Sabine Pahl

Praktisches Jahr
27.06. – 16.10.2022

Woche 1: 27.06. – 03.07.2022

"Bayern, hast du da Familie oder kommst du da her?" –  war immer die Reaktion in meiner nördlichen Heimat, als ich davon berichtete, mein PJ-Wahltertial in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald zu machen. Beides trifft nicht zu, aber ich hatte schon 2019, also vor meiner Famulatur, als ich die Homepage studierte, den Eindruck, dass ich nirgendwo eine bessere Lernatmosphäre werde finden können. Dies hat sich in der Famulatur bestätigt, so dass ich wusste: "Hier komme ich wieder her!" Obwohl ich mittlerweile meine Leidenschaft in der Chirurgie gefunden habe, verbringe ich mein Wahltertial in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald, weil ich mir keine bessere Lernumgebung vorstellen kann.

Und so machte ich mich vor einer Woche voller Vorfreude auf in den Bayerischen Wald. Nach siebenstündiger Fahrt kam ich auf dem Kirchberg an und konnte die gemütliche Studentenwohnung beziehen und habe mich gleich wieder wie Zuhause gefühlt. Die erste Woche habe ich in den Praxen Auerbach und Schöfweg verbracht. Ich wurde überall herzlich aufgenommen, fühlte mich direkt ins Team integriert und wertgeschätzt. Durch die Assistenzärzt*innen gibt es eine intensive Betreuung im Sinne eines Mentoring-Programms, welches individuell auf die Student*innen zugeschnitten werden kann und auch gemeinsame Aktivitäten wie Wandern umfasst. Man ist sowohl in der Praxis, als auch rundum sonst super betreut und aufgehoben.

Obwohl ich in der ersten Woche noch nicht so viele Voruntersuchungen der Patienten durchgeführt habe, um erstmal Anzukommen und mich in den Dialekt einzuhören, konnte ich bereits mehrmals eine Ohrspülung machen und Vor- oder Nachsonographieren. Dafür ein herzliches Dankeschön an die geduldigen Patient*innen! Ebenfalls konnte ich bereits das breite Spektrum der Konsultationsanlässe in der Hausarztpraxis kennenlernen und freue mich, spannende Fälle weiterzuverfolgen. Man spürt, dass den Ärzt*innen daran gelegen ist, Studenten individuell auf dem Lernweg zu begleiten, viele Hintergründe werden erklärt und immer wieder Studien als Entscheidungsgrundlage herangezogen. Hat man Fragen oder möchte eigenen Ideen einbringen, geschieht dies Gleichberechtigt auf Augenhöhe und nicht wie oft in einem Lehrer-/Schülerverhältnis. Neben dem Praxisalltag gibt es noch diverse Teachings und Onlinebesprechungen, dabei herrscht immer eine sehr angenehme Atmosphäre in der man ermuntert wird sich aktiv zu beteiligen.

Für mich waren die Highlights dieser Woche am Mittwoch zum einen der Nahtkurs im Sana Klinikum des Landkreises Cham, der fast nur für Studentinnen der Gemeinschaftspraxis Bayerwald durchgeführt wurde. Wir hatten die Gelegenheit an Schweineschwarten das Nähen und Knoten zu üben, ich habe viel gelernt und fühle mich nun viel sicherer im Umgang mit Nadel und Nadelhalter. Zum anderen der im Anschluss regional stattfindende Journal Club in Regen plus Online Teilnehmern. Durch die verschiedenen Teilnehmer*innen kamen viele Jahre Erfahrung auch aus anderen Fachgebieten zusammen, es war wahnsinnig lehrreich und es fanden inspirierende Diskussionen statt. Abschließend konnten wir den Abend gemeinsam bei einer Pizza ausklingen lassen.

Donnerstagnachmittag fand das wöchentliche Treffen der fünf PJlerinnen statt. Wir Neuen wurden von den beiden PJlerinnen, die schon ein paar Wochen hier sind erst einmal mit organisatorischen Informationen versorgt, die bei dem ganzen Programm und vielen Möglichkeiten, die uns Student*innen offen stehen, sehr hilfreich waren. Anschließend stellten wir ein Curriculum auf, welches wir in den nächsten Wochen zusammen durcharbeiten möchten.

