Nicole Neumair

Praktisches Jahr
27.06. – 16.10.2022

Woche 1: 27.06. – 03.07.2022

Jetzt bin ich also hier. Zum Glück – denn gleich nach meiner Ankunft hat mein Auto beschlossen, den Geist aufzugeben. Wie gut, dass ich es wenigstens noch bis zu meiner Unterkunft geschafft habe – und ziemlich blöd für die Planung der ersten Woche, denke ich. Schließlich ist man hier doch recht stark auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen. Aber meine Sorgen werden schnell beruhigt. Ein Tausch mit meiner PJ-Kollegin Sabine, die ebenfalls gerade frisch angekommen ist, und viel Entgegenkommen und Hilfsbereitschaft vom Praxisteam machen die ganze Sache halb so wild.
So starte ich also am Montag nicht wie ursprünglich geplant in Auerbach, sondern in Schöfweg, wohin mich Dr. Blank die ersten drei Tage dankenswerterweise mitnehmen kann. Eigentlich sofort wird mir klar, dass das kein Kindergarten-Aufenthalt wird. Obwohl ich in Bezug auf die Lehre auch in meinen ersten beiden PJ-Tertialen viel Glück hatte, ist hier doch nochmal deutlich mehr geplant und gefordert – im besten Sinne!
Den ersten Tag laufe ich erstmal noch mit Dr. Blank mit und kann mir einen ersten Überblick über die Praxisabläufe und die Arbeitsweise des Chefs verschaffen. Schon am nächsten Tag fange ich an, deutlich mehr selbstständig zu machen. Ich muss mich noch daran gewöhnen, denn das mit dem selbstständigen Arbeiten ist im Medizinstudium und auch im PJ so eine Sache. Aber gerade auch das war ja schließlich einer der Gründe, warum ich hierher kommen wollte.
Auch merke ich, dass man über die Zeit des Studiums doch das Eine oder Andere gelernt hat. Trotzdem bin ich froh, dass es noch nicht an mir ist, endgültige Entscheidungen über das weitere Vorgehen oder die Therapie der mannigfaltigen Anliegen der ebenso mannigfaltigen Patienten treffen zu müssen. Immer wieder passiert es, dass ich zunächst denke, einen Patienten und sein Problem ganz gut „abgearbeitet“ zu haben und dann doch nochmal wirklich relevante Fragen von den Ärzten gestellt oder Dinge gesagt werden und ich denke „Mensch, das hast du vergessen!“. Aber auch dafür bin ich hier.
Es gibt in dieser ersten Woche noch viel zu organisieren und es fällt mir schwer, einen Überblick über die verschiedenen Besprechungen und Lehrveranstaltungen zu bekommen. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass sich das bald bessert, auch weil wir viel Unterstützung von den „alten Hasen“ unter den PJlern, aber auch vom Team bekommen.
Der Mittwoch ist besonders ereignisreich. Vormittags Praxisarbeit, am Nachmittag ein Nahtkurs in Cham, der uns allen wahnsinnig viel Spaß gemacht hat, dann ein Journal Club am Abend in Regen mit anschließendem gemeinsamen Ausklingenlassen beim Italiener.
Pünktlich zum Freitag ist mein Auto repariert, sodass ich mich mit vielen Eindrücken in meine oberbayerische Heimat ins Wochenende aufmachen kann.

Woche 2: 04.07. – 10.07.2022

Hoppla – Woche zwei ist ja schon wieder rum! Das ging sehr schnell.

Was die Besprechungen und Teachings angeht, bekomme ich langsam einen Überblick. Ich lerne eine weitere Praxis kennen: Auerbach. Klein, ein bisschen alt aber irgendwie süß. Mit Dr. Kalmancai verstehe ich mich auf Anhieb sehr gut, seine ruhige und besonnene Art macht es mir leicht, mich auf seine Arbeitsweise einzulassen. Auch treffe ich zum ersten Mal so richtig auf meine Mentorin, die mir immer wieder mit Rat und Tat zur Seite steht. 

Schon bald hole ich sie mir frühzeitiger als sonst üblich zu einer Patientin hinzu. Diese ist nach einem schweren Schicksalsschlag völlig am Boden zerstört und ich fühle mich noch lange nicht so weit, sie kompetent unterstützen zu können in ihrer Situation. Ob man überhaupt jemals an so einen Punkt kommt? Ich muss selbst mit den Tränen kämpfen, die Geschichte der jungen Frau berührt mich sehr. Es hilft mir zu sehen, wie meine Mentorin ruhig und sachlich, gleichzeitig aber auch empathisch mit der Patientin spricht. Ich lerne an diesem Tag viel über den Umgang mit Patienten, die eine schlimme Nachricht zu verarbeiten haben. Kein sehr schöner Aspekt unseres Jobs. Oder vielleicht doch? Zwar können wir nichts ungeschehen machen und das Leid muss trotzdem ausgehalten werden, aber in einem gewissen Umfang – wenn auch nur in einem ganz kleinen – können wir solchen Patienten helfen, wieder etwas Halt zu finden. Wir können ihnen helfen, etwas zur Ruhe zu kommen und vielleicht auch ihre Gedanken zu ordnen – manchmal mit Medikamenten, vor allem aber mit Gesprächen.

