
Julia Kleber
Praktisches Jahr
22.05.2023 – 10.09.2023
Woche 1: 22.05. – 28.05.2023
Schon aus der Ferne begrüßte mich die mir inzwischen aus Famulatur und Blockpraktikum vertraute Kirchturmspitze und wies mir den Weg zu meiner Bleibe für die nächsten vier Monate. Die nächsten vier Monate – das erste Tertial meines PJs in der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald. Ähnlich wie bei vielen Studentinnen und Studenten vor mir, war die Rezidivwahrscheinlichkeit nach einem erstmaligen Aufenthalt in dieser Gemeinschaftspraxis extrem hoch – und so hatte es auch mich wieder hier her verschlagen für den neuen Studienabschnitt, in welchem ich mich auf bekannte und neue Gesichter gleichermaßen und insbesondere auf viele praktische Erfahrungen im Umfeld eines familiären Teams bei der Arbeit unmittelbar am und mit dem Patienten freute. Trotz oder gerade wegen der hohen Rezidivwahrscheinlichkeit versprach die Prognose für den Lernzuwachs aber äußerst positiv auszufallen.
So startete ich am Montag um 8.00 Uhr mit großer Begeisterung und Vorfreude in der Praxis in Auerbach. Es wartete eine gut besuchte Sprechstunde und nach einer kurzen (Wieder-)Einarbeitungsphase durfte ich schnell mit ärztlicher Unterstützung durch Dr. Kalmancai eigene Patientinnen und Patienten betreuen – selbstständige Anamnese und klinische Untersuchung, Entwicklung einer eigenen Therapiestrategie, gemeinsame Besprechung des weiteren Vorgehens im Trio aus PJ-ler, Arzt und Patient. Ich bin immer wieder fasziniert, wie hier Praxisalltag und Lehre Hand in Hand gehen. Die Patientinnen und Patienten sind zudem Studenten gegenüber sehr aufgeschlossen und lassen geduldig eine zweite Otoskopie, Auskultation oder auch Sonographie über sich ergehen. Das Wartezimmer hielt eine breite Palette an Behandlungsanlässen bereit. Es gibt viel zu tun bei Erstvorstellungen, Impfungen, Check-Ups, Verlaufskontrollen und und und. Neben den Tagen in Auerbach mit Dr. Kalmancai fuhr ich auch noch für einen Vormittag mit Dr. Blank nach Grafenau und verbrachte einen Nachmittag direkt in Kirchberg. Ergänzend zur Sprechstunde fand zusätzlich am Montag eine internistische Besprechung zur neuen NVL Hypertonie statt. Die immer dienstags und donnerstags stattfindenden Fallbesprechungen bieten die Möglichkeit, eigene Fälle mit den Ärzten aller Praxisstandorte zu diskutieren und so neue Anregungen und wertvolle Ratschläge zu erhalten. Am Mittwoch Nachmittag begaben wir vier PJ-ler uns gemeinsam nach Cham ins Klinikum zu einem Nahtkurs, den der Chefarzt der Chirurgie persönlich mit viel Enthusiasmus hielt und bei dem wir unter seiner Anleitung die verschiedenen Knoten- und Nahttechniken für das noch anstehende Chirurgie-Tertial auffrischen konnten.
Ich konnte mit der Zeit in dieser Woche beobachten, dass der Blutdruck von 150/90 oder der HbA1c von 7,9 des einen, nicht gleich dem des anderen Patienten entspricht – ganz nach dem Motto: „Wir behandeln hier keine Werte, sondern Menschen.“ Ein beruhigendes und zugleich aufregendes Gefühl. Einerseits erinnert es nach 100 Tagen Examenslernplan daran, dass Medizin weit mehr ist als auswendig gelernte Grenzwerte und Symptomkomplexe. Andererseits stellt sich mir die Frage, anhand welcher Parameter man dann also eine ganz individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmte Behandlung konzipieren soll. Im Verlauf der Woche erkenne ich schon immer deutlicher, dass es wohl nicht die eine Diagnostik und Therapie für das eine Krankheitsbild gibt. Als magisches Wort von Dr. Kalmancai kristallisierte sich in diesem Zusammenhang die „Dynamik“ heraus. Zuallererst gilt es, den akuten Fall mit dringendem Interventionsbedarf zu identifizieren. In anderen unklaren, aber nicht unmittelbar zeitkritischen Fällen kann hingegen eine Stufendiagnostik oder -therapie angestoßen werden. Bei all diesen Entscheidungen muss man zudem den Handlungsspielraum des hausärztlichen Settings und darüber hinaus eben die Notwendigkeit einer notfallmäßigen Einweisung oder fachärztlichen Konsultation berücksichtigen. Damit tun sich für mich auch schon wieder die nächsten spannenden Fragen auf: Was, wenn sich das Erscheinungsbild der betreffenden Krankheit einmal atypisch präsentiert? Was, wenn der zeitliche Verlauf eine andere Wendung nimmt, als typischerweise anzunehmen gewesen wäre? Muss man als Mediziner also nicht nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen, sondern auch noch in die Zukunft schauen können?
