität und der Uni Erlangen organisiert wird. Laut Programmheft erwarten uns eine fallbezogene interaktive Erarbeitung von Differentialdiagnosen und die Vorstellung von Fällen aus den Gebieten der Inneren Medizin und Chirurgie. Ich bin sehr gespannt und freue mich besonders darauf, einige meiner KommilitonInnen wiederzusehen.
 

Woche 10: 24.07. – 30.07.2023

Diese Woche dürfen Alicia und ich für drei Tage in der Rehaklinik in Schaufling hospitieren. Schon der erste Kontakt zu unserem Ansprechpartner während der Hospitation, dem Oberarzt der Orthopädie Dr. Buvar, ist sehr herzlich und die Organisation unseres Aufenthalts verläuft ganz unkompliziert. Als wir am Montagmorgen in Schaufling ankommen und einen ersten Blick auf die Klinik werfen, staunen wir nicht schlecht. Die Rehaklinik liegt auf einem Berg in 700 Meter Höhe, mitten im Wald. Ein guter Ort, um sich zu erholen und ein bisschen zur Ruhe zu kommen.
Nachdem wir kurz die Aussicht bewundert haben, werden wir von Dr. Buvar abgeholt, mit Kittel und Namensschild ausgestattet und dann bekommen wir erstmal eine ausführliche Hausführung. Das nimmt einige Zeit in Anspruch, weil die Klinik aus mehreren Gebäuden besteht und wir auf dem Weg verschiedenen Leuten aus dem Team der Klinik vorgestellt werden. Insgesamt ist die Stimmung sehr familiär und entspannt.
Der Ablauf unserer Hospitation ist super organisiert – wir bekommen direkt zu Beginn eine Übersicht über die Vormittage, die mit verschiedenen Therapien gefüllt sind. So verbringen wir am Montag eine halbe Stunde im Fitnessraum und trainieren gemeinsam mit den RehabilitandInnen, danach probieren wir die maschinelle Lymphdrainage aus und bekommen einen kalten Guss an den Beinen und ein Kohlensäurebad für die Arme in der Hydrotherapie. Anschließend dürfen wir uns im Bogenschießen ausprobieren. Da jede halbe Stunde das Programm wechselt und wir in ganz verschiedenen Räumen unterwegs sind, verbringen wir anfangs auch viel Zeit damit, durch verschiedene Gebäude und lange Flure zu irren. Zum Glück treffen wir immer wieder auf eine/n der sehr lieben und hilfsbereiten TherapeutInnen und so landen wir letztendlich immer zur rechten Zeit am rechten Ort.
Wenn wir nicht unsere Zeit mit Rückenschule, Elektrotherapie und Qi Gong verbringen, nehmen wir an den morgendlichen Fallbesprechungen der Orthopädie teil, in denen Alicia und ich jeweils eine Neuaufnahme vorstellen dürfen. Um 12 finden wir uns dann zum Mittagessen in der Kantine ein und danach steht neben Neuaufnahmen auch ein Untersuchungskurs zu Knie und Schulter inkl. Sonografie an. Dr. Buvar erklärt uns nochmal sehr ausführlich den Aufbau der beiden Gelenke und geht die verschiedenen Untersuchungstechniken mit uns durch.