Nach der eindrucksreichen Woche erholte ich mich in der gemütlichen Studentenwohnung und auf Spaziergängen in der wunderschönen Natur. Gleichzeitig freue ich  mich schon auf die nächsten Monate hier im Bayerischen Wald.

Woche 2: 04.07. – 10.07.2022

Nach einem erholsamen, sonnigen Wochenende starte ich in die zweite Woche. Zwar beinhaltet diese weniger Programm als die vorangegangene, aber die Eindrücke und Erlebnisse reichen trotzdem für zwei. 

Diesmal bin ich in Kirchberg und Lalling eingeteilt. Erstmal staune ich über die neu gebaute Praxis in Kirchberg, welche zu meiner Famulatur 2020 noch in Planung war. Sie ist einfach clever aufgeteilt,um einen reibungslosen Ablauf für die Patient*Innen zu gewährleisten. Diese Woche gehe ich meist alleine zu den Patient*Innen vor, werde immer sicherer im Patientengespräch und dokumentiere die Anamnese und Untersuchung. Allmählich werde ich bei häufigen Konsultationsanlässen wie Nacken- oder Rückenschmerzen auch geübter und kann den Patient*Innen etwas über die Ursache ihrer Beschwerden erklären und schon Tipps für Eigenübungen zu Hause geben.

In Kirchberg gibt es aufgrund der Expertise von Dr. Machac viele Patient*Innen mit kardiologischen Verdachtsdiagnosen oder Krankheitsbildern. Daher konnte ich in dieser Woche bei einem Belastungs-EKG und einer Echokardiographie zuschauen. Ich schätze sehr den umfassenden Blick auf den/diePatient*Innen in der Hausarztpraxis, denn in der Klinik hatte ich das Gefühl, dass nur ein definiertes Problem/Symptom der Patient*Innen behandelt wird. In der Allgemeinmedizin findet aber der ganze Mensch mit seinen Ängsten und Sorgen Berücksichtigung und ich bin dankbar, dass die Patient*Innen schon so viel Vertrauen in mich als Studentin haben, dass sie sich mir anvertrauen.

Montag durfte ich zum ersten Mal das Protokoll der praxisinternen Fortbildung führen, es ging um Infekte der oberen Atemwege. Das Thema wird nach einem festen Schema durchgearbeitet, so dass man nichts vergisst und immer ein besonderes Augenmerk auf die abwendbar gefährlichen Verläufe hat. Hat man dies verinnerlicht, kann man die Beschwerden eines Patienten sicher abchecken und schnell einordnen, ob die Gesundheit des Patienten bedroht oder ein abwartendes Offenhalten angezeigt ist.

In der praxisinternen Fallbesprechung habe ich meinen ersten Patienten vorgestellt, es ging um Nahrungsergänzungsmittel, ein Bereich, der im Studium viel zu kurz kommt, ich habe gute Tipps für den praktischen Umgang mit dem Thema bekommen.

Mittwochnachmittag gab es eine Fortbildung der Uni Erlangen, die uns eine Übersicht über den Berufsstart, alle wichtigen Unterlagen und die Struktur der Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner gegeben hat. Nun fühle ich mich etwas besser gewappnet für den Einstieg ins Berufsleben.

Die zweite Hälfte der Woche war ich in Lalling. Am Mittwoch war Impftag, so konnte ich mein Wissen über Impfschemata, Red Flags und Durchführung vertiefen. Das Team hat mich so lieb aufgenommen, dass ich am Freitag das Gefühl hatte, ich würde schon seit Wochen dazugehören.

Die ereignisreiche Woche haben meine Mitbewohnerin und ich mit einem Besuch beim Italiener ausklingen lassen, es war sehr lecker und wir werden auf jeden Fall wiederkommen.

Leider zeigt sich der Bayerwald am Wochenende von seiner nassen Seite, aber dies ist eine Gelegenheit mehr, Inhalte und Erfahrungen der letzten Woche noch einmal Revue passieren zu lassen.

Woche 3: 11.07.  17.07.2022

Nach einem entspannten Wochenende und einer schönen Wanderung mit meiner PJ-Kollegin Nicole mit schönem Blick auf den Kirchberg beginnt die dritte Woche dort, wo die letzte geendet hat – in Lalling. 