Es scheint mir, es sind vor allem zwei Dinge, die insbesondere die hausärztliche Tätigkeit auszeichnen: ein fundiertes anwendungsbezogenes Wissen und viel Gespür für jeden einzelnen Patienten. In der Rückschau war diese erste Woche meines ersten PJ-Tertials ein absolut gelungener Auftakt und ich blicke erwartungsfroh auf die kommenden Wochen mit hoffentlich vielen Antworten und noch mehr neuen interessanten Fragen.
Woche 2: 29.05. – 04.06.2023
Meine zweite Woche wurde durch den freien Pfingstmontag zwar um einen Arbeitstag gekürzt, erwies sich jedoch deshalb nicht als minder gehaltvoll.
Für mich standen mit jeweils 2 Tagen die Praxen in Lalling und Schöfweg auf dem Programm. Aufgrund der verschiedenen Praxisstandorte hat man den großen Vorteil, verschiedene strukturelle Abläufe und persönliche Arbeitsweisen kennen zu lernen.
Zu meiner Erkenntnis von letzter Woche, dass es nicht nur die eine Diagnostik bzw. Therapie für das eine Krankheitsbild gibt, gesellt sich nunmehr auch diejenige, dass es nicht den einen Arzt für den einen Patienten gibt. Eine tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung muss gepflegt werden und natürlich spielen dabei auch persönliche Sympathien eine gewisse Rolle. Ein fundamentales Element stellt mit Sicherheit das gegenseitige Vertrauen dar. Der Patient muss sich darauf verlassen können, dass sein Arzt ihn nach bestem Wissen und Gewissen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft behandelt. Umgekehrt ist auch der Arzt darauf angewiesen, dass der Patient seinerseits die ihm verordnete Therapie korrekt anwendet – das berühmte Stichwort der Compliance, welches man im Studium allenfalls als theoretischen Begriff lernt. Insofern scheint es mir auch extrem wichtig, dass sich Arzt und Patient auf ein gemeinsames Therapieziel verständigen. Auffallend oft höre ich hier am Ende einer Konsultation die Frage seitens des Arztes ob der Patient mit dem Vorgehen einverstanden sei. Das also ist tatsächlich praktizierte partizipative Entscheidungsfindung, denke ich. Dr. Blank erklärt mir, dass in diesem Zusammenhang gerade im hausärztlichen Setting auch das häusliche Umfeld der Patientinnen und Patienten eine große Rolle spielt. Die Bedeutung wird mir vor allem bei älteren Patienten bewusst, da die Kommunikation sehr häufig unter Zuhilfenahme von Angehörigen und die unmittelbare Versorgung in Form von Hausbesuchen erfolgt.
Zwei Fälle sind mir in dieser Woche besonders im Gedächtnis geblieben, weil sie nochmals sehr eindrücklich die Bedeutung der Dynamik in Bezug auf die Entwicklung eines Krankheitsverlaufs verdeutlichten. Einer davon war bereits vergangene Woche in der praxisinternen Fallbesprechung vorgestellt worden. Innerhalb weniger Tage hatten sich nun aber bis zur geplanten Wiedervorstellung der Patientin deren klinischer Zustand und das suspekte Labor derart aggraviert, dass die unverzügliche Einweisung der Patientin in die Klinik unumgänglich wurde. Auch hierbei mussten die persönlichen Ressourcen der Familie rekrutiert werden, um die adäquate Betreuung der Patientin sicher zu stellen.
Die unzähligen Berührungspunkte der Allgemeinmedizin zu den verschiedensten Beteiligten an der Patientenversorgung machen die tägliche Arbeit zum einen sehr komplex, aber zum andern auch sehr reizvoll. Für mich als PJ-lerin ist es zwar durchaus eine Herausforderung, in diesem System meinen Platz zu finden, doch auf dem Weg zur Entwicklung einer eigenen ärztlichen Haltung erfahre ich hier schon bzw. noch als Studentin wertvolle Unterstützung.