Ein weiteren Aspekt des Hausarztseins, insbesondere auf dem Land, lerne ich bei den ersten Hausbesuchstouren kennen. Ob ich für mich selbst daraus viel Kenntnisgewinn habe, kann ich noch nicht sagen. Der kommt vermutlich erst, wenn man die besuchten Patienten schon etwas kennt und regelmäßig sieht.

In Kirchberg treffe ich erneut auf Dr. Machac. Ebenfalls ein sehr netter Arzt, immer bemüht uns etwas beizubringen. Mit seinem sehr zielstrebigen Tempo mitzuhalten fällt mir allerdings etwas schwer. Ich hege die Hoffnung, dass ich zum Ende des Tertials die einzelnen Fälle auch etwas schneller gedanklich durcharbeiten und abhaken kann. Übung macht den Meister. Das merke ich auch beim Ultraschall. Obwohl noch meilenweit entfernt vom Profi-Niveau, stelle ich doch schon einige Verbesserungen an meiner Technik fest. Die Knopfologie – das Drücken der richtigen Knöpfe zum richtigen Zeitpunkt – wird mich noch ein Weilchen beschäftigen.

Am Wochenende habe ich endlich Gelegenheit, etwas mehr von der wunderbaren Gegend zu erkunden – der Lusen und das Moor rufen.

Woche 3: 11.07. – 17.07.2022

Woche 3 war fast so schnell um wie Woche 2. Dennoch habe ich immer noch ein bisschen das Gefühl, den Dingen hinterher zu laufen. Aber ich werde zuversichtlicher, dass sich das demnächst gibt.

Zum Anfang der Woche war ich wieder in Schöfweg, diesmal bei Frau Dr. Kleudgen. Ein etwas chaotischer Wochenstart aber ich habe schnell das Gefühl, dass ich hier wirklich viel mitnehmen kann. Ich lerne das eine oder andere über Todesbescheinigungen, ein Thema, das im Studium zwar angesprochen wird aber bei dem viele Mediziner immer wieder auf Schwierigkeiten treffen. “Bürokratie-Deutschland” huscht es mir durch den Kopf, aber natürlich soll und muss unter diesen Umständen alles seine Ordnung haben.

Ein weiterer Schwerpunkt scheinen diese Woche Hauterscheinungen zu haben – nicht gerade mein Lieblingsthema. Um so besser, dass ich gezwungenermaßen immer mal wieder damit konfrontiert werde. Die Haut kann sehr viele Zustände und Erkrankungen des Körpers abbilden und eine fundierte Kenntnis darüber ist auch in der Hausarztpraxis äußerst wertvoll und wichtig. Hier habe ich auf jeden Fall noch Nachholbedarf, fast hoffe ich auf noch mehr Dermatologie-Rätsel.

Mit den meisten Patienten komme ich wirklich gut zurecht. Vor allem hier im Bayerischen Wald sind die meisten sehr herzlich und begegnen einem manchmal fast schon zu familiär, wird man als Mediziner doch angehalten – völlig zu recht -, eine gewisse Distanz zu den Patienten zu wahren. Hin und wieder aber begegnet man Menschen, die man nicht so recht anzupacken weiß oder die von ihrem Wesen her einfach etwas schwieriger zu händeln sind. Ein Phänomen, das natürlich nicht auf die Hausarztpraxis beschränkt ist. Aber hier kann man solchen Situationen im Zweifel nicht einfach ausweichen. Das Praxisteam kennt in der Regel seine Pappenheimer und die wirklich schwierigen oder unangenehmen Fälle werden von den alten Hasen übernommen. Einerseits recht angenehm; andererseits müssen wir früher oder später selbst damit klar kommen und ein bisschen Übung schadet nicht, zumal wir hier viel Gelegenheit haben, uns Feedback und Tipps abzuholen. Auch bei diesem Thema hoffe ich auf noch mehr Trainingsmöglichkeiten.

Donnerstag und Freitag darf ich dann das erste mal die Praxis in Lalling mit Frau Dr. Takacs und Frau Dr. Hill kennenlernen. Da es diese zwei Tage etwas chaotisch ist, finde ich mich zunächst etwas schwierig zurecht. Aber schnell wird es besser.

Ich erfahre am Patientenbeispiel, welche Schwierigkeiten eine ausgeprägte Niereninsuffizienz in der angewandten Praxis machen kann. Die Niereninsuffizienz kommt doch recht häufig vor, zum Glück dauert es aber meist eine Weile, bis ein solch schweres Stadium erreicht wird wie es in diesem Fall vorliegt. Ein großer Lebenseinschnitt, das wird mir sehr bewusst, als ich der Betroffenen gegenüber sitze und sie mir von all den Problemen berichtet, mit denen sie gerade zu kämpfen hat und die sich untereinander und mit deren Lösungen gegenseitig im Weg stehen. Als ich noch ein Kind war, haben unsere Nachbarn zum Geburtstag immer Gesundheit gewünscht – denn “Gesundheit ist das Wichtigste!”. Als kleines Mädchen war mir die Wahrheit und Tragweite dieser Worte von gefühlt 100-jährigen Menschen nicht bewusst. Fälle wie dieser zeigen mir aber inzwischen immer wieder – sie hatten so Recht!