Mein Highlight (neben dem Hydrojet, quasi ein Wasserbett mit Massage) ist der Präventionstag am Mittwoch. Dr. Buvar hat Alicia und mich eingeladen, mitzumachen und so packen wir morgens unsere Laufschuhe ein, bevor wir uns auf den Weg nach Schaufling machen. Der Plan ist, von der Klinik aus 2,3 km durch den Wald zu laufen bis man an eine Straße kommt und dann den gleichen Weg wieder zurückzulaufen. Wie schnell man die Strecke bewältigt, ist jedem selbst überlassen. Leider will das Wetter nicht wirklich mitmachen. Es ist plötzlich kühl geworden und es regnet fast durchgehend. Bevor es losgeht, setzen wir uns am Nachmittag in ein verlassenes Büro und Alicia schaltet sich zum Teaching in Cham dazu, während ich an einem Onlinevortrag zum Thema „Sinnvolle und effektive Labordiagnostik für HausärztInnen“ teilnehme. Ein Arzt aus Bremen referiert über den richtigen Umgang mit Laborproben und erklärt uns, bei welchen Laborparametern die PatientInnen nüchtern sein müssen und welche Gewohnheiten zu einer Erhöhung von bestimmten Parametern führen können. So erhöht Rauchen beispielsweise die Anzahl der Leukozyten im Blut und bei körperlicher Aktivität steigen die Kinasen, aber auch GOT und Bilirubin. Im Anschluss zeigt er uns, wie man aus dem großen Angebot an möglichen Laborparametern je nach Fragestellung einige wenige Werte auswählen kann, um gezielte Labordiagnostik zu betreiben. Während des Vortrags regnet es unentwegt in Strömen und ich sehe unseren Sporttag schon buchstäblich ins Wasser fallen.
Aber Glück gehabt: Als wir uns draußen zum Aufwärmen treffen, hört netterweise auch der Regen auf. Insgesamt sind wir ca. 50 Leute und es macht richtig Spaß, gemeinsam durch den Wald zu laufen.  Wir sind eine halbe Stunde unterwegs und auf den letzten hundert Metern müssen wir doch ordentlich die Zähne zusammenbeißen. Aber wir werden dafür belohnt: Dr. Buvar lädt uns im Anschluss zum Grillen ein und so können wir den schönen Aufenthalt in der Rehaklinik gemütlich ausklingen lassen.
Insgesamt war die Hospitation in Schaufling eine sehr bereichernde Zeit. Ich wusste zwar vorher, was die Ziele in der Reha sind, aber wie der genaue Ablauf aussieht und welche Angebote für die RehabilitandInnen zur Verfügung stehen, war mir überhaupt nicht bewusst. Deshalb bin ich dankbar, diese Möglichkeit gehabt zu haben und freue mich über die neu gewonnene Erkenntnis und Erfahrungen, die ich mit in mein weiteres Arbeitsleben nehmen kann.
 