Woche 3: 05.06. – 11.06.2023
Auch Woche drei hielt mit Fronleichnam am Donnerstag wieder einen Feiertag bereit. Die Ferienzeit machte sich deutlich bemerkbar, da viele der umliegenden Praxen Urlaub hatten und so auch zahlreiche Vertretungspatienten die Sprechstunde aufsuchten. In solchen Fällen ist es oft schwer, die Patientengeschichte in der Kürze der Zeit voll umfänglich nachzuvollziehen. Am einfachsten und schnellsten würde es gehen, wenn man den Patienten einfach das gewünschte Rezept ohne große Überlegungen ausstellen würde – aber zum Glück bekommt man hier als Student den Anspruch vermittelt, jede Verordnung kritisch zu hinterfragen. Die Wichtigkeit dieser Reflexion und auch Reevaluation von Indikationen zeigte sich mir häufig bei Patientinnen und Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen worden waren. In diesem Zusammenhang wurde mir erneut bewusst, dass der Hausarzt nicht nur ausführendes Organ für die Anordnungen anderer Fachärzte ist, sondern die wohl wichtigste Schnittstelle zwischen Patientinnen bzw. Patienten und dem soz. weiterführenden medizinischen System – und zwar sowohl anterograd im Sinne von Überweisungen als auch retrograd bei der Anwendung der ausgesprochenen Therapieempfehlungen. Die Überwachung der Pharmakodynamik und -kinetik obliegt oftmals regelmäßigen Kontrollen gerade im hausärztlichen Setting.
Neben medikationsbezogenen Kontrollen konnte ich diese Woche in der Praxis in Schöfweg auch einige Wundkontrollen sehen. Außerdem sind mir vor allem auch die hausärztlichen Gesprächstermine mit psychopharmazeutisch eingestellten Patientinnen und Patienten im Gedächtnis geblieben. Diese führten mir vor Augen, wie viele Dimensionen der Verlaufskontrollen es gibt. Da das Studium mit seinen kurzen Blockpraktika in jedem Fach jeweils nur Momentaufnahmen von einzelnen Fällen bereit hielt, finde ich den Gedanken sehr schön, nun wenigstens für ein paar Wochen bzw. Monate an der etwas längerfristigen medizinischen Betreuung von Patientinnen und Patienten teilnehmen zu dürfen.
Insgesamt ist es ein tolles Gefühl, hier auf Augenhöhe in die Praxisarbeit einbezogen zu werden. Man kann und darf sich eigene Gedanken machen. Besonders hilfreich finde ich dabei die Frage: „Was erwartest du dir davon?“ – ist also das angedachte Vorgehen sowohl in diagnostischer als auch therapeutischer Hinsicht überhaupt sinnvoll. Ich bemerke auch mehr und mehr, wie stark in diesem Zusammenhang tatsächlich systembedingte Einflussfaktoren wirken. Wann gibt es den nächsten Facharzttermin? Welche Maßnahme wird von der Krankenkasse übernommen? Ist das gewünschte Medikament aktuell lieferbar? Die letzte Frage hat mich besonders schockiert, da es mir unbegreiflich erscheint, dass ein Medikament wie beispielsweise Penicillin aktuell nicht zur Verfügung steht. Überspitzt formuliert fühlt es sich so an, als würde man ganze Dekaden zurück katapultiert – aber zum Glück gibt es inzwischen entsprechende Ausweichpräparate. Ich merke, dass mit jedem Tag mein Erfahrungsschatz wächst und ich hoffe sehr, all diese Co-Variablen eines Tages in meiner eigenen ärztlichen Tätigkeit berücksichtigen und sie in meine Entscheidungsfindung zum Wohle der Patientinnen und Patienten adäquat einfließen lassen zu können.
