Salome Wahl

Praktisches Jahr
01.07.2024 – 20.10.2024

Woche 1: 01.07. – 07.07.2024

Mit einem wehmütigen Herz und einer Tasche voller Käse habe ich die Schweiz verlassen und mich nach einem kleinen Zwischenstopp in der oberbayerischen Heimat freudig auf den Weg in den Bayerischen Wald gemacht. 4 Monate voller lehrreicher Tage in der Hausarztpraxis liegen nun vor mir!

Mein in die Jahre gekommener Audi kämpfte sich die Berge hoch, bis mich Kirchberg schließlich mit wechselhaftem Wetter begrüßte. In einer Regenpause konnte ich meinen kleinen Hausrat, den ich unverändert aus der Schweiz umgezogen habe, in das ehemalige Mesnerhaus räumen. Danach zog ich hungrig los, um die kulinarischen Angebote von Kirchberg zu ergründen. Bei der Pizzeria angekommen, kam der erste kleine Kulturschock: Eine Pizza unter 10€ und lediglich Barzahlung war möglich. Ein krasser Kontrast zu den Bedingungen im vorigen Tertial. Ich hatte doch angenommen, dass die Unterschiede zwischen den beiden Tertialen nicht so groß sein dürften – schließlich war ich dort auch in einem kleinen Städtchen, es gab Berge und eine eigene Mundart. Das selbstverständliche „Grüezi“ und „Ade“, das ich mir in den vergangenen 4 Monaten antrainiert habe, schwirrte mir die gesamte erste Woche noch im Kopf.

Freudig begab ich mich am Montagmorgen in die Praxis und durfte gleich einmal die Bandbreite der Allgemeinmedizin erleben. Von Grippe und Erkältung über Rückenschmerz bis hin zu komplexen Fällen. Am eindrücklichsten empfand ich ein Gespräch mit einem Patienten, der vor wenigen Tagen eine Krebsdiagnose erhalten hatte und nun um Rat bat, wie er weiter vorgehen solle. In so einer schweren Lebenssituation besteht die Herausforderung des Hausarztes darin, mit Rat und Hilfsangeboten die Patienten zu begleiten, gleichzeitig jedoch keine unrealistischen Hoffnungen zu schüren und auch die Grenzen der Allgemeinmedizin aufzuzeigen. Weiter ging es mit Krankenhausentlassungen, Routine Check-ups, unspezifischer Müdigkeit und Abgeschlagenheit und Harnwegsinfektionen.

Nach einem 5-minütigen Waldspaziergang am Abend konnte ich auch nachvollziehen, warum aktuell sehr viele Patienten nach einem Zeckenstich die Praxis zur FSME-Impfung oder mit dem Verdacht auf Borreliose aufsuchen: Ich durfte mich erstmal von circa 25 Zecken entledigen.
Diese Woche habe ich vor allem zwei wichtige Punkte der Allgemeinmedizin gelernt. Einerseits spielt das Bauchgefühl des Patienten und des erfahrenen Hausarztes eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung. Dies führt auch dazu, dass den Patienten wieder mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit übertragen wird und damit die Gesundheitskompetenz gestärkt wird.
Andererseits muss ich mich auch erst daran gewöhnen, dass das Vorgehen in der Hausarztpraxis schon auch sehr von dem in der Klinik abweicht. Im Studium wurde viel Wert darauf gelegt, die diagnostischen Möglichkeiten auszureizen und damit jedwede Differentialdiagnose auszuschließen. Auch wenn ich es die letzten Jahre so gelernt habe, ist eben doch ein Aspekt der Allgemeinmedizin, dass Überdiagnostik vermieden werden soll. Nach Ausschluss von Red Flags kann ein symptomatischer Therapieversuch begonnen und der Verlauf erstmal weiter beobachtet werden – natürlich stets mit dem Hinweis auf rasche Wiedervorstellung bei Symptomverschlechterung. Der meist gehörteste Satz diese Woche: „Da verpassen wir nichts“.