Woche 11: 31.07. – 06.08.2023

Da der wohlverdiente Urlaub für die Gemeinschaftspraxis in Grafenau vor der Tür steht und ich im Anschluss nur noch eine Woche bei Dr. Carlberg und Dr. Scholz verbringe, gehen Dr. Carlberg und ich am Anfang der Woche noch einmal mein Logbuch durch. Es sind nicht mehr viele Dinge, die noch auf meiner To-Do-Liste stehen und eins davon kann ich gleich am selben Vormittag abhaken.
Bei uns stellt sich ein älteres Ehepaar zum geriatrischen Assessment vor.  Wir verwenden den Barthel Test zur Bewertung der Alltagsfunktionen. Die zugehörigen Fragen drehen sich unter anderem um Mobilität, Koordination und Kontinenz und es können pro Frage entweder 0, 5 oder 10 Punkte vergeben werden. Ich merke, dass es den beiden teilweise schwerfällt, zuzugeben, dass sie in einigen Bereichen eingeschränkt sind. Im Zweifelsfall muss man noch einmal genauer nachhaken und wie auch sonst sind Empathie und ein nicht-wertender Umgang mit den Antworten essenziell.
Im Anschluss findet wieder die wöchentliche Montagsbesprechung statt. Heute reden wir über die Helicobacter pylori-Infektion, die häufigste Ursache der gastroduodenalen Ulkuskrankheit. Ich habe im Studium als Erstlinien-Therapie noch die verschiedenen Triple-Varianten gelernt und bin ganz überrascht, dass laut Leitlinie in der Behandlung mittlerweile zuerst die sogenannte Quadrupeltherapie eingesetzt werden soll. Die Begründung dafür sind neu aufgetretene Clarithromycin-Resistenzen, die ein breiteres Therapieregime notwendig machen. Gegen diese Therapie spricht allerdings eine höhere Abbruchquote wegen der hohen Medikamentenmenge und den verstärkt auftretenden Nebenwirkungen.
Mein Fazit aus der Besprechung: Viel hinterfragen, reflektieren und sich bewusst sein, dass man in der Medizin niemals ausgelernt hat.
Am Mittwoch veranstalten wir auf Anregung von Dr. Blank ein kleines Gartenfest bei uns in Grafenau. Myriam und Julia kommen ein bisschen früher vorbei und gemeinsam verwandeln wir die Terrasse mit Tischen und Stühlen in eine gemütliche Sitzgelegenheit mit leckerem Buffet. Der gesellige Abend bietet eine gute Gelegenheit, sich außerhalb der Praxis kennenzulernen und bleibt zum Glück sogar fast regenfrei. Ein Highlight des Abends ist Paddy – Dr. Blanks Hund, der gerne mal seinem Herrchen entwischt und sich die ein oder andere Streicheleinheit bei uns abholt.
Am Ende der Woche wird es noch einmal stressig. Schließlich ist auch den PatientInnen bewusst, dass die Praxis bald zwei Wochen geschlossen ist und so werden noch fleißig Rezepte abgeholt, Quick-Werte kontrolliert und auch die Sprechstunde ist gut frequentiert.
Unter anderem stellt sich eine Patientin mit einer Entzündung am Lid und einer Hautwucherung an der Stirn vor. Sie präsentiert die beiden Entitäten als zusammenhängendes Krankheitsbild, aber Dr. Carlberg differenziert zwischen einem Cornu cutaneum, einer Präkanzerose an der Stirn und einer bakteriellen Infektion des Oberlids. Die Infektion behandeln wir selbst, den Rest überlassen wir der Dermatologie.
Eine andere Patientin stellt sich mit einem fortgeschrittenen Struma nodosa vor. Ihr wurde zur Operation geraten, allerdings hat sie Angst vor der OP und möchte gerne die Meinung von Dr. Carlberg dazu hören. Ich finde es immer wieder schön zu sehen, wie viel Vertrauen manche PatientInnen in ihre ÄrztInnen haben, aber auf der anderen Seite habe ich auch sehr viel Respekt vor der Verantwortung, die man als Arzt und Ärztin in einer solchen Situation hat.  
 