Woche 4: 12.06. – 18.06.2023
Auch die vierte Woche verging mit der Kombination aus 3 Tagen Kirchberg und 2 Tagen Auerbach wie im Flug. In Kirchberg scheinen mir die tägliche Anzahl an Patienten und damit notwendigerweise das Arbeitstempo am höchsten zu sein. Nicht selten erledigen Dr. Machac oder Dr. Blank 2 bis 3 Konsultationen, während ich in derselben Zeit gerade einmal mit einem einzigen Fall befasst bin. Glücklicherweise bekommt man hier als PJ-Studentin diesen Luxus an Zeit eingeräumt. So dauert mein Check-Up gut und gerne einmal 30 Minuten, während der übrige Praxisalltag dank der organisatorischen Meisterleistung der MFAs auf der Überholspur an mir vorbei zieht. Ich bewundere diese Symbiose aus Effizienz und Tiefgang. Mir schwant also bereits, dass ich meinen Dreisatz aus Befunderhebung – Diagnosestellung – Therapieentscheidung langfristig werde noch merklich beschleunigen müssen. In diesem Zusammenhang wird mir im Gespräch mit Dr. Blank nochmals der begriffliche Unterschied zwischen Befund und Diagnose verdeutlicht und ich merke mir diesen für die Zukunft u. a. zur korrekten Anwendung bei der Verfassung eigener Arztbriefe vor.
Die Montagsbesprechung behandelte diese Woche das Thema SGLT2 Inhibitoren. Am Mittwoch fanden zudem nachmittags das Online Teaching des Landkreises Cham zum Thema Schmerztherapie und abends der bayernweite Journal Club statt. Die Fortbildungsformate und ihre Inhalte sind extrem vielfältig und ermöglichen praxisbezogenen Austausch und Wissenszuwachs.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir in dieser Woche ein Gespräch zwischen Dr. Blank und einem jugendlichen Patienten, der die notwendigen Medikamente für seine schwerwiegende Rheumaerkrankung vor einem halben Jahr eigenständig abgesetzt hatte. Als Grund gab er die für ihn nicht mehr tolerierbare Übelkeit als Nebenwirkung der Tabletten und die Abneigung gegenüber der regelmäßigen Applikation von Spritzen an. Diese Faktoren würden den langfristig therapeutischen Effekt auf rheumatische Gelenkbeschwerden überwiegen. Es hat mich nachhaltig beeindruckt, mit wie viel Geduld und Verständnis Dr. Blank im Beisein der Mutter die Konsequenzen dieser Entscheidung dem jungen Patienten nochmals vor Augen geführt, aber nie mit erhobenem Zeigefinger versucht hat, ihn zu bekehren bzw. umzustimmen. So wurde ich einmal mehr an den notwendigen Respekt vor individuellen Entscheidungen von Patientinnen und Patienten erinnert. Die Akzeptanz fiel mir zwar in diesem konkreten Moment zugegebenermaßen noch etwas schwer, aber die Herangehensweise leuchtete mir durchaus ein – Vorwurf und Druck würden vermutlich gerade in diesem Alter nur noch stärkeren Unmut und Widerstand hervorrufen.
Am Freitag Mittag fragte mich Dr. Blank, ob ich mit der Woche zufrieden sei und alle Patientinnen und Patienten guten Gewissens ins Wochenende entlassen habe können. Zufrieden bin ich in jedem Fall, aber dann durchzuckt mich ein kurzer Zweifel – nicht, dass doch ein abwendbar gefährlicher Verlauf durch die Lappen ging… Bei vielen Patientinnen und Patienten kann ich diesen Zweifel schnell ausräumen. Bei anderen bin ich zum jetzigen Zeitpunkt doch noch sehr froh, dass mein Gewissen durch ärztliche Supervision entlastet wird. Insofern freue ich mich nach einem ¼ meines ersten Tertials auf ein schönes Sommerwochenende und bin gespannt, was die neue Woche bringen wird.
Woche 5: 19.06. – 25.06.2023
In der vergangenen Woche kam man in den Praxisräumlichkeiten ob der sommerlichen Temperaturen ordentlich ins Schwitzen. Genau der richtige Anlass, um die Patientinnen und Patienten auf die Erkenntnisse aus der Hitzeschutzfortbildung hinzuweisen und ihnen den neu entworfenen Flyer mit dem „A und O an heißen Tagen“ und vielen praktischen Tipps für den Hitzeschutz im Alltag an die Hand zu geben. Insbesondere für ältere Patientinnen und Patienten ist Flüssigkeitsmangel in diesen Tagen extrem gefährlich. So suchte beispielsweise eine Dame Rat in der Sprechstunde, deren Mutter aufgrund einer Exsikkose sogar delirante Symptome entwickelt hatte und akut ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
In der Montagsbesprechung beschäftigten wir uns diese Woche mit der Thrombozytopenie und Thrombozytose. Dr. Machac erläuterte uns, was potenzielle Ursachen und Auswirkungen dieser Blutbildveränderungen sein können und wann im Rahmen des sog. Hämoblastose Programms an eine maligne Erkrankung gedacht werden muss.