Ich freue mich schon sehr darauf, in den kommenden Monaten mein Gespür für Patienten zu trainieren und zu verfeinern, viel zu sonografieren und ebenso grundlegende Skills zu üben. Und natürlich auch darauf, die Umgebung und den Bayerischen Wald zu erkunden!

Woche 2 & 3: 08.07. –  21.07.2024

Nach einer Woche Segelurlaub an der französischen Atlantikküste begab ich mich erneut in den Bayerischen Wald, um nun weitere der insgesamt 6 Praxen kennenzulernen.
Diese Woche konnte ich bereits viele PatientInnen eigenständig anamnestizieren und untersuchen und im Anschluss mit den jeweiligen KollegInnen besprechen. Bei Unsicherheiten wurde immer noch einmal Herz und Lunge auskultiert oder Knie und Schulter untersucht. Sehr stolz war ich, als ich aus den Befunden der Anamnese und der Auskultation die Verdachtsdiagnose einer Pneumonie gestellt habe. Nach kurzer Recherche hatte ich mir schon einen Therapieplan zurechtgelegt und mich für eine antibiotische Therapie entschieden. Die mich betreuende Ärztin pflichtete mir bei und verschrieb das entsprechende Antibiotikum.
Im Arbeitsalltag merke ich jedoch auch, welche Themen ich noch einmal nachlesen und welche Untersuchungstechniken ich noch einmal vertiefend anschauen muss. Aufgrund des breiten Spektrums der Allgemeinmedizin kann es jeden Tag dazu kommen, dass eine neurologische oder orthopädische Untersuchung durchgeführt werden muss.
Jeden Morgen stand für mich außerdem ein Gesundheits-Check-Up an, bei dem ich mir immer die Zeit nehmen konnte, eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung sowie eine ausgiebige Ultraschalluntersuchung durchzuführen. Auch wenn in jeder Praxis der Untersuchungsablauf mit den Voreinstellungen am Ultraschallgerät etwas anders ist, kam ich doch ganz gut damit zurecht. Da jede und jeder bei den Check-ups einen etwas anderen Fokus legt und die Untersuchungen mal mehr und mal weniger ausführlich gemacht werden, habe ich mir nun so langsam auch meine eigene Art und Weise erarbeitet. Künftig liegt mein Fokus darauf, noch strukturierter zu arbeiten und meine einzelnen Untersuchungstechniken zu verbessern.
Nachdem ich in der ersten Woche vor allem die Arbeitsweisen der männlichen Ärzte kennenlernen durfte, war ich diese Woche ausschließlich mit Ärztinnen unterwegs. Ich fand es sehr spannend, die einzelnen Methoden und Prioritäten kennenzulernen. Es macht sehr viel Spaß, eigenständig die Anamnese und körperliche Untersuchung durchzuführen, das Gespräch zu leiten und im Verlauf dessen auch Differentialdiagnosen im Hinterkopf zu behalten und sich Gedanken zu einer Verdachtsdiagnose und Therapiemöglichkeiten zu machen.
Nach einer sehr vollen Sprechstunde konnte ich am Freitagabend die Woche bei einem Chorkonzert in meiner Unistadt Regensburg ausklingen lassen. Nach unzähligen Konzerten, bei denen ich auf der Bühne mitgesungen habe, konnte ich die Jazznuts das erste Mal aus dem Publikum heraus erleben. Eine wunderbare Erfahrung – auch wenn ich das nächste Mal lieber wieder selbst auf der Bühne stehe.