Diese Woche konnte ich zwei Patienten direkt nach einem Unfall untersuchen: einen kleinen Jungen nach Fahrradunfall sowie einen jungen Mann nach einem Autounfall. Zum Glück haben beide nur leichte Verletzungen erlitten. Dabei habe ich gelernt, auf Red Flags zu achten und worüber Eltern informiert werden müssen, um bei ihren Kindern die Symptome einer Gehirnerschütterung erkennen zu können. Frau Quaderer gab mir eine Lektion in strukturierter Dokumentation, besonders hilfreich, wenn mehrere Körperregionen betroffen sind. Frau Dr. Takacs vertraute mir die Laborwerte zur Vorkontrolle an. Eine wertvolle Übung und gute Möglichkeit, noch einmal nachzulesen, welche Laborveränderungen durch welches Krankheitsbild verursacht werden können.

Ein Fall, der mir diese Woche zu denken gegeben hat, war ein Familienvater, der kürzlich einen Suizidversuch begangen hat. Zuvor gab es den Versuch ihn psychiatrisch anzubinden, aber aufgrund von Kapazitätsengpässen war die Wartezeit auf eine ambulante Therapie so lang, dass sich seine Situation anscheinend in der Zwischenzeit so zugespitzt hatte, dass er den Suizidversuch beging. Schon bei anderen psychisch belasteten Patienten habe ich mitbekommen, dass es sehr schwierig ist, Therapieplätze zu bekommen. Ich hoffe, dass psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft bald kein Tabuthema mehr sind und genauso schnell und adäquat behandelt werden können wie ein Beinbruch. Umso erfreulicher war aber zu hören, dass es dem Patienten nach einem längeren Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik wieder besser geht, er gute Unterstützung von seiner Familie erfährt und er viele Gründe hat, die ihn im Leben halten.

Die Woche haben wir mit einem guten Essen im Feng Shui Park in Lalling ausklingen lassen. Dort kann man so richtig die Seele baumeln lassen und ausspannen. Hier komme ich, vielleicht mit einem spannenden Medizinbuch, bestimmt noch einmal hin.

Woche 4: 18.07. – 24.07.2022

Ich bin nun schon einen Monat lang im Bayerischen Wald – die Zeit vergeht wie im Flug. 

Diese Woche stand unter dem Thema Hitze. Zu Beginn der Woche war ich in der Praxis in Auerbach eingeteilt. Schon am Montag mussten zwei Patientinnen aufgrund von Herzproblemen ins Krankenhaus eingewiesen werden. Die Hitze war nicht zwingend die Ursache, aber sie hat sicher ihren Teil beigetragen. Am Dienstag Nachmittag haben die Menschen den wertvollen Rat bei hohen Temperaturen befolgt und sind lieber Zuhause geblieben, dies hat uns einen ruhigen Nachmittag beschert. Die Zeit habe ich genutzt und mich mit der DEGAM Leitlinie – Hitzebedingte Gesundheitsstörungen in der hausärztlichen Praxis auseinandergesetzt. Außerdem habe ich gelernt, dass in der Hausarztpraxis nicht die Ursache für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes herausgefunden werden muss, sondern viel wichtiger ist, diesen Zustand zu erkennen und den Patienten in die Klinik einzuweisen. 

Ein eindrückliches Beispiel habe ich am MIttwoch in Grafenau erlebt. Eine resolute ältere Dame, gut in der Praxis bekannt, hatte eine Entzündung. Schon bevor die Patientin die entzündete Stelle präsentierte, stellte Dr. Blank fest, dass die Patientin heute so matt und nicht so fit wie sonst erscheine. Ich hatte dies gar nicht so wahrgenommen, da die Patientin auf mich einen lebhaften Eindruck machte. Ein gutes Beispiel, wie wichtig die Beziehung zwischen Patient und Hausarzt und das Bauchgefühl ist. Da die Patientin alleine lebt und sie keine Hilfe bei der Medikamenteneinnahme und subkutanen Injektion hatte, konnte sie nur in der Klinik ausreichend versorgt werden. Dies war dann schon die dritte Krankenhauseinweisung in dieser Woche.

Passend zu diesem Wetter waren wir Studenten für ein Teaching am See. Frau Aicher hat uns auf die nächste große Prüfung, das dritte Saatsexamen, vorbereitet, indem sie eine Prüfung simuliert und wertvolle Tipps parat hatte. So konnte sie uns ein wenig die Angst vor dieser mündlichen Prüfung nehmen. Im Anschluss gab es eine Abkühlung im See und Schwimmbad-Pommes. Ein super Ausklang dieser Woche.