Am Mittwochnachmittag begaben wir uns zudem in die urologische Praxis von Dr. Maurer nach Falkenstein. Dr. Maurer brachte uns dort die im allgemeinmedizinischen Setting relevanten urologischen Krankheitsbilder sowie die dazugehörigen Diagnose- und Therapieverfahren näher. Natürlich durfte in diesem Zusammenhang auch die obligatorische Diskussion über die umstrittene Aussagekraft des PSA-Wertes nicht fehlen.
Für diese Woche hatte ich mir die Erarbeitung einer strukturierten Herangehensweise an die Sichtung der Laborwerte vorgenommen. Jeden Tag erfolgen unzählige Blutabnahmen durch die MFAs in der Praxis. Gerade, wenn man die Anforderung der einzelnen Werte nicht selbst erstellt hat, war es für mich durchaus eine Herausforderung, die Auswertung zu kontextualisieren und vor diesem Hintergrund zu interpretieren. Handelt es sich um eine regelmäßige Kontrolle im Zuge der DMPs oder liegt der Verdacht auf einen akuten Infekt bzw. eine Entzündung zugrunde? Können bestimmte Laborwertveränderungen durch Medikamenteneinnahme bedingt sein oder erfordern sie ihrerseits eine Umstellung der Therapie beispielsweise durch Absetzen bestimmter Präparate bei Niereninsuffizienz oder Dosisanpassung der Hormonsubstitution bei Hypothyreose. Ich stelle abermals fest: auch hier eröffnet sich mir ein sehr weites und komplexes Feld – gerade unter Berücksichtigung von Multimorbidität, Polypharmazie und Co. Zur Vertiefung des Teilbereichs der DMPs mit Schwerpunkt Diabetes und KHK merke ich mir in jedem Fall vor, den diesbezüglich entsprechend geschulten Kolleginnen bei Gelegenheit noch genauer über die Schulter zu schauen.
In der kommenden Woche steht nun aber zunächst eine 3-tägige Hospitation in der orthopädischen Reha-Klinik Schaufling auf dem Programm, worauf ich schon sehr gespannt bin.
Woche 6: 26.06. – 02.07.2023
Diese Woche durften Andreas und ich eine dreitägige Hospitation in der orthopädischen Abteilung der Reha Klinik Schaufling verbringen. Oberarzt Dr. Buvar und seine Assistentin hatten ein buntes Programm für uns zusammengestellt, so dass wir den Fachbereich der Rehabilitation, welcher im Studium nur wenig Beachtung findet, besser kennenlernen konnten. Morgens fand von 8 bis 9 Uhr die Frühbesprechung statt, in welcher die tags zuvor neu aufgenommenen Patientinnen und Patienten besprochen wurden. Im Anschluss durften wir an verschiedenen Anwendungen teilnehmen: Elektrotherapie, Rückenschule, Arbeitstherapie, Koordinationstraining und vieles mehr. Allen gemeinsam war ein konservativer Therapieansatz mit dem Ziel, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowohl privater als auch beruflicher Natur wiederherzustellen. Chefarzt Dr. Czauderna erläuterte uns dies vor dem Hintergrund der ICF, welche in der rehabilitativen Medizin als Pendant zur ICD angewendet wird. Die International Classification of Functioning, Disability and Health deutet bereits in ihrem Namen darauf hin, dass in diesem Kontext nicht in Diagnosen, sondern in Funktionalitäten gedacht wird. In der Orthopädie spiegelt sich dies vor allem in Bezug auf den muskuloskelettalen Apparat wider. Zudem erinnerte ich mich dort immer wieder an das bio-psycho-soziale Modell, denn die Patientinnen und Patienten wurden nicht nur wegen etwaiger Gelenkprobleme behandelt, sondern erfuhren auf Wunsch auch psychologische und sozialdienstliche Betreuung. Am Nachmittag durften wir dann jeweils die Aufnahmegespräche und -untersuchungen durchführen. Die Patientinnen und Patienten – da fällt mir ein, eigentlich müsste man korrekterweise von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden sprechen – füllten bereits vorab einen Fragebogen aus, welcher dann nochmals ausführlich besprochen wurde. Im Anschluss erfolgte die körperliche Untersuchung:
- Inspektion: Ist das Muskelrelief gut ausgebildet? Gibt es äußerlich erkennbare Fehlstellungen? Liegen Schwellungen, Hämatome oder Narben vor?