Woche 4: 22.07. – 28.07.2024

Die vierte Woche verging wie im Flug. Vor allem eingeprägt haben sich diese Woche Patienten und Krankheiten, die rein mithilfe der klinischen Untersuchung und einer guten Anamnese diagnostiziert werden konnten. Da gab es einen Patienten mit einer Bursitis präpatellaris, die sich klinisch sehr eindeutig mit einer Schwellung über der Kniescheibe präsentierte. Außerdem erneut ein Erythema migrans, das bereits antibiotisch anbehandelt wurde und nun die genaue Dauer der Therapie besprochen werden sollte. Die Patientin präsentierte sich gleichzeitig mit einer peripheren Fazialisparese – da schlugen meine Alarmglocken und ich dachte in Richtung einer möglichen Neuroborreliose. Als ich bereits begonnen hatte, eine neurologische Untersuchung durchzuführen, klärte mich die Patientin über die seit längerem bestehende Fazialisparese auf. Diese habe sie aufgrund eines bereits operierten Akustikusneurinoms. Pflichtbewusst vervollständigte ich meine Untersuchung und erklärte der Patientin meine Erleichterung darüber, dass kein Anhalt für eine Neuroborreliose bestand.
Etwas in die Irre habe ich mich auch von den Symptomen einer 18-jährigen Patientin führen lassen. Seit 2 Tagen habe sie schmerzhafte Schwellungen in beiden Achseln festgestellt. Felsenfest war ich davon überzeugt, dass es sich dabei um eine beidseitige schmerzhafte Lymphknotenschwellung handeln müsse. Verzweifelt suchte ich mithilfe einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung nach einer guten Begründung für die Lymphadenopathie. Bis mich schließlich die ärztliche Kollegin erlöste und die Diagnose einer Follikulitis – also einer Entzündung der Haarbälge -stellte. Nun gut, da hatte ich auch gelernt, was klinisch den Unterschied zwischen schmerzhaften Lymphknoten und einer Hautinfektion ausmacht – der Schmerz und die Toleranz der Patienten, sich untersuchen zu lassen.
Die Woche endete mit 3 Check-Ups, wobei mir bei einem Patienten in der Auskultation der Lunge ein einseitig aufgehobenes Atemgeräusch auffiel. Bei einer anschließend durchgeführten Ultraschalluntersuchung zeigte sich ein großer einseitiger Pleuraerguss. Auf Nachfrage gab der Patient an, seit wenigen Monaten zunehmend schlechter Luft zu bekommen. Da dieser Befund dringend weiter abgeklärt werden muss, haben wir den Patienten zur weitergehenden Diagnostik ins Krankenhaus eingewiesen. Ein weiterer Check-up resultierte in einem kleinen privaten Ultraschallteaching für mich, da der Patient selbst jahrelang als Urologe tätig war, und mir so noch einige hilfreiche Tipps mit auf den Weg gab.
Diese Woche wurde mir noch einmal deutlich, was doch alles rein klinisch bewertet und diagnostiziert werden kann!

Woche 5: 29.07. – 04.08.2024

Diese Woche startete mit einer Patientin mit starken Bauchschmerzen. Innerhalb von wenigen Minuten demonstrierte mir Dr. Machac seine sonografischen Künste und stellte mittels Ultraschalls den Verdacht auf einen Darmverschluss. Die Patientin wurde mit dem Rettungsdienst ins Krankenhaus eingewiesen.
Die Hälfte der Woche verbrachte ich in Kirchberg und lernte die Arbeitsweise der dortigen Ärzte kennen. Nach anfänglichem Eingewöhnen übernahm ich dann schnell wieder die infektiösen Patienten und warf einen Blick auf Trommelfelle, Rachen und Tonsillen und entschied mich gemeinsam mit den Kollegen und Patienten für oder gegen eine antibiotische Therapie. Neben einigen Impfungen stellte sich ein Patient mit einem ausgeprägten Erysipel mit flammenförmigen Ausläufern vor, der am Vortag in der Notaufnahme vorstellig wurde und mit Schmerztherapie nach Hause geschickt wurde.
Den Donnerstag verbrachte ich gemeinsam mit einer Hospitantin für das PJ in Grafenau. Da dort das Patientenaufkommen eher gering war, war etwas Zeit für ein gemeinsames Üben am Ultraschallgerät. Abschließend habe ich den Freitag in Auerbach verbracht, wo ich bereits mit den Routinen vertraut war und so direkt durchstarten konnte.