Woche 12: 07.08. – 13.08.2023

Meine 12. Woche ist gesplittet. Bis Mittwoch bin ich noch bei Dr. Carlberg und Dr. Scholz und die beiden anderen Tage verbringe ich in der Gemeinschaftspraxis von Dr. Gahbauer.
An beiden Standorten merkt man, dass jetzt der eigene Urlaub vor der Tür steht und dass einige andere HausärztInnen in der Region bereits im Urlaub sind – demzufolge sehe ich diese Woche noch einmal viele PatientInnen und auch vielfältige Krankheitsbilder.
Recht eindrücklich ist ein Erysipel am Bein eines Patienten. Er beschreibt, dass sich die scharf begrenzte Rötung in den letzten Tagen schnell ausgebreitet hätte. Als wir die Lymphknoten in der Leiste schallen wollen, zeigt sich auch dort eine Hautrötung und im Sono präsentieren sich die Lymphknoten stark vergrößert und echoreich. Mit Hinblick auf den anstehenden Praxisurlaub stellen wir eine Überweisung ins Krankenhaus aus.
Am selben Tag stellt sich ein Patient mit starker Lidschwellung und Rötung um das Auge vor. Sein Allgemeinzustand ist reduziert und mit Verdacht auf Orbitaphlegmon wird auch dieser Patient stationär eingewiesen.
Gegen Ende der Woche stehen dann virusbedingte Hauterscheinungen im Vordergrund.
Ein junger Patient stellt sich mit Exanthem nach vorausgegangenem Fieber vor. Im Mund zeigen sich schmerzhafte Enantheme und an Händen, Füßen und den Oberschenkeln präsentiert sich ein makulopapulöses, teils auch vesikulöses Exanthem. Die Klinik ist typisch für die Hand-Fuß-Mundkrankheit, eine hochansteckende, aber meist mild verlaufende Infektion mit Enteroviren. Mit dem Hinweis auf eine ausreichende Händehygiene können wir den Patienten wieder Nach Hause entlassen.
Ohne Medikation geht es bei der nächsten Patientin leider nicht. Sie äußert selbst den Verdacht auf Gürtelrose, nachdem sie am Rücken Bläschen getastet habe. An der LWS zeigen sich haufenförmig gruppierte Bläschen auf erythematösem Grund und wir können die Verdachtsdiagnose bestätigen. Zur Behandlung verschreiben wir ein Virostatikum und ein Analgetikum. Außerdem weisen wir noch auf die Ansteckungsgefahr hin, besonders im Kontakt mit PatientInnen mit Abwehrschwäche, Neugeborenen und Schwangeren ohne ausreichende Immunität.
Am Donnerstag in der Fallbesprechung spricht Dr. Blank ein schwieriges Thema an. Selbst wenn man alles gut organisiert und sich Mühe gibt, den Überblick zu behalten, kann es doch selten mal passieren, dass einem ein wichtiger Befund durch die Lappen geht. Er fragt die Runde, was für Strategien die anderen Praxen eingeführt haben, um dies zu vermeiden. Das zeigt wieder, dass der Austausch zwischen ÄrztInnen nicht nur zur Behandlung von PatientInnen sinnvoll sein kann. 
Auch außerhalb der Praxen ist viel los bei uns. Außer mir und Alicia sind nämlich 3 BlockpraktikantInnen aus Würzburg in der alten Pension in Grafenau. Es ist ungewohnt, plötzlich so viel Trubel zu haben, aber auch sehr schön. Am Anfang der Woche werde ich erstmal in ein traditionelles bayerisches Kartenspiel eingeführt: Schafkopf. Die ganzen Bezeichnungen und Regeln überfordern mich erstmal ganz schön, aber mit der Zeit funktioniert es immer besser und ich freue mich richtig auf die abendlichen Spielrunden.
Am Wochenende besuche ich dann meine ehemalige Mitbewohnerin in Passau. Ich habe schon oft von der Stadt vorgeschwärmt bekommen und kann es kaum erwarten, mir endlich selbst ein Bild machen zu können.
 