- Palpation: Ist das Gelenk überwärmt? Gibt der Patient Druckschmerz oder Sensibilitätsstörungen an? Sind alle Pulse tastbar?
- Funktionstestung: Hat der Patient eine Kraftminderung? Liegt eine Einschränkung des Bewegungsausmaßes vor? (Die perfekte Gelegenheit, um das 1×1 der Orthopädie im Sinne der Neutral-Null Methode nochmals intensiv zu üben.)
Alle gewonnenen Erkenntnisse wurden schließlich in einem Arztbrief zusammengeführt, welcher in seiner endgültigen Form bei Entlassung als sozialmedizinisches Gutachten zu werten ist. Von besonderer Relevanz ist dies gegenüber der Rentenversicherung in Bezug auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit.
Für das Knie- und Schultergelenk im Speziellen führte Dr. Buvar mit uns einen separaten Untersuchungskurs einschließlich Gelenksonographie durch. Außerdem durften wir einer Orthopädietechnikerin bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen: Fersenkeil bei Beinlängendifferenz bis 1 cm, Einlagen, Schienen und Bandagen, Verbandsschuhe – eine breite Palette an Hilfsmitteln stand zur Auswahl.
Rückblickend empfand ich die Hospitation in Schaufling als sehr interessante und lehrreiche Zeit. Das gesamte Team war sehr aufgeschlossen und engagiert, sodass wir in der Kürze der 3 Tage einen vielfältigen ersten Eindruck vermittelt bekamen.
Von Donnerstag auf Freitag stand für mich dann noch ein besonderes Highlight auf dem Programm: meine erste Nachtschicht. Ich durfte Dr. Kalmancai bei seiner Arbeit als Notarzt begleiten. Kaum hatte ich eine kurze Einweisung in die Ausstattung des Einsatzfahrzeugs erhalten, kam es auch schon zu unserem ersten Einsatz: Sturz vom Baum aus über 3m Höhe – eine Schockraumindikation, wie ich sogleich lernen durfte. Glücklicherweise war die Patientin kreislaufstabil und zeigte keine neurologischen Ausfallerscheinungen. Nach einem ersten Bodycheck und der Verabreichung von Fentanyl zur Linderung der Schmerzen wurde sie mit dem Spineboard nach draußen transportiert und dort auf die Vakuum-Matratze umgebettet – besonders wichtig bei der Lagerung von Patienten vor allem nach Trauma: der Kopf gibt Kommando. Dann ging es mit dem Rettungswagen ins Klinikum, wo die Patientin vor allem mit bildgebender Diagnostik zur Abklärung von Frakturen und inneren Verletzungen untersucht werden sollte. Ich war aus der Perspektive des Beobachters schon allein mit der Erfassung all dieser Abläufe gut beschäftigt, geschweige denn, dass ich in gewinnbringender Form aktiv hätte partizipieren können. Umso mehr beeindruckte es mich, dass in einer solchen Notfallsituation im wahrsten Sinne des Wortes von den Kolleginnen und Kollegen auch noch tatsächlich Lehre betrieben wurde: parallel zur laufenden Versorgung der Patientin wurden mir die Medikationen, das Monitoring, die Dokumentation und die strukturellen Abläufe zur Einlieferung in die Notaufnahme erläutert. Ich versuchte, all diese Informationen vor dem Hintergrund meines studentischen Wissens bestehend aus ABCDE-Schema, Glasgow Coma Scale und glücklicherweise nicht benötigtem Reanimationsalgorithmus einzuordnen. Mitten in der Nacht dann ein weiterer Einsatz: Patient mit akuter Dyspnoe – aufgrund des Alters mit einigen Vorerkrankungen und einer ansehnlichen Liste an Medikamenten. Die Ehefrau berichtet von Fieber am Vorabend. So kristallisiert sich der Verdacht auf eine Pneumonie mit kardialer Dekompensation heraus. Unter Sauerstoff, Salbutamol und Atrovent bessert sich die Sauerstoffsättigung langsam. Zudem wird dem Patienten Furosemid verabreicht und nicht zu vergessen Morphin, um die extrem belastenden Erstickungsängste zu lindern. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist dem Patienten sichtlich anzumerken, wie anstrengend und erschöpfend diese vermehrte Atemarbeit trotz bereits erfolgter medikamentöser Behandlung ist – für mich ein sehr eindrücklicher internistischer Notfall.