Woche 6: 05.08. – 11.08.2024

Nach der letzten Woche, in der ich in 3 verschiedenen Praxen war, freute ich mich wieder auf mehr Kontinuität in der Praxis in Schöfweg. Hier habe ich die Abläufe bereits gut kennengelernt, weiß worauf die ärztliche Kollegin Wert legt und welche Tätigkeiten ich bereits selbstständig durchführen kann und darf und wo ich lieber noch einmal Rücksprache halte.
Es gab auch wieder spannende Patientenfälle, die uns diese Woche in der Praxis begegnet sind. Direkt zu Beginn der Woche diagnostizierten wir einer Patientin eine beidseitige Speicheldrüsenentzündung, die wir erfolgreich antibiotisch behandelten. Außerdem waren auch ein paar Patienten bei uns vorstellig, die wir zur weiteren Abklärung in die Klinik eingewiesen haben. Bei einem Patienten, der vom Rettungsdienst abgeholt wurde, war ich anfangs überfordert, als ich dazu aufgefordert wurde, die Übergabe zu machen. Holprig erklärte ich den Notfallsanitätern die Anamnese und den bisher erhobenen Befunden. Auch wenn ich täglich routiniert Patienten vorstelle, so hat mein Kopf in diesem Moment blockiert. Gewöhnlich stand man doch bisher bei solchen Situationen eher im Hintergrund und nahm eine passive Rolle ein. Den kühlen Kopf in solchen Lagen zu behalten, steht also noch auf der Lernliste.
Sonografisch hatte ich diese Woche einige Erfolge zu verbuchen. So diagnostizierte ich eine Cholezystolithiasis und eine Nierenzyste (die sich beim Blick in die Akten als bekanntes Angiomyolipom herausstellte). Langsam aber sicher auch pathologische Befunde erkennen und einordnen zu können, ist schon ein Fortschritt und motiviert, sich stetig weiter zu entwickeln.
Am Donnerstag machte ich mich das erste Mal mit dem Fahrrad auf den Weg nach Schöfweg. Auch wenn ich mich mit meiner zeitlichen Kalkulation etwas verschätzt hatte und mit knallrotem Kopf ankam, werde ich das auf jeden Fall die nächsten Wochen noch öfter tun.

Woche 7: 12.08. – 18.08.2024

Die vielen Betroffenen der Sommergrippe hielten mich diese Woche auf Trab. Zwischenzeitlich kam ich etwas durcheinander, ob der aktuelle Patient nun unter Fieber litt oder es doch derjenige der vorherigen Konsultation war. Da ich jedoch schon während des Patientengesprächs versuche, zumindest die Anamnese mitzudokumentieren, half ein kurzer Blick in das System.
Highlight dieser Woche war das Praxisfest, zu dem wir Studierende wie selbstverständlich auch eingeladen wurden. Hier bot sich die Gelegenheit, die ärztlichen Kollegen und die MFAs einmal privater kennenzulernen und sich nicht ausschließlich über die Inhalte des Praxisalltags auszutauschen. Bei einem anschließenden Spaziergang konnten wir uns noch mit der dortigen Umgebung vertraut machen. Irritiert hatte uns nur ein Wegweiser, der einen Rundweg von 2 km angezeigt hatte. Motiviert machten wir uns auf den Weg und nach einem etwas 2 km langen Marsch begegnete uns ein Schild, das den Ort, von dem aus wir aufgebrochen sind, mit einer Entfernung von 2 km ankündigte. Nach einem doch etwas längeren Spaziergang fanden wir aber zurück und konnten den Sonnenuntergang noch genießen.
Da am Donnerstag Feiertag war, machte ich mich gemeinsam mit dem Famulanten Tamo auf den Weg zum Großen Arber. Nach anfänglichem Nebel zeigte sich die Sonne und somit das Wetter von der besten Seite und so hatten wir eine wunderschöne Wanderung mit einer Pause auf dem Mittagsplatzl vor uns.
Und schon ist auch die siebte Woche im Bayerischen Wald für mich vorbei und damit auch schon die Hälfte meines letzten Tertials.