Woche 13: 14.08. – 20.08.2023

Der Montag in dieser Woche beginnt für mich mit einer Hospitation in einem anderen Fachbereich – ich darf einen Tag mit in den Praxisalltag von Dr. Träger, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, hineinschnuppern. Die Praxis liegt genau neben der von Dr. Carlberg und Dr. Scholz, ich kann also ganz bequem zu Fuß hinlaufen.
Im Eingangsbereich sieht alles so aus wie in der Allgemeinmedizin auch – das Herzstück bildet die Rezeption zur Aufnahme der PatientInnen und von dort führen verschiedene Türen ins Wartezimmer, den Personalbereich und die Sprech- /Behandlungszimmer. Letztere sind jedoch ganz anders aufgebaut, als ich es gewohnt bin. Zwar gibt es auch den obligatorischen großen Tisch mit zwei Stühlen für die PatientInnen davor, dieser wird aber kaum genutzt. Stattdessen nehmen die PatientInnen auf einem Drehstuhl in der Mitte des Raumes Platz und die ganzen Instrumente und Geräte sind im Halbkreis um den Stuhl aufgebaut. „Das sogenannte Cockpit“, erklärt mir Dr. Träger.
Wie in der Allgemeinmedizin stellen sich auch hier PatientInnen in jedem Lebensalter vor. Sie kommen zur Tumornachsorge, OP-Vorbesprechung, Nachkontrolle nach Tonsillektomie, Reinigung des Gehörgangs und zur Abklärung von Atembeschwerden und nächtlichem Schnarchen.
Die Behandlung schaue ich mir hauptsächlich aus dem Hintergrund an, darf aber zwischendurch mit dem Nasenspekulum einen Blick auf eine Nasenseptumdeviation werfen und versuche einige Minuten lang erfolglos, mit dem Mikroskop das Trommelfell einer Patientin scharf zustellen.
Der Dienstag ist ein Feiertag und ich nutze die freie Zeit, um endlich die Buchberger Leite zu wandern. Die Wildbachklamm wurde mir schon mehrfach von PatientInnen empfohlen und die Strecke ist auch wirklich so schön, wie sie angepriesen wurde. Bei den hohen Temperaturen ist der Waldweg am Wasser entlang sehr angenehm kühl und wir nutzen den Bach für eine kurze Erfrischung zwischendurch.
Ab Mittwoch bin ich dann bei Dr. Blüml in Neukirchen vorm Wald. Die Praxis ist sehr freundlich und modern eingerichtet, aber die Parkplatzsuche gestaltet sich etwas kompliziert – es ist der erste Tag nach dem Praxisurlaub und der Andrang ist groß.
Die Praxis ist aber großartig organisiert: Es gibt ein großes Wartezimmer und wer lieber draußen an der frischen Luft oder im Auto warten möchte, bekommt einen Piepser mit. Dieser kündigt dann lautstark an, wenn man an der Reihe ist und vermindert Laufzeiten für die MFAs.
Auch die beiden ÄrztInnen sind gut organisiert. Jede/r hat zwei Sprechzimmer und vor den Zimmern ist ein kleines Fach angebracht, in dem die MFAs Zettel mit groben Informationen zu den nächsten PatientInnen deponieren können. So weiß man vorher schon ungefähr, was auf einen zukommt.
Die Krankheitsbilder sind wieder sehr gemischt, mit dabei sind u.a. ein Erythema migrans, eine ISG-Blockade und ein Harnwegsinfekt. Zwischendurch sonografieren wir einen Patienten, der sich mit Hämaturie vorgestellt hat. Glücklicherweise sind Nieren und Blase blande.
Insgesamt fühle ich mich sehr wohl bei Dr. Blüml. Trotz des vollen Wartezimmers lässt sie genug Raum für Fragen und ermuntert mich schnell dazu, selbst Anamnese und Untersuchung durchzuführen.
Am Donnerstag treffen wir uns dann zum letzten Mal mit Dr. Blank zur Fallbesprechung, bevor er in den wohlverdienten Urlaub geht. Im Anschluss fragt er uns nach unserem Feedback zu dem Tertial im Bayerischen Wald. Im Großen und Ganzen fällt das sehr positiv aus und die wenigen Kritikpunkte, die wir anbringen, decken sich auch mit denen der anderen PJlerInnen. Dr. Blank kann unsere Kritik gut nachvollziehen und hat auch schon Pläne, wie er das PJ noch verbessern möchte.
 