Woche 4: 18.07. – 24.07.2022

Die Hitze macht uns allen zu schaffen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass diese Woche recht ruhig ist. Mein Fokus wird immer mal wieder auf EKGs und deren Interpretation gelenkt. Aus irgendeinem Grund werde ich von einigen Mitstreitern hierbei für viel kompetenter gehalten als ich es bin. Das weckt meinen Ehrgeiz, das mir unterstellte Level zu erreichen. Gar nicht so einfach – wie ein Arzt im PJ-Tertial Innere Medizin zu mir gesagt hat: über Zacken kann man nie genug lernen. So versuche ich, so viele EKGs wie mir möglich in die Finger zu kriegen.

Am Mittwoch geht es spontan zu einem Notfall-Hausbesuch. Ein älterer Herr hat Bauchschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Seine Tochter macht sich Sorgen. Wie Frau Quaderer und ich dann feststellen, durchaus zu Recht. Wir möchten ihn gerne ins Krankenhaus schicken, um Schlimmeres auszuschließen. Das gefällt ihm verständlicherweise nicht. Es braucht einiges an Überzeugungsarbeit – nicht zuletzt mit tatkräftiger Unterstützung durch die Tochter des Patienten -, um ihn dazu zu bewegen, einzulenken. Wir als Ärzte können niemanden zwingen, eine bestimmte Behandlung zu beginnen oder ins Krankenhaus zu gehen, auch wenn wir es manchmal für unumgänglich halten. Und meistens wollen wir das auch nicht. Zumindest reden wir uns das immer wieder ein.
Passend dazu hören wir am Mittag gleich danach einen Vortrag zu Patienten mit Suchtproblemen in der Hausarztpraxis. Auch die sind sehr oft beratungsresistent und man wünscht sich so manches Mal doch, dass man seine Patienten zu der einen oder anderen Maßnahme zwingen kann. Gleichzeitig sollen und wollen wir unseren Patienten respekt- und verständnisvoll begegnen – eine Zwickmühle für den Arzt. Auf der Grundlage dieser Überlegung entsteht eine interessante Diskussion und wieder einmal wird mir vor Augen geführt, wie großartig die Möglichkeit ist, mit unterschiedlichen Medizinern in den Dialog zu treten, neue Denkanstöße zu erhalten und auf Augenhöhe über das Für und Wider eines Themas zu diskutieren. Keine Selbstverständlichkeit, leider.

Ein weiteres Wochenhighlight ist das Teaching zum 3. Staatsexamen am See. In entspannter Atmosphäre wird uns ein wenig die Angst vor der letzten großen Prüfung unseres Studiums genommen. Als eine Person, die lieber zuhört als redet, ist mir diese mündliche Prüfung ein echter Graus. Doch den anderen geht es ganz genauso. Vielleicht etwas gemein aber das allein beruhigt schon. Es werden 2 Probeläufe eines mündlichen Staatsexamens zum Teilbereich Allgemeinmedizin durchgeführt. Noch kann ich mich nicht dazu durchringen, selbst als “Prüfling” anzutreten und schaue nur zu. Doch auch das hilft mir schon enorm, ein besseres Gefühl für diese Prüfung zu bekommen und ein bisschen weniger Bammel zu haben.

Woche 5: 25.07. – 31.07.2022

Die erste Woche ist zu Ende, die ich komplett in Schöfweg verbringe. Wieder etwas ruhiger als die ersten Wochen. Aber das ist nichts Schlechtes, so hat man etwas mehr Zeit sich ausführlich den Patienten zu widmen. Gerade am Anfang fühlen sich viele Berufseinsteiger doch noch etwas unsicher und würden den Patienten lieber 2 Stunden als 2 Minuten Fragen stellen, um auch ja nichts zu übersehen. Zeit zu haben gibt einem die Möglichkeit, in Ruhe über die Struktur und das Ausmaß von Anamnese – das heißt Befragung – und klinischer Untersuchung nachzudenken und häufig stellt man fest, dass die gewünschten 2 Stunden dafür gar nicht nötig sind. Das nimmt einem ein wenig die Angst vor Fehlern.