Aus der Besorgnis heraus, womöglich eine Alarmierung zu verpassen, habe ich in dieser Nacht natürlich nicht besonders viel und gut geschlafen. Dennoch bin ich selbst überrascht, dass die Sprechstunde am Freitagvormittag ohne größere Ermüdungserscheinungen vonstattengeht. Ich durfte sogar eigenhändig ein Muttermal exzidieren und anschließend nähen. Zum Abschluss noch ein letzter Hausbesuch, bevor eine sehr ereignisreiche 6. Woche meines Allgemeinmedizin-Tertials zu Ende geht.
Woche 7: 03.07. – 09.07.2023
Der Blick in den Kalender sagt mir, dass wir inzwischen den Monat Juli schreiben. Für den Praxisalltag bedeutet dies den Beginn eines neuen Quartals. Für mich ganz persönlich bedeutet es hingegen das Ende meiner bereits 7. Woche hier im Bayerischen Wald – unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht.
In der vergangenen Woche habe ich sehr viel Zeit mit dem Ultraschall verbracht und langsam stellt sich eine gewisse Routine ein. Die Umstellung vom Quer- zum Längsschnitt über einem Schilddrüsenknoten klappt immer flüssiger, die Vermessung der Pfortader und des Gallengangs gelingt immer genauer und auch von Pankreas oder Aortenabgängen erhasche ich immer häufiger eine adäquate Darstellung. Zum ersten Mal ist mir letzte Woche ein einseitig gestautes Nierenbecken begegnet – ein eindrückliches Bild, das von den bisherigen Normalbefunden deutlich abwich und mir sicher im Gedächtnis bleiben wird. Passend zum sonographischen Schwerpunkt dieser Woche erhielten wir beim Teaching am Mittwochnachmittag eine Einführung in die Echokardiographie. Chefarzt Prof. Dr. Buchner aus der kardiologischen Abteilung des Sana Klinikums Cham gab uns zunächst einige theoretische Hintergrundinformationen zur Darstellung der Vorhöfe und Ventrikel in Bezug auf die verschiedenen Schnittebenen. Im Anschluss durften wir uns selbst an der Echokardiographie versuchen. Die erste Herausforderung lag darin, die richtige Position auf der Brustwand zu finden, um das gewünschte Blickfenster auf das Herz einzustellen. Im nächsten Schritt galt es dann, diese Position möglichst exakt zu halten, um zum Beispiel Flussmessungen über den einzelnen Herzklappen durchführen zu können. Ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen und vor allem eine sichere Auge-Hand-Koordination scheinen mir hier noch wichtiger zu sein als beim Sono Abdomen oder Schilddrüse, zumal sich das Herz ungleich mehr bewegt als alle übrigen Organe. Ich bin wirklich begeistert von der Feinheit der Strukturen und von der Ästhetik der Bewegung. Prof. Buchner wies allerdings explizit darauf hin, dass dies der glückliche Fall von jungen, gesunden Patientinnen sei. Im Krankenhausalltag biete sich ansonsten häufig ein anderes Bild. Die Echokardiographie wird vornehmlich zur Diagnostik von Wandbewegungsstörungen und Klappenvitien genutzt. Außerdem lassen sich auch Flüssigkeitsansammlungen wie bei einem Perikarderguss, entzündliche Veränderungen wie bei einer Endokarditis oder thrombotische Ansammlungen im Rahmen eines Vorhofflimmerns sehr präzise identifizieren.
Zum Ende des Teachings berichtete uns Prof. Buchner noch bereitwillig und detailliert, welche Erwartungen er seinerseits als Chefarzt im Hinblick auf theoretisches Wissen und praktische Fähigkeiten an Bewerberinnen und Bewerber für eine Assistenzstelle hegt. Als unmittelbares Barometer für Fortschritte innerhalb der ersten Wochen und Monate nennt er das Dienstende, welches sich doch mit zunehmender Routine merklich nach vorne verlagern sollte. Abschließend gibt Prof. Buchner uns noch den Tipp, sich nach einem langen Tag nicht einfach klammheimlich in den Feierabend zu verabschieden, sondern sicherheitshalber nochmals auf Station vorbeizuschauen – auch auf die Gefahr hin, dass man dann doch zum Beispiel noch eine Braunüle legen müsse, würde es wertvolle Sympathiepunkte im Hinblick auf die kollegiale Zusammenarbeit insbesondere mit der Pflege einbringen.