Woche 14: 21.08. – 27.08.2023

Auch diese Woche verbringe ich in Neukirchen vorm Wald bei Dr. Blüml. Am Montag ist die Praxis wieder genauso überlaufen wie in den letzten Tagen, aber ab Dienstag wird es ein bisschen entspannter.
Ich bin ganz glücklich, mal wieder für eine längere Zeit an einem Ort zu sein. So kann ich die Abläufe kennenlernen, sehe einige PatientInnen im Verlauf sogar mehrfach und bekomme etwas Übung in der Bedienung der Praxissoftware.
Jeden Morgen fragt Dr. Blüml mich, ob ich selbst mit den PatientInnen anfangen oder mich mit in ihre Sprechstunde setzen möchte. Mir macht beides sehr viel Spaß – auf der einen Seite die Selbstständigkeit und der direkte Kontakt zu den PatientInnen und auf der anderen ist es sehr bereichernd, die Arbeitsweise von Dr. Blüml kennenzulernen.
Auch wenn sich das Tertial dem Ende neigt, gibt es immer wieder Vorstellungsgründe, die mir bisher noch nicht untergekommen sind. So stellt sich diese Woche eine Patientin nach Katzenbiss bei uns vor. Die Bissstelle befindet sich am Handrücken und obwohl das Ereignis noch keine Stunde her ist, hat sich schon eine starke Schwellung gebildet und die Patientin ist in der Beugung der Finger eingeschränkt. Zu meiner Überraschung gibt sie kaum Schmerzen an. Dr. Blüml erklärt der Patientin (und mir), dass man so einen Biss durchaus auch mal ohne Antibiotikum behandeln kann, aber in diesem Fall verordnen wir doch prophylaktisch eine Antibiose.
Eine für mich neue Blickdiagnose diese Woche ist das Atherom. Es zeigt sich als prall-elastische, halbkugelige und ca. 1-2 cm große Schwellung hinter dem Ohr eines Patienten. Dr. Blüml und der Patient entscheiden sich für die Exzision.
Auch eine blutige Angelegenheit ist der Patient, bei dem es nach der Dialyse zu einer Blutung aus dem Dialyse-Shunt am Unterarm gekommen ist. Als er sich bei uns vorstellt, hat die Blutung glücklicherweise schon wieder aufgehört. Und ich bekomme die Gelegenheit, das typische Schwirren über dem Shunt zu tasten und mit dem Stethoskop abzuhören.
Am Donnerstag in der Fallbesprechung sind wir nur zu dritt. „Eine kleine illustre Runde“, sagt Dr. Ammer, der außer mir und Alicia noch im Zoom Meeting dabei ist. Als er uns nach spannenden Themen aus unserer Woche fragt, kommen wir recht schnell auf die Anaphylaxie zu sprechen. Er fragt uns, welche die potentesten Allergene sind, wie das Vorgehen bei einer allergischen Reaktion in der Hausarztpraxis ist und wie wir das Adrenalin verabreichen würden. Im Anschluss gehen wir noch ein paar andere Notfälle in der Hausarztpraxis durch.
 

Woche 15: 28.08. – 03.09.2023

Diese Woche beginnt mal wieder mit einer Hospitation. Um 8 finde ich mich in Deggendorf bei der Zentrale der SAPV für die Landkreise Deggendorf, Regen, Freyung-Grafenau und Dingolfing-Landau ein.
Nach einem kurzen Kennenlernen des Palliativ-Teams beginnt der Tag mit der Teambesprechung. Es werden die PatientInnen aus dem Landkreis Deggendorf vorgestellt und über ihre aktuelle Situation berichtet. Im Anschluss machen wir uns zu dritt (ein Arzt, eine Pflegekraft und ich) auf, um zwei Neuaufnahmen zu besuchen. Man merkt schnell, dass die Palliativmedizin ganz anders abläuft als die kurative Medizin: Man nimmt sich mehr Zeit, um die PatientInnen kennenzulernen und auf sie einzugehen, und es stehen andere Bedürfnisse und Therapieziele im Vordergrund. Auch die Angehörigen werden intensiv mit einbezogen und es wird großer Wert auf die Zusammenarbeit mit HausärztInnen, Pflegediensten und Pflegeheimen gelegt.
Zentraler Bestandteil der palliativen Medizin ist die Kontrolle und Linderung von Symptomen, die die PatientInnen belasten. Zu den häufigsten Symptomen gehören Schmerzen, Fatigue, Dyspnoe, Obstipation, Übelkeit und Erbrechen. Die Bandbreite an Medikamenten, die man in der Palliativmedizin einsetzt, ist also überschaubar. Eine wichtige Medikamentengruppe in der Schmerztherapie sind Opioide und bei einer der Neuaufnahmen kann ich direkt zuschauen, wie eine Morphinpumpe subkutan gelegt wird.
Die letzten Tage von meinem Tertial verbringe ich dann wieder bei Dr. Carlberg und Dr. Scholz in Grafenau. Da sich das Team am Montag trifft, um schon mal den liegengebliebenen Papierkram aus den letzten Urlaubswochen zu erledigen, finden erst ab Dienstag wieder Sprechstunden statt.
Direkt zu Beginn der Sprechstunde stellt sich ein Patient vor, den wir kurz vor dem Urlaub mit einem ausgedehnten Abszess am Unterschenkel in die Klinik geschickt haben. Heute ist der Patient zum Fadenzug da und ich bin gespannt darauf, die Wunde jetzt zu sehen. Die Rötung und Schwellung sind stark zurückgegangen, aber das Wundgebiet ist noch handtellergroß. Der Patient hatte sich gegen ein Hauttransplantat entschieden und so muss die Wunde jetzt sekundär heilen.
Ansonsten sehe ich diese Woche noch viele StammpatientInnen, führe unter Aufsicht von Dr. Carlberg ein DMP für Diabetes durch, mache eine Narkosevoruntersuchung und fahre zum letzten Mal in diesem Tertial mit auf Hausbesuch.
 