Es kommt immer wieder mal vor, dass man es mit unzufriedenen Patienten zu tun bekommt. Natürlich gibt es für Unzufriedenheit immer einen Grund. Diesen herauszufinden, ist manchmal nicht so einfach. Manchmal stellt sich aber heraus, dass die Unzufriedenheit auf falschen Erwartungen der Patienten beruht. Manchmal werden nicht weiter begründbare Tatsachen auch einfach nicht akzeptiert. Wer könnte es den Patienten verdenken; sich einzugestehen, dass im Alter die Gelenke verschleißen und deshalb schmerzen ist genauso schlecht zu ertragen wie die Akzeptanz einer unheilbaren Erkrankung. Zum Glück sind es oftmals nicht so endgültige Befunde in der Hausarztpraxis, die wir Patienten mitteilen müssen. Aber auch ein einfacher Schnupfen oder eine Magen-Darm-Grippe können sehr störend sein, das kennen wir schließlich alle. In diesen Fällen hilft oft nur Abwarten und das sprichwörtliche Teetrinken. Wenn es mal länger dauert, kann das nicht jeder gut akzeptieren – da schließe ich mich selbst mit ein. Man hat nunmal Besseres zu tun als kränkelnd auf der Couch zu liegen. 

Wie also damit umgehen, wie mit der Unzufriedenheit umgehen, die manche Patienten an den Tag legen, wenn wir keine Wunderpille aus dem Hut zaubern können? Eine schwierige Sache, vor allem wenn ein Krankheitsverlauf tatsächlich ein klein wenig von der Norm abweicht. Hat man vielleicht doch etwas übersehen? An ein wichtiges Detail nicht gedacht? Krankheit ist  nicht schön und wir wollen Ärzte werden, um den Menschen zu helfen bestmöglich mit Krankheit umgehen zu können. Dafür tun wir unser Bestes. Wenn Patienten dennoch unzufrieden sind, ist das frustrierend, suggeriert es doch, dass wir vielleicht noch besser hätten arbeiten können. Die Unterscheidung von einem banalen Infekt, der einfach eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt und vorrangig nervt, oder Alterszipperlein von einer potenziell schwerwiegenden Erkrankung ist hin und wieder alles andere als einfach. Fehlendes Vertrauen ist dabei nicht hilfreich, stört es doch die Arzt-Patienten-Beziehung und führt im schlimmsten Fall zu Fehleinschätzungen in die eine oder andere Richtung. Vertrauen zu erhalten und Unzufriedenheit zu vermeiden ist manchmal schwierig, aber ungemein wichtig. Etwas, an dem wir alle nicht genug arbeiten können.

Der Ultraschall ist eine ganz wunderbare Untersuchungsmethode – schnell, leicht verfügbar, sehr vielseitig, günstig und theoretisch von jedem durchführbar. Eine strukturierte Vorgehensweise beim Ultraschall zu haben, ist schon die halbe Miete für eine gute Untersuchung. Um aber richtig gut zu werden, muss man einfach wahnsinnig viel üben. In der Praxis bekomme ich viel Gelegenheit zum Üben. Und auch, wenn ich das Gefühl habe, mit jedem Mal Üben besser zu werden, bin ich noch sehr weit entfernt davon, ein guter Schaller zu sein. Dennoch macht es sehr viel Spaß und den Fortschritt zu erleben ist sehr motivierend.

Eine nette Abwechslung diese Woche ist das Sommerfest der Praxen in Lalling. Man erfährt ein wenig mehr über die Menschen, die hinter den Ärzten und MFAs stecken. Im Arbeitsalltag bleibt dafür oft keine Zeit. 

Woche 6: 01.08. – 07.08.2022

Schon recht zu Beginn der Woche treffen wir Studentinnen uns mit ein paar von den Ärzten bei einer kleinen Gartenparty. Die verschiedenen Charaktere auch mal in einem privateren Umfeld zu begegnen ist interessant. Die Kirchberger Truppe darf zudem den erweiterten Grafenauer Kreis erstmals kennenlernen. Der gemütliche Abend ist aber mit einiger Vorbereitung verbunden. Den Großteil haben sicherlich die Grafenauer Mädels übernommen, da der Abend bei ihnen stattgefunden hat, und das haben Sie mit Bravour gemeistert. 

Das nächste Highlight ist der Antibiotika-Kurs von MUDr. Rudolf Baloun. Schon bei unserem ersten Journal Club war er uns allen aufgefallen und man hatte schnell den Eindruck, dass er unglaublich viel weiß. Das bestätigt sich dann auch in dem extra für uns veranstalteten Kurs. Eine tolle Wiederholung zu den Themen Infektionen und Antibiotikatherapie, ein wahnsinnig komplexes Thema, mit dem man sich nicht oft genug beschäftigen kann. Es ist so umfangreich, dass nicht alles in dieser Session Platz findet, aber der Ausschnitt war sehr gewinnbringend. Vielen Dank dafür!