Woche 5: 25.07. – 31.07.2022

Mich erwartet eine kurze Woche im Bayerischen Wald, denn am Wochenende geht es in die Heimat. Zuhause fühle ich mich aber auch in der Praxis in Lalling, in welcher ich eingeteilt bin. Denn ich bin Teil des eingespielten Teams und habe meine eigenen kleinen Aufgaben.

Bei den Gesundheitsuntersuchungen habe ich Gelegenheit, meine Vorgehensweise in der Anamnese immer ein wenig weiter verbessern. Ich kläre über die altersentsprechend empfohlenen Impfungen und Krebsvorsorgeuntersuchungen auf. Ich versuche, meine Fragenstrategie bei den Themen Bewegung und Ernährung zu präzisieren, weil unter einer ausgewogenen Ernährung einfach jeder etwas anderes versteht. Dabei versuche ich Ernährungsfallen, wie z.B. zu häufiger Genuss von  gesüßten Getränken aufzuspüren. 

Überhaupt ist Ernährung ein wichtiges Thema, nicht nur bei der Verhinderung der Entstehung von Diabetes mellitus Typ II oder  Krebserkrankungen, sondern auch bei so akuten Problemen wie der Obstipation oder dem Harnwegsinfekt. Allein eine ausreichende Trinkmenge kann bei den beiden letztgenannten Punkten schon einen Unterschied ausmachen. Ich hoffe, dass ich den Patienten vermitteln kann, dass sie durch ihre Ernährung, sowie deren Modifikation, manche Stellräder der Verdauung selbst ohne Medikamente anpassen können.

Außerdem habe ich bei den Gesundheitsuntersuchungen die Möglichkeit, eine Sonographie des Abdomens und der Schilddrüse durchzuführen. Dabei werde ich immer besser und kann dem Patienten auch einiges auf den Bildern aus seinem Inneren erklären. 

Das Sonographiegerät ist mir dabei so vertraut geworden, dass ich es kurzerhand nutze, um einen Erguss proximal des Kniegelenks zu untersuchen. 

Bei einem klassischen Bild einer Nierenkolik fällt es mir dann noch schwer, den vermuteten Harnstau von den vorhandenen Zysten im Nierenbeckenkelchsystem zu unterscheiden. Aber es war sehr wertvoll, diese Sonographiebilder gesehen zu haben, um in der Zukunft besser differenzieren zu können.

Am Mittwoch findet der praxisinterne Journal Club statt und es gibt spannende Diskussionen über den Einsatz von Bempedoinsäure bei Hypercholesterinämie und Thiamingabe bei Alkoholabusus. Außerdem gibt es von Dr. Kleudgen eine gute Zusammenfassung über die Trigeminusneuralgie mit wertvollen Therapiehinweisen für die Hausarztpraxis, falls die Wartezeit bis zum Termin beim Neurologen überbrückt werden muss.

Donnerstag Nachmittag mache ich mich dann auf den Weg nach Hause.

Woche 6: 01.08. –  07.08.2022

Nachdem ich vom Heimaturlaub aus der – im Vergleich zum Bayerischen Wald –  turbulenten Großstadt zurück bin, starte ich am Dienstag in die Praxis-Woche. 

Diese Woche gibt es drei besondere Termine. Zum einen laden wir PJ-ler die Praxisinhaber, als kleines Dankeschön für die lehrreiche Zeit und die wunderschönen Unterkünfte, zu einer kleinen Gartenfeier im PJ-ler Haus in Grafenau ein. Dort gibt es einen großen Garten, der einfach eingeweiht werden muss. Jeder von uns richtet Speisen her und Mirjam und Franziska haben den halben Tag geräumt und dekoriert und auf der Terrasse einen wunderbar gemütlichen Ort gezaubert. Es wird ein gemütlicher Abend mit leckerem Essen, an dem man sich auch mal privat austauschen kann. 