Woche 8: 19.08. – 25.08.2024

In dieser Woche habe ich das erste Mal bewusst auch Patienten mit psychischen Beratungsanlässen übernommen. Wie es der Zufall so will, gab es direkt zwei Patienten mit Schlafstörungen an einem Tag. Zuerst bestand meine Aufgabe darin, die Dauer und Symptomatik der Insomnie zu erfragen. Außerdem sollte die Anamnese in Richtung bisher angewendeter schlaffördernder Maßnahmen geleitet werden. Bei beiden Patienten bestanden die Beschwerden seit mehreren Jahren und sie hatten bisher verschiedene diagnostische und therapeutische Maßnahmen ergriffen.
Eine der beiden Patientinnen hatte bereits vor 4 Wochen ein schlafförderndes Medikament verschrieben bekommen. Beim Blick in den Beipackzettel wurde sie jedoch bei den Indikationen stutzig – eine Depression habe sie doch nicht. Also nahm sie die Medikamente nicht ein. Nach einer ausführlichen Aufklärung über den Prozess der Medikamentenentwicklung und der Erweiterung der Indikationen im Verlauf der Markteinführung, erklärte ich ihr, dass diese Substanz aufgrund der schlaffördernden Wirkung auch gerne bei Insomnie ohne begleitende Depression eingesetzt wird. Dadurch fühlte sich die Patientin ermutigt, dem Ganzen eine Chance zu geben. Auch bei der anderen Patientin merkte ich, wie groß und weit verbreitet die Angst vor einer Stigmatisierung aufgrund einer psychiatrischen Diagnose ist.
Auch wenn ich die meisten somatischen Beratungsanlässe inzwischen routiniert und strukturiert abarbeiten kann, so fehlt mir bei den psychischen Anlässen häufig das nötige Handwerkszeug. Das Studium ist leider vor allem auf die körperlichen Beschwerden ausgelegt, und der kurze Exkurs in die Psychiatrie nicht ausreichend, um in diesem Gebiet ausreichend Erfahrung zu sammeln.
Highlight dieser Woche war, dass ich Dr. Kalmancai für eine Nacht bei seiner Arbeit als Notarzt begleiten durfte. Vor dem Studium war ich als Sanitäterin in der Schule und in der Bereitschaft des Roten Kreuzes tätig, habe es damals aber leider nie geschafft, bei einem Einsatz im Rettungswagen mitzufahren. Umso spannender jetzt für mich, das einmal live mitzuerleben. Die Nacht war sehr ruhig, wir wurden nur einmal gerufen. Dabei handelte es sich um eine Patientin, die eine hypertensive Krise erlitt. Als wir eintrafen, war der Blutdruck bereits etwas gesenkt und nach 2 Hüben Nitrolingual war der Einsatz für uns schon wieder beendet.
Das war auf jeden Fall ein spannender Einblick in mögliche Nebentätigkeiten, denen man als Hausarzt nachgehen kann.