Passend dazu sehe ich eine Patientin in Schöfweg wieder, die uns schon in der Woche zuvor ein wenig Kopfzerbrechen bereitet hat. Ein scheinbar banaler Harnwegsinfekt, den die Patientin mit dem besten Mittel – nämlich sehr viel trinken – sofort selbst behandelt hat; weil das offenbar nicht ausreichte und sie an einem Wochenende Schmerzen im Unterbauch entwickelte, stellte sie sich im Notdienst vor. Trotz unauffälligem Urin-Schnelltest – das heißt, ein Harnwegsinfekt ist doch nicht so wahrscheinlich – gab man ihr ein Antibiotikum, ein Standardmedikament bei Blasenentzündungen. Auch das brachte nichts, sodass sie in die Praxis kam. Hier war der Urin-Schnelltest ebenfalls unauffällig, außerdem klangen die Symptome, von denen die Patientin berichtete, etwas untypisch, sodass der Anfangsverdacht eines einfachen Harnwegsinfekts erstmal verworfen wurde. Zur Sicherheit wurde dennoch Urin für eine Kultur ins Labor geschickt. In dieser zeigten sich dann tatsächlich viele Bakterien, der Anfangsverdacht war wieder ganz vorn im Rennen dabei. Ein erneutes ungewöhnliches Detail erbrachte das sogenannte Antibiogramm, das uns sagt, welche Antibiotika bei bestimmten Erregern wirksam sind. Das verabreichte Antibiotikum hätte eigentlich wirken müssen; wir entschieden uns für einen neuen Versuch mit einem anderen. Was man aus dieser Geschichte lernt: es gibt nichts, was es nicht gibt und es läuft nicht immer alles wie im Lehrbuch. Gespannt erwarte ich nun in der kommenden Woche eine Nachricht, ob sich die Patientin nochmal meldet, weil die Therapie wieder nicht gewirkt hat oder nicht und es ihr gut geht.

Woche 7: 08.08. – 14.08.2022

Diese Woche steht ganz im Zeichen der Psyche.

Montag stellt sich ein neuer Patient vor. Er möchte gerne die Praxis wechseln. Schon bei den ersten Sätzen merke ich, dass hier wohl etwas im Argen liegt. Manchmal kann man das noch gar nicht so recht festmachen an bestimmten Dingen. Es ist mehr ein Gefühl. In diesem Fall lässt mich der Patient nicht lange raten – er erzählt von sich aus zumindest in Ansätzen von seiner schwierigen Vergangenheit. Zugleich betont er, dass er nun sein Leben in den Griff bekommen möchte – ohne Klinik. Das finde ich toll – und recht engagiert, um es mal vorsichtig auszudrücken. Ich habe schnell erkannt, dass das ein harter Brocken wird, mit einem kurzen Gespräch ist es hier definitiv nicht getan. Zumal uns von medizinischer Seite bisher nichts zu diesem Patienten bekannt ist. Das Wartezimmer ist voll und uns fehlen objektive Informationen. Für ein suffizientes Gespräch würde das Behandlungszimmer wahrscheinlich für mehrere Stunden blockiert sein. Trotzdem möchten wir dem Patienten und seinen Bedürfnissen natürlich gerecht werden. Am Ende eines einigermaßen knappen Gespräches, das aber doch schon eine halbe Stunde in Anspruch nimmt, steht der Plan, dass er sich nächste Woche nochmal für ein ausführlicheres Gespräch vorstellt und in der Zwischenzeit wichtige Informationen zu seiner Vorgeschichte eingeholt werden. Ein guter Plan, denke ich. Man merkt, dass er Hilfe braucht und möchte. Dennoch wirkt er auf mich in diesem Moment soweit stabil, dass man ihm die Woche Wartezeit gut zutrauen kann. Doch es kommt anders; am nächsten Tag ist er wieder da und möchte in eine Klinik. Seinem Empfinden nach kommt er mit seiner Situation nicht ausreichend zurecht; das steht im Gegensatz zu unserer ersten Einschätzung am Vortag. Da wir aber den Patienten noch gar nicht kennen und offenkundig eine Vielzahl an komplexen Problemen vorliegt, kommen wir seiner Bitte gerne nach. Zumal der Patient selbst eigentlich auf uns so wirkt, als könne er die gegenwärtige Situation ganz gut einschätzen. Er kennt sich naturgemäß ja auch ein wenig. In der Wartezeit, bis der Krankenwagen da ist, ist mir dann doch etwas mulmig. Besteht womöglich die Gefahr, dass das Ganze in der Praxis nun außer Kontrolle gerät? Ist der Patient etwa davor, etwas wirklich Ungutes zu tun – hier in der Praxis? Habe ich das Recht, beunruhigt wegen meiner eigenen Sicherheit zu sein? Gibt es dazu einen Grund? Ich möchte dem Patienten so gerne helfen, aber es ist völlig klar, dass wir in dieser Lage an unsere Grenzen gekommen und auf spezialisiertere Hilfe angewiesen sind. Hoffentlich werde ich noch die Gelegenheit haben, diesen Fall ein wenig länger zu verfolgen.
 

Das Thema zieht sich weiter durch – mal in Form eines ausgearteten Streits mit einem Nachbarn, der zu einem kleinen Nervenzusammenbruch geführt hat, mal in Form eines Schicksalschlages. Es fällt mir zunehmend etwas leichter, den Geschichten zwar mit Empathie aber dennoch mit emotionalem Abstand zu folgen.