Mittwoch wartet geballtes Wissen auf uns. Mittags haben wir PJ-ler ein exklusives Teaching mit dem Infektiologen Rudolf Baloun, der uns die wichtigsten Aspekte einer guten antibiotischen Therapie vermittelt. Abends ist der Journal Club mit Ärzten aus ganz Regen. Zusätzlich zu den Themen vom internen Journal Club stellt Dr. Blank noch das Thema “Sport nach COVID”-Infektion vor, brandaktuell, nun kann ich den Patienten zu diesem Thema fundiertere Antworten geben.

Neben dem ganzen Programm kommen die Patienten mit ihren diversen Konsultationsanlässen natürlich nicht zu kurz. Besonders in Erinnerung sind mir drei Patientinnen geblieben:
Zum einen ein junges Mädchen, dem plötzlich ein Auge zugeschwollen ist, nachdem sie einen blauen Sirup getrunken hat. Besonders im Gesichtsbereich ist man bei Schwellungen/allergischen Reaktionen besonders hellhörig, aber zum Glück war die Schwellung lokal am Auge und ist nicht weiter fortgeschritten. Nachdem sie ein Antihistaminikum von uns bekommen hat, zeigte sich die Schwellung schnell rückläufig. Spannend zu sehen war, wie schnell die Müdigkeit, eine Nebenwirkung des Medikaments, einsetzte.

Zum anderen eine Frau, welche in kurzer Zeit viel Gewicht verloren hat, fieberte, nachts stark schwitzte und schlecht Luft bekam – alles Anzeichen, die an eine maligne Erkrankung denken lassen. Letzte Woche hatte sie aber auch noch mit einer Erkältung zu kämpfen, wie deutet man nun in diesem Zusammenhang die Symptome? Der Gewichtsverlust ist immer noch kritisch, aber sind Fieber und Schwitzen vielleicht dadurch erklärbar? Die Patientin wird jetzt von diversen Fachärzten gründlich untersucht. Ich hoffe das Beste und verfolge den Fall weiter.

Als drittes kam eine ältere Dame mit einem Routine-Beratungsanlass, aber man merkte, dass es ihr nicht gut ging, sie war emotional stark belastet, weil ein junger Angehöriger vor kurzem verstorben ist.  Für mich eine ganz neue Situation, mit einer trauernden Angehörigen konfrontiert zu sein. Ein schwieriges Thema, in das man hoffentlich langsam hineinwächst. Ich hoffe, dass sich die Patientin bei mir trotzdem wahrgenommen und gut aufgehoben gefühlt hat.

Woche 7: 08.08. –  14.08.2022

Diese Woche hatte ich die Gelegenheit, Dr. Blank mehrere Tage in der Praxis in Grafenau zu begleiten.

Einige Unterschiede zu den ländlicher gelegenen Praxen wurden deutlich: mehr alleinstehende ältere PatientInnen, bei denen man die Versorgung zuhause gut im Blick haben muss und die im Vergleich durch geringere Bewegung, wie Arbeit im Garten, auch weniger fit im hohen Alter sind, ein höherer Anteil an Urlaubsgästen, sowie ein generell internationaleres Klientel. Insgesamt eine sehr bunte Mischung an Konsultationsanlässen.

Im Speziellen ist mir dabei ein Patient aus Italien in Erinnerung geblieben, welchen ein rezidivierender starker Kreuzschmerz plagte. In der Heimat wurde er mit Injektionen in den Rücken behandelt, die ihm durch eine Krankenschwester verabreicht wurden. Hier wird aber (außer durch Fachärzte der Orthopädie oder Neurologie) auf Injektionen verzichtet, da eine orale Medikation die gleiche, teilweise sogar eine bessere, Wirkung durch einen länger anhaltenden Wirkspiegel erzielt und dabei viel geringere Risiken birgt. Außerdem wurden dem Patienten Übungen gezeigt, welche auf Grundlage wissenschaftlich gesicherter Informationen ausgesucht wurden, um die Rückenmuskulatur zu kräftigen, so den Rücken zu entlasten und den Schmerz zu lindern. So habe ich das Gefühl, dass der Patient eine sehr gute Beratung und Therapie erhalten hat und hoffentlich in Zukunft, mittels der Übungen mit weniger Medikamenten, seinen Kreuzschmerz in den Griff bekommt.