Woche 9: 26.08. – 01.09.2024

Eine turbulente Woche geht vorbei. Auch wenn das Patientenaufkommen diese Woche nicht außergewöhnlich hoch war, so waren wir in Schöfweg doch gut beschäftigt. Und das vor allem mit Patienten, die etwas mehr Aufmerksamkeit benötigten.
Uns begegneten diese Woche mehrere kardial-vorerkrankte Menschen, deren Erkrankung aufgrund des warmen Wetters akut dekompensierten. So kam es auch, dass ich meine zweite rettungsdienstliche Klinikeinweisung erlebte und die Übergabe an die Kollegen selbstständig durchführte. Es gelang mir dieses Mal, wesentlich ruhiger Anamnese und körperliche Untersuchung durchzuführen, sodass ich den Kollegen vom Rettungsdienst die wichtigen Informationen strukturiert übergeben konnte.
Am Mittwoch begleitete ich Frau Dr. Kleudgen bei ihren wöchentlichen Hausbesuchen. Beeindruckt von der Landschaft und dem Vertrauen der Menschen in ihre Mitmenschen (wir standen selten vor verschlossenen Türen), freute ich mich, einmal diesen Teil der Allgemeinmedizin zu erleben. Auch wenn die medizinischen Möglichkeiten bei den Hausbesuchen begrenzt sind, so bietet sich doch eine unvergleichliche Möglichkeit, die Arzt-Patienten-Beziehung zu stärken und viel über die Lebensumstände zu erfahren.
Am Donnerstag ging es für mich dann direkt zu meinem ersten alleinigen Hausbesuch. Die Kinder der Patientin hatten sich gemeldet, dass diese über die letzten Tage an Gewicht zugenommen habe. Ich machte mich mit der Arzttasche auf den Weg, um mögliche Dekompensationszeichen zu finden. Die Patientin zeigte sich dann in erfreulich gutem Zustand und mit nur leichten Beschwerden. Also erhöhten wir zurückhaltend die diuretische Therapie und waren voller Zuversicht, rechtzeitig eingegriffen zu haben.
Für mich war es die bisher lehrreichste und erfüllendste Woche des Tertials. Ich konnte viel mitnehmen und gleichzeitig fühlte ich mich durch das Vertrauen, das Frau Dr. Kleudgen mir entgegen brachte, in meiner Funktion und Kompetenz bestärkt.

Woche 10: 02.09. – 08.09.2024

Die Woche startete wieder in der Praxis in Schöfweg. Direkt der erste Patient der Woche war der Herr, den wir vor wenigen Tagen bei dekompensierter Herzinsuffizienz ins Krankenhaus eingewiesen haben. Glücklicherweise konnte er bereits am nächsten Tag wieder nach Hause und es ergaben sich lediglich geringe Änderungen in der Medikation, die ich mit ihm besprach.
Auch die Patientin, bei der ich in der vergangenen Woche einen Hausbesuch durchführte, besuchte ich erneut. Durch Steigerung der Diuretika ergab sich lediglich eine geringe Abnahme des Körpergewichts. Im Vordergrund standen bei diesem Besuch ihre Knieschmerzen. Als ich zurück in der Praxis war, erfuhr ich von Frau Dr. Kleudgen, dass die Patientin eine fortgeschrittene Kniearthrose hat, die zur Schmerzkompensation operiert werden müsste. Scheinbar hatte die Patientin ihre Schmerzmedikation selbstständig abgesetzt, wodurch die erneuten Schmerzen schnell zu erklären waren.
Die zweite Hälfte der Woche verbrachte ich mit einer dreitägigen Hospitation in der Rehaklinik in Schaufling. An den Vormittagen durfte ich die Rehabilitanden bei ihrem physio- und sporttherapeutischen Programm begleiten. Nachdem ich am ersten Tag noch eher passiv zugesehen hatte, wie die Patienten ihre Wassergymnastik und ihr Gehtraining durchführten, nahm ich am zweiten Tag aktiv an der Rückenschule und dem Wirbelsäulentraining teil. Bei der Koordinationsgruppe gelang ich selbst an meine Grenzen und bemerkte, dass die Aufgaben gar nicht so trivial waren. An den Nachmittagen begleitete ich die Ärzte bei Patientenaufnahmen und der Visite. Dr. Buvar, einer der orthopädischen Oberärzte nahm sich die Zeit, mit mir und einer Physician Assistant (PA) nochmals die Untersuchung und Sonographie von Schulter und Knie zu erläutern. Anschließend durften wir auch noch selbst die Durchführung an Patienten üben. Spannend fand ich auch die komplementärmedizinischen Ansätze, die dort verfolgt werden. Dr. Buvar führte bei zwei Patienten mit Schulterbeschwerden eine Akupunktur durch. Mir fiel es anfangs schwer mich auf die Theorien einer Medizin, die schon eine so lange Tradition hat, mir aber noch größtenteils unbekannt ist, einzulassen. Die behandelten Patienten aber waren sehr begeistert von der Möglichkeit und profitierten von der Behandlung.
Insgesamt war es ein sehr spannender Einblick in einen Teil des Gesundheitssystems, mit dem man im Studium und im Alltag im Krankenhaus nur wenig Kontakt hat.