Am Anfang meines Tertials kam es durchaus vor, dass ich mit den psychisch angeschlagenen Patienten mitgeweint habe. Das passiert nun nicht mehr. Nicht, weil ich kein Mitgefühl mehr für die Schicksale unserer Patienten aufbringen kann. Aber es gelingt mir nun deutlich besser, die nötige Distanz zu wahren.

Woche 8: 15.08. – 21.08. 2022 

Eine kurze Woche in Kirchberg beginnt – nach einem tollen verlängerten Wochenende. 

Da es Urlaubszeit ist und viele weggefahren sind, fallen die Besprechungen diese Woche etwas knapper als sonst aus. Das entzerrt die Woche zusätzlich zum freien Montag. Aber ich merke auch, dass sie mir als Denkanstoß ein bisschen fehlen.

Wieder einmal begegne ich einem schwierigen Patienten. Zunächst habe ich nach Startschwierigkeiten das Gefühl, der Situation ganz gut zu begegnen, ich komme einigermaßen gut ins Gespräch mit ihm und befrage ihn ausführlich zu seinen Beschwerden, nehme mir Zeit. Als ich den Arzt zum Gespräch dazu hole, habe ich aber das Gefühl, dass ich mich mit meiner Einschätzung getäuscht habe. Der Patient zeigt kein Interesse daran, das Gespräch noch einmal aufzunehmen und geht einfach – quasi mitten im Satz. Ich bleibe beinahe schockiert zurück – was haben wir bloß falsch gemacht? Obwohl mir versichert wird, dass es nicht an mir liegt und man bei manchen Patienten genauso gut mit einer Wand reden könnte, frage ich mich doch immer wieder, was ich anders hätte machen können. Habe ich etwas falsch verstanden? Oder nicht ernst genug genommen? Haben wir nun etwas Wichtiges übersehen, weil das Gespräch so abrupt geendet hat? Nun ja, letztlich kann man niemanden zu einem Gespräch zwingen – oder zu einer Therapie oder zu sonst etwas.

Außerdem sehen wir eine entzündete Operationswunde. Über mehrere Tage in der Woche kommt der Patient immer wieder und wir können wunderbar beobachten, wie die Therapie ihre Wirkung tut. Ein tolles Gefühl. Das ist einer der Gründe, warum wir tun, was wir tun. Es gibt ein Problem, es wird eine Lösung gesucht und die Lösung fruchtet.

Ich merke, dass ich bei den einfacheren Fällen inzwischen schon viel mehr Selbstsicherheit habe. In einer Hausarztpraxis kann man das gedankliche Abhaken von Patientenfällen sehr gut üben. Die meisten sind nicht akut gefährlich, was schon mal viel Druck nimmt. Und im Großteil der Fälle kann man sich darauf verlassen, dass die Patienten wieder kommen und man das Geschehen langfristig im Blick hat. Das gibt einem das Gefühl, nicht womöglich etwas Wichtiges zu verpassen. Zudem hat man viel mehr den ganzen Menschen im Blick als einem das in der Klinik möglich ist. Man bekommt einen besseren Eindruck von seinen Patienten und kann mit einem besseren Gefühl abschließen, wenn dieser die Praxis verlässt. Dann kann man sich voll auf den nächsten Patienten konzentrieren.

In unserem Donnerstagstreffen sprechen wir über das Handling von Marcumar. Ein alltägliches Thema in der Hausarztpraxis, dennoch eines, das einem als Student eher schwer fällt. Wir alle hatten keinen richtigen Plan, wie man so etwas am besten angeht. Nach dem Teaching ist das deutlich besser. Außerdem hören wir noch etwas zur Therapie eines akuten Asthmaanfalls. Nicht ganz so alltäglich – aber Asthmapatienten sind es schon. Das und die Tatsache, dass so ein Aasthmaanfall potentiell lebensbedrohlich ist, machen auch das zu einem wirklich wichtigen Thema.

Am Freitag bin ich aufgrund der aktuellen Urlaubssituation ausnahmsweise in Rinchnach und treffe zum ersten Mal Petra Arbinger in live. Zuvor haben wir uns immer nur online zu den Besprechungen gesehen. So freue ich mich auf den Nachmittag. Ich stelle mal wieder fest, dass ich mich mit der Eingewöhnung in eine neue Situation etwas schwer tue – Neue Praxis, neue Menschen, neue Abläufe. zwangsläufig hat sich das im Laufe des Studiums schon deutlich gebessert aber es ist offenbar immer noch viel Luft nach oben.

Woche 9: 22.08. – 28.08. 2022 

Eine spannende Woche liegt hinter mir. In den meisten Fällen traue ich mir inzwischen zu, recht gut einschätzen zu können, wie gut oder schlecht es einem Patienten geht bzw. wie ernst eine Situation ist. Oftmals passen subjektives Empfinden des Patienten und objektive Wahrnehmung nicht zusammen. Zu Anfang ist jeder Fall wie ein kleines Rätsel oder Puzzle, in das die Angaben der Patienten, die Untersuchung und nicht zuletzt viel Bauchgefühl eingehen. Dieses Bauchgefühl trügt mich nach einem dreiviertel Jahr PJ nun nicht mehr ganz so häufig wie am Anfang.