Woche 16: 04.09. – 10.09.2023 Fazit

Jetzt ist das erste Drittel des PJs also schon vorbei. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht!
Ich wollte das Tertial gerne am Anfang des PJs machen, weil ich die Hoffnung hatte, hier noch ein bisschen mehr „an die Hand genommen zu werden“ und einen angenehmen Einstieg in das zukünftige Berufsleben zu bekommen. So war es auch.
Sowohl mit Dr. Blank, als auch mit Dr. Carlberg und Dr. Scholz in meiner Praxis in Grafenau hatte ich mehrere Ansprechpartner, an die ich mich jederzeit wenden konnte. Ich hatte das Gefühl, wertgeschätzt zu werden und wurde immer wieder gefragt, wie es mir geht und was ich mir für mein Tertial noch wünschen würde.
Ich habe ausreichend Zeit bekommen, Anamnese und Untersuchungen zu üben und Dr. Carlberg war sehr bemüht darum, alle Anforderungen aus meinem Logbuch zu erfüllen. Besonders dankbar bin ich für die ausführlichen Sonografie-Kurse bei Dr. Carlberg und die vielen Gelegenheiten, PatientInnen vor- oder nachzuschallen.
Auch das restliche Team in der Praxis in Grafenau ist sehr herzlich und alle teilen geduldig ihr Wissen und ihre Erfahrungen. Neben der Arbeit bleibt immer mal wieder Zeit für ein bisschen Plauderei und man fühlt sich als StudentIn definitiv als Teil des Teams.
Was ich auch sehr geschätzt habe, sind die vielen Möglichkeiten der Hospitation. Man wird überall lieb empfangen und bekommt viel gezeigt und erklärt.
Die Unterkunft in Grafenau ist wirklich wunderbar. Jeder hat sein eigenes Zimmer mit Bad, die Küche ist urgemütlich und es gibt einen großen, schönen Garten. Ich hatte auch das Glück, das Haus mit meiner Mit-PJlerin Alicia teilen zu können. Die Zeit in Grafenau wäre alleine nicht halb so schön gewesen.
Auch die Freizeitgestaltung im Bayerischen Wald ist super, besonders wenn man gerne in der Natur unterwegs ist. 
Das einzige „Manko“: Die Wochen sind wirklich gut gefüllt. Für das Selbststudium bleibt neben der Nachmittagssprechstunde 3x/Woche, dem wöchentlichen Teaching in Cham in den ersten Monaten, den Fallbesprechungen und der Montagsbesprechung nicht viel Zeit.
Wer sich davon nicht abschrecken lässt, dem kann ich das Tertial im Bayerischen Wald nur wärmstens empfehlen!