Außerdem verfolgte ich zusätzlich zu den praxisinternen Fallbesprechungen auch die des Guad-Netzes, welche von Dr. Blank geleitet werden. Dort nehmen Ärzte, auch anderer Fachrichtungen, aus der Region teil. So schaltete sich ein Notarzt auf dem Rückweg vom Einsatz dazu. Z. B. konnte bei dem speziellen Patientenwunsch nach längerer Antikoagulation nach Lungenembolie ein Facharzt der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde wichtige Tipps geben. Jeder hat sein eigenes Spezialgebiet, kürzlich eine Fortbildung besucht oder langjährige Erfahrungen, durch die die gesamte ärztliche Gruppe und am Ende der Patient profitieren kann. Einfach ein starkes Netzwerk und für jeden ein Gewinn.

Zum Wochenende besuchten wir am Samstag eine Glasmanufaktur, in der hunderte Glaskunstwerke für Haus und Garten zu bestaunen waren. Im Anschluss erklommen wir nach steilem Anstieg einen Berg, als Belohnung gab es eine erfrischende Abkühlung an Wasserfällen. Den ereignisreichen Tag ließen wir dann mit einem gemeinsamen Essen ausklingen.

Woche 8: 15.08. – 21.08. 2022

Diese Woche verging dank des gewonnenen Feiertags am Montag (den gibt es in meiner Heimat nicht) wie im Flug.

Ich war die ganze Woche in Lalling eingesetzt. Aus gegebenem Anlass habe ich mich in dieser Woche mit Asthma-Notfällen beschäftigt, welche laut Studien zum Glück über die Jahre seltener werden, aber kein Grund, nicht trotzdem für den Fall der Fälle gewappnet zu sein:
Denn am Dienstag kam ein kleiner Junge in die Praxis mit Atemnot, Lippenzyanose und Nasenflügeln und seine Sauerstoffsättigung war zu niedrig. Also wurde schnell die Indikation zur sofortigen Krankenhauseinweisung gestellt. Nach dem Alarmieren des Rettungswagens rief direkt eine Kindernotärztin in der Praxis an und unterstützte mit ihrer Expertise. Nach Einleiten der medikamentösen Therapie war auch schon der Rettungsdienst da und es ging zügig in die Klinik. Beeindruckt von dem raschen und reibungslosen Ablauf habe ich auf jeden Fall etwas für´s Leben gelernt und bin für den nächsten Notfall dieser Art gewappnet.

Eine spannendes Ereignis zwischen den, zum Glück, meist harmloseren Beratungsanlässen in der Hausarztpraxis.

Woche 9:  22.08. – 28.08. 2022

Diese Woche startete chaotisch, ein typischer Montag eben. Aufgrund von Krankheitsausfällen war eine Ärztin alleine in der Praxis eingeteilt und musste nun die Arbeit von zwei  bewältigen, weil es Montagmorgen schlecht möglich war, einige geplante zeitaufwendigere Termine zu verschieben. Ich half so gut ich konnte und  war dabei froh, in meiner Rolle als PJlerin noch etwas mehr Zeit für die PatientInnen zu haben. So widmete ich mich gerne denen, die etwas mehr Gesprächsbedarf haben, während die Ärztin gründlich aber flott die Patienten mit zeitlich überschaubareren Konsultationsanlässen abarbeitete. So kam eine Patientin zur Gesundheitsuntersuchung, ursprünglich nur, weil der “TÜV” mal wieder fällig war. Aber es stellte sich heraus, dass die Dame viele Päckchen zu tragen hatte, welche sie auch noch psychisch belasteten und ihr starke Zukunftsängste bescherten. Ich denke, es war gut, dass die Patientin genug Zeit bekommen hat, um alles, was sie plagt, zu erzählen. Denn während des Gespräches kamen immer mehr Themen auf, welcher einer Behandlung bedürfen. Unter Zeitdruck hätte die Patientin sich vielleicht gar nicht so öffnen können. 

Eine andere Patientin ist mir ebenfalls im Gedächtnis geblieben, da sie diese Woche gleich drei Mal in die Praxis gekommen ist. Sie ist eine ältere Dame, deren Bewegungsradius altersbedingt etwas eingeschränkt ist, ansonsten macht sie aber einen fitten Eindruck. Zunächst kam sie mit einem schmerzenden Sprunggelenk. Donnerstag wurde sie mit einer schmerzenden Schulter vorstellig, welche sie sich in der Woche davor schon beim Recken nach dem oberen Fach des Regals leicht gezerrt und am Montag vergessen hatte, dies zu berichten. In der Nacht hat die Schulter dann wieder etwas geschmerzt, darum der zweite Besuch dieser Woche. In beiden Fällen konnte ich durch eine Untersuchung abwendbar gefährliche Verläufe ausschließen und sie damit beruhigen. Zufrieden konnte ich sie wieder in die fürsorglichen Hände ihrer Tochter entlassen.