Ein recht eindrücklicher Fall begegnet mir gleich am Montag. Es ist nicht sofort eindeutig klar, mit welcher Erkrankung wir es zu tun haben; klar ist aber sehr schnell, dass hier gefährliche Dinge im Krankenhaus abgeklärt werden müssen. Es handelt sich um einen recht jungen Menschen, mitten im Leben, kleine Kinder zu Hause. Zunächst wirkt er fit und fröhlich. Doch er erklärt mir, dass er sehr besorgt ist – zurecht, wie sich bald herausstellt. Seit kurzer Zeit plagen ihn seltsame Schwindelanfälle mit Schweißausbrüchen. Das sind recht unspezifische Symptome, die eine ganze Latte an Ursachen haben können. Gedanklich gehe ich schon einige durch. Viele der in Frage kommenden Diagnosen sind zwar störend aber nicht akut gefährlich oder doch wenigstens gut und schnell in den Griff zu bekommen. Ich fange mit ein paar allgemeinen Untersuchungen an: Herz, Lunge. Als er jedoch erwähnt, seinem Umfeld sei aufgefallen, dass er bei diesen Anfällen zu schielen anfinge, werde ich hellhörig. Das grenzt die Möglichkeiten stark ein und lässt Sorge in mir hochkommen. Der sogenannte Blickfolgeversuch ist auffällig –  die Augen arbeiten nicht so zusammen, wie sie sollten. Mehr braucht es in diesem Moment gar nicht als Hausarzt, um zu wissen, dass wir hier unverzüglich auf spezialisierte Hilfe zurückgreifen müssen. Mir wird wieder einmal klar, dass es oft nur ein Schlüsselsymptom braucht, um auf die richtige Spur zu kommen. Und wir als Ärzte sind darauf angewiesen, dass Patienten uns vollumfänglich informieren, dabei aber nicht das Wesentliche aus dem Blick verlieren.

Dienstag sehe ich den Patienten mit der komplexen Vorgeschichte wieder. Er wirkt schon ruhiger, es scheint ihm etwas besser zu gehen. Aber noch lange nicht gut. Hier liegt noch ein langer Weg vor Arzt und Patient. Bei so schwierigen Fällen wie diesem droht man, den Mut zu verlieren als Arzt. Es wird immer wieder Rückschläge geben und vielleicht wird er nie in die Nähe eines normalen Lebens kommen. Genau das möchte man aber für diese Menschen – ein kleines Stück Normalität. Man muss hier wirklich aufpassen, weder in Verzweiflung noch in Gleichgültigkeit abzugleiten. Eine neutrale Haltung zu wahren, ist hier wirklich schwierig, aber genau das, was unsere Aufgabe ist und was den Patienten am meisten hilft.

Ab Mittwoch wird es bauchlastig. Bauchschmerzen sind ein weites, weites Feld. Erst sehe ich eine sehr junge Frau mit rechtsseitigen Unterbauchschmerzen. Die Schmerzen seien schon recht stark, sie liegt aber noch einigermaßen entspannt auf der Liege. Bei diesem Schlüsselbegriff denkt der brave Student sofort an eine Blinddarmentzündung. Im Ultraschall suchen wir zunächst auch genau danach. Darmschall ist schwierig und man hat immer ein wenig das Gefühl, im Trüben zu fischen. So auch in diesem Fall. Es ist nichts auffällig im Bereich des Blinddarms. Das erklärt sich aber, als wir ein Stück weiter etwas Seltsames entdecken, das hier nicht hingehört. Auch in diesem Fall kann man in der Praxis nicht viel weiter tun. Sie muss ins Krankenhaus. Wir alle erwarten gespannt auf den Arztbrief, der hoffentlich nächste Woche kommt und uns endgültige Antworten auf unsere Spekulationen liefert. Quasi genau anders herum läuft es bei der nächsten Patientin. Sie hat seit wenigen Stunden wirklich sehr starke Schmerzen im linken Bauch, nimmt eine Schonhaltung ein, das Laufen fällt ihr schwer. Die Liste an Differenzialdiagnosen bei linksseitigen Bauchschmerzen ist mittellang; auf jeden Fall kein absolut eindeutiges Symptom. Auf Nachfrage gibt sie an, ungewöhnlicherweise seit einigen Tagen keinen Stuhlgang gehabt zu haben. Wir raten ihr, sich zunächst mit Abführmitteln zu versorgen und tatsächlich, am nächsten Tag geht es ihr schon deutlich besser. Auch eine schnöde Verstopfung kann brutal sein – und unter Umständen sogar gefährlich. 

Ich nehme mit: aus den Beschwerden und deren Schwere bzw. dem alleinigen Eindruck, der einem zunächst vermittelt wird, kann man nicht darauf schließen, wie schlimm es tatsächlich ist.