Woche 11: 09.09. – 15.09.2024

Neben der Arbeit in der Praxis, die für mich inzwischen zum Alltag geworden ist, durfte ich diese Woche das Projekt des Exzellenten Sommers begleiten. Hierbei handelt es sich um ein Famulaturprogramm, bei dem Studierende neben der Arbeit in der Praxis an einer Reihe von wertvollen Teachings teilnehmen können.
Am Dienstag unterstützte ich eine Allgemeinmedizinerin, die auch vor Jahren PJ in der Gemeinschaftspraxis gemacht hat, bei dem sogenannten Wissenskurs. In diesem sollten sich die Studierenden mit evidenzbasierten Therapieentscheidungen und der Arbeit mit Leitlinien und Literaturrecherche beschäftigen. Auch wenn ich anfangs meine Kompetenz in diesem Gebiet eher gering schätzte, lief der Kurs gut ab. Im Alltag habe ich doch selten eine ausführliche Cochrane-Recherche durchgeführt und mich bisher vorrangig an den einschlägigen Onlineportalen orientiert und an die Empfehlung der ärztlichen Kollegen gehalten.
Am Samstag durfte ich mit den Studierenden die Untersuchung des Abdomens üben und Verbesserungsvorschläge geben. Hierbei fühlte ich mich schon deutlich kompetenter, habe ich doch während des Studiums zahlreiche Untersuchungskurse als studentische Tutorin gehalten. Spannend fand ich die unterschiedlichen Kenntnisstände und Herangehensweisen der Famulanten, auf die ich dann soweit möglich individuell eingehen konnte. Anschließend gab es noch eine Einheit zur Arzt-Patienten-Interaktion, bei der ich gemeinsam mit einem weiteren ehemaligen PJler der Praxis die Feedbackrunde leitete.
Für mich war es sehr spannend zu erfahren, wie groß und breit gefächert doch das Netzwerk der Ärzte in der Umgebung ist, das vorrangig von Dr. Blank aufgebaut wurde. Dadurch sitzt man als Allgemeinmediziner nicht allein in seiner Praxis, sondern kann bei Bedarf jederzeit in Kontakt mit anderen treten, an Fortbildungen und Journal Clubs teilnehmen und so den Anschluss zur Evidenzbasierten Medizin nicht verlieren. Ganz im Sinne einer Postkarte an dem Kühlschrank der Studierendenwohnung: „Keine Lust auf ALLEINMEDIZIN“!
Jetzt steht für das Wochenende noch die Vorbereitung für den anstehenden EKG-Kurs an. Auch wenn ich tagtäglich EKGs in der Praxis befunde, so fühle ich mich dabei noch nicht so sicher, dass ich die Fragen der Studierenden auch kompetent beantworten könnte.