Am Freitag war ich überrascht, den Namen der besagten Dame vom Donnerstag schon wieder in der Patientenliste zu lesen und nahm mich neugierig ihrer an, was mag nun heute der Anlass sein? Ihre Tochter hatte das Sprunggelenk mit Quark versorgt, so dass sie nicht aufstehen konnte. Und natürlich klingelte das Telefon, welches sie von der Fensterbank angelte und sich wieder leicht die Schulter zerrte, wegen der sie gestern da war. Also das gleiche nochmal von vorne. Ich befragte sie nach dem Schmerztyp und Ort, untersuchte sie gründlich und konnte wieder Entwarnung geben. Die Muskeln waren gereizt, würden sich aber bald wieder erholen. So kurz vor dem Wochenende wollte sie dies einfach nochmal abgeklärt haben. Ich bin froh, dass nichts Schlimmeres hinter den Schmerzen steckte und ich die Patientin mit ein paar Sätzen beruhigen konnte. 

Und genau das mag ich so sehr an der Allgemeinmedizin: Zeit und die richtigen Worte sind für die PatientInnen Gold wert und ein nicht zu unterschätzendes Werkzeug von HausärztInnen.

Woche 10: 29.08. – 04.09.2022

Diese Woche ging es etwas ruhiger zu. Eine gute Gelegenheit Frau Marder über die Schulter zu gucken. Sie kümmert sich um das Disease Management Programm (DMP) – Koronare Herzkrankheit (KHK). 

Ziel der DMP-KHK ist es, durch eine zugeschnittene und koordinierte Behandlung den Fortschritt und das Risiko der koronaren Herzerkrankung zu kontrollieren und korrekt einschätzen zu können. Dafür werden in regelmäßigen Abständen die Blutwerte kontrolliert, ein EKG geschrieben, die Medikamente überprüft und typische Symptome abgefragt.

Außerdem konnte ich sowohl in der Praxis als auch beim Hausbesuch geriatrische Basis Assessments begleiten, dabei werden bei Patienten ab 70 Jahren Tests zur Detektion motorischer Einschränkungen, Selbsthilfefähigkeit und Demenz durchgeführt. Das Ziel ist, dem Patienten ganzheitlich Hilfe zukommen zu lassen und eine den Lebensbedingungen angepasste Therapie der Erkrankungen durchzuführen. 

So konnte ich feststellen, dass gerade Patienten, die im hohen Alter oder aufgrund von Vorerkrankungen besonderer Fürsorge bedürfen, gut aufgehoben sind, damit bei etwaiger Verschlechterung des Krankheitsbildes sofort interveniert werden kann, um lange die bestmögliche Gesundheit und Lebensqualität zu erhalten.

Diese Woche hatte uns eine Patientin wieder Rätsel aufgegeben. Nachdem sie vor fünf Wochen unter einem grippalen Infekt mit starkem Husten litt, hatte sich das Beschwerdebild nun komplett verändert: die Patientin hatte Schmerzen von den Knien aufsteigend, eine taube Stelle am Oberschenkel und Schmerzen im Unterbauch. Aber keine anderen Symptome, die bauchschmerztypisch wären. Das Blutbild, der Urin und die Sonographie waren unauffällig. Ein paar Tage später kam die Patientin wieder, weil die Schmerzen noch weiter “hochgewandert” waren. Nun taten ihr der Oberbauch und die Rippenbögen weh, dabei ein leichtes pelziges Gefühl, in der Sonographie war nun der Pankreas etwas auffällig. Aber immer noch waren die Beschwerden sehr diffus und die Schmerzmittel halfen ihr leider nicht. Also geht die Diagnostik weiter…

In der sechsten Woche habe ich von einer Patientin berichtet, welche unter Atemnot und einem unerklärlichen Gewichtsverlust litt. Ich kann positives berichten: eine Neoplasie hat sich nicht bestätigt. Die Patientin hatte eine Lungenentzündung und hat sich mittlerweile gut erholt.