Woche 10: 29.08. – 04.09.2022

Der etwas besorgniserregende Fall von letzter Woche stellt sich wieder vor! Ich freue mich, zu erfahren, wie es weitergeht. Ein schöner Aspekt in der Allgemeinmedizin; man kann die Patienten über längere Zeit begleiten und bekommt viel mit. 

In diesem Fall haben die Neurologen ein sehr seltenes Krankheitsbild diagnostiziert. Es geht dem Patienten schon deutlich besser als bei seinem ersten Besuch. Aber von einer Genesung kann noch lange nicht gesprochen werden. Da es sich um eine sehr spezielle Diagnose handelt, wird der Patient beim Facharzt angebunden. Es stehen weitere Untersuchungen an. Fast wehmütig bemerke ich, dass ich nicht mehr viel Zeit hier vor mir habe; so werde ich den Ausgang der Geschichte wohl leider nicht erfahren. 

Zur Abwechslung im allgemeinmedizinischen Arbeitsalltag bekomme ich mal wieder die Gelegenheit, mich chirurgisch zu betätigen. Nach einem Treppensturz muss jemand genäht werden. Eigentlich eine Kleinigkeit. Allerdings merke ich, dass das Instrumentarium in einer Hausarztpraxis nicht so recht zu vergleichen ist mit dem in einer Klinik. Eine Herausforderung. Doch ich bekomme es hin, selbstverständlich mit professioneller Unterstützung. Das Nähen und Schneiden erfreut mein Herz. Das ist das Schöne an der Chirurgie – es gibt ein Problem, man schneidet, man näht, man behebt das Problem. Fertig. Gut, das ist natürlich arg vereinfacht. Aber im Prinzip stimmt es.

Woche 11: 05.09. – 11.09.2022

Die erste komplette Woche in Lalling geht zu Ende. Gleichzeitig ist es für mich die vorletzte Woche hier im Bayerwald.

Wir sehen einige Patienten aus anderen Praxen, da diese derzeit im Urlaub sind. Es ist interessant zu sehen, wie unterschiedlich manchmal die Symptome bei Patienten interpretiert werden und wie ein anderer Blickwinkel die initialen Arbeitsdiagnosen in Frage stellen können. Ebenso zeigt sich der eine oder andere Fall, bei dem einfach neue Informationen dazu gekommen sind. Jedenfalls müssen wir ein paar der Diagnosen und Behandlungen ändern. 

Wurde in den anderen Praxen schlecht gearbeitet? Ein klares Nein. Manches ist eben nicht eindeutig und manchmal kann eine kleine neue Information alles über den Haufen werfen, was vorher plausibel war. Als Mediziner ist man nicht zuletzt – wenn nicht sogar in erster Linie – auf vollständige und ehrliche Informationen von Seiten der Patienten angewiesen. Ohne sich dabei in Belanglosigkeiten zu verzetteln. Gerade auch deshalb ist es so wichtig, die richtigen Fragen zu stellen. 

Ein etwas rätselhafter Fall verfolgt uns die Woche über. Ein geschwollenes Bein, das allen zu denken gibt. Generell ein recht häufiges Symptom, meist kann man es nach ein paar Fragen und Untersuchungen recht schnell und sicher einem Krankheitsbild zuordnen. Nicht in diesem Fall. Der Patient präsentiert sich nicht direkt typisch für etwas Gefährliches – nämlich die tiefe Beinvenenthrombose -, aber eben gerade typisch genug, dass man die These nicht guten Gewissens verwerfen möchte. Obwohl sogar im Krankenhaus nach deren Bestätigung gesucht und diese Diagnose ausgeschlossen wurde. Jetzt heißt es erstmal weitere Untersuchungen abwarten und beobachten; vielleicht ergibt ein CT den alles entscheidenden Hinweis oder es erscheint doch noch das oben erwähnte neue Symptom, das einem die Schuppen von den Augen fallen lässt. Unbefriedigend, sowohl für den Patienten als auch für uns Mediziner.

Ebenfalls ein lehrreicher Fall war ein junger Mann, der sich nach einer Covid-Infektion mit weiter bestehenden Atembeschwerden und Müdigkeit vorstellt. Dieses Patienten-Klientel sehen wir recht häufig zur Zeit. Ebenfalls frustrierend, weil man nicht sehr viel tun kann, um die Situation zu verbessern. Etwas wirklich akut Gefährliches ist es in der Regel nicht – meistens hilft es nur abzuwarten. Das ewig gleiche Spiel. Das verleitet dazu, einen solchen Fall gedanklich schon beinahe abzuschließen, bevor man überhaupt mit dem Patienten gesprochen hat. Etwas, worauf ich hoffentlich besser achten werde in Zukunft, denn in diesem Fall zeigt das routinemäßig durchgeführte EKG eben doch eine Myokarditis – eine Herzmuskelentzündung.

Außerdem darf ich meine eigens gesetzten Fäden von letzter Woche entfernen. Alles gut verheilt. Eine runde Sache. Ein gutes Gefühl.