Woche 12: 16.09. – 22.09.2024

Neben dem EKG-Kurs des Exzellenten Sommers am Dienstag standen für mich diese Woche zwei Hospitationen in verschiedenen MVZs an.
Am Mittwoch machte ich mich auf den Weg nach Straubing, um mir die Arbeit der niedergelassenen Onkologen anzusehen. Am Vormittag begleitete ich den ärztlichen Leiter in seiner Sprechstunde. Neben den geplanten Patienten kamen zwischendurch auch immer wieder Patienten, bei denen geklärt werden musste, ob diese ihre Therapie wie geplant bekommen sollten oder eben nicht. Einerseits mussten Blutbildveränderungen abgeklärt werden, andererseits aber auch die Ätiologie von Symptomen. Liegt die Übelkeit des Patienten an der verabreichten Therapie, kann also das Antiemetikum erhöht werden, oder liegt es doch eher an einer Schleimhautentzündung des Magen-Darm-Traktes und dem Patienten helfen Magensäureblocker besser? Nach einer Knochenmarkpunktion bei einem Patienten mit einer chronischen Thrombozytopenie ging es weiter mit den verschiedensten onkologischen Grunderkrankungen. Am Nachmittag durfte ich mir auch den Therapieraum ansehen, in dem ich viele der Patienten wieder sah, die wir am Vormittag bereits in der Sprechstunde gesehen hatten. Eine der dort tätigen MFAs erklärte mir den Ablauf und die Technik der verschiedenen Infusionssysteme. Anschließend begleitete ich einen Kollegen zur Tumorkonferenz. Hierbei werden in einem großen interdisziplinären Team von Chirurgen, Strahlentherapeuten, Onkologen, Radiologen, Pathologen und weiteren Disziplinen die Patienten vorgestellt und der bestmögliche Therapievorschlag diskutiert. Nach den vielen Eindrücken machte ich mich wieder auf den Rückweg in den Bayerischen Wald.
Am Donnerstag konnte ich recht spontan auch noch bei Dr. Werner, einem niedergelassenen Internisten, in Regen hospitieren. Gleich bei der ersten Patientin musste Dr. Werner ganze Überzeugungsarbeit leisten. Bei ihr ist seit langer Zeit eine höhergradige Mitralklappeninsuffizienz bekannt. Seit ein paar Wochen leidet sie immer wieder unter Vorhofflimmern, das ihre Leistungsfähigkeit auch erheblich einschränkt. Mittels transthorakaler Echokardiographie konnten massiv dilatierte Vorhöfe als Folge der Klappenerkrankung festgestellt werden. Die Patientin sollte sich nun endlich der notwendigen Diagnostik unterziehen, damit die Herzklappe repariert werden kann, bevor die Pumpfunktion des gesamten Herzens beeinträchtigt ist. Allein anhand der Patientin konnte ich gut das Spektrum der Kompetenzen des Internisten einschätzen. Einerseits erkannte er rasch die Zusammenhänge und die notwendige Lösung, andererseits schaffte er etwas, was die Kollegen in der Klinik bislang nicht geschafft hatten: Die Patientin von der Dringlichkeit der weiteren Diagnostik und Therapie überzeugen. Dr. Werner kümmerte sich dann direkt während des Gesprächs noch um einen Termin in der Klinik für die Patientin. Weiter ging es mit ein paar kardiologischen Routinekontrollen, aber auch sehr spezifischen und spannenden Anfragen. Bei einer jungen Patientin, die bereits zwei Frühaborte erleiden musste, nun aber erfreulicherweise erneut schwanger ist, wurden gewisse prothrombotische Mutationen nachgewiesen, deren Relevanz und mögliche therapeutische Maßnahmen nun im Vordergrund standen. Da diese Fragestellung jedoch zu spezifisch war, wurde die junge Patientin weiter an einen Gerinnungsspezialisten überwiesen. Immer wieder begegnete ich auch Patienten, die von der Bayerwaldpraxis überwiesen wurden.
Diese beiden Einblicke fand ich sehr spannend, da man so einmal die „andere Seite der Überweisung“ kennenlernt. Dabei wird deutlich, wie wichtig es ist, den Kollegen ausreichend Informationen in Form des Überweisungsscheins und möglichen Vorbefunden mitzugeben. Manchmal ist es auch hilfreich, sich kurz telefonisch über die Einschätzung und Dringlichkeit der weiteren Abklärung auszutauschen.
Am Freitag durfte ich ein letztes Mal nach Auerbach und merkte, wie gut eingespielt ich inzwischen auch mit MUDr. Kalmancai bin. So ging es bereits mit den ersten Verabschiedungen in mein letztes Wochenende im Bayerwald.