Eine besondere Erfahrung durfte ich zudem diese Woche machen, als ich Dr. Kalmancai in der Mittagspause zu einer Leichenschau begleitet habe. Eine langjährige Patientin war im Alter von 92 Jahren verstorben. Dr. Kalmancai erzählte mir, dass er 2 Tage zuvor noch zum Hausbesuch bei ihr gewesen sei und bereits den Eindruck gewonnen hatte, dass sie sich in einer finalen Phase befinde. Er habe dies auch mit den Angehörigen besprochen und gemeinsam wurde basierend auf dem Willen der Patientin die Entscheidung getroffen, sie nicht mehr etwa zur Ergreifung fraglich lebensverlängernder Maßnahmen ins Krankenhaus einzuweisen, sondern sie unter entsprechender medizinischer Betreuung zu Hause im Kreise der Familie während ihrer letzten Stunden zu begleiten. Für mich war dies ein durchaus beeindruckender Entschluss. Ich hatte das Gefühl, dass die Angehörigen natürlich traurig darüber waren, ihre Mutter, Schwiegermutter oder Oma verloren zu haben, aber zufrieden damit wirkten, auf diese Weise von ihr Abschied nehmen zu können.
Woche 8: 10.07. – 16.07.2023
Die vergangene Woche habe ich hauptsächlich bei Dr. Kalmancai in Auerbach verbracht. In der Sprechstunde gab es wieder eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten zu versorgen und zusätzlich haben wir auch einige Hausbesuche absolviert. Außerdem durfte ich erneut im Notarztdienst hospitieren und tatsächlich kam mir die Beschreibung der nächtlichen Alarmierung mit akuter Dyspnoe bei COPD aus der ersten Schicht bereits bekannt vor, sodass ich mich über einen kleinen erkennbaren Lerneffekt im Hinblick auf die medikamentöse Versorgung der Patientin freute.
Am Mittwochnachmittag hatten wir einen sehr informativen Vortrag von Frau Dr. Prasser, Chefärztin des Zentrums für Psychiatrie in Cham. Nach einem allgemeinen Überblick über verschiedene psychische Erkrankungen und deren epidemiologische Relevanz legte sie den Fokus insbesondere auf den Umgang mit Depressionen im hausärztlichen Setting. Hierzu lernten wir das WHO 5 Punkte Screening kennen und Frau Dr. Prasser zeigte uns, wie die diagnostischen Haupt- bzw. Nebenkriterien einer Depression je nach Schweregrad in sinnvolle Fragestellungen an den Patienten umformuliert werden können. Außerdem klärte sie über organische Differentialdiagnosen einer depressiven Symptomatik auf und stellte uns die Depression als Post-Infarkt oder Post-Stroke Komplikation vor. Die Corona Pandemie hatte zudem gezeigt, dass auch virale Infektionen in hohem Maße derartige psychische Folgen nach sich ziehen können. Frau Dr. Prasser gab uns darüber hinaus die STOP-Regel an die Hand, welche die Entscheidung über eine stationäre Einweisung erleichtern soll. Im Zuge dessen sprach sie uns auch nochmals Mut zu, das für Suizidalität stehende S offen anzusprechen und die verschiedenen Ausprägungsformen konkret abzufragen. Für die Orientierung im Wirrwarr der Antidepressiva erläuterte sie uns die symptomorientierte Verordnung anhand des rezeptorbezogenen Wirkprofils. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie wurde außerdem auf die Relevanz eines multimodalen Ansatzes allem voran in Kombination mit Psychotherapie verwiesen. Insgesamt eröffnete uns Frau Dr. Prasser ein äußerst hilfreiches und vor allem praxisbezogenes Teaching zu einem zumindest für mich persönlich mangels Erfahrungen noch sehr heiklen Themengebiet.
Zwei Fälle sind mir aus der Praxis in der vergangenen Woche besonders im Gedächtnis geblieben. Beiden gemeinsam ist der potenzielle Zusammenhang mit einer Krebsdiagnose – insofern für mich zwei geeignete Lehrstücke zur strukturierten Abklärung eines abwendbar gefährlichen Verlaufs.
Gleich zu Beginn der Woche stellte sich ein Patient mit diffusen Symptomen, bestehend aus allgemeiner Müdigkeit/Abgeschlagenheit, Gelenkschmerzen und Gewichtsverlust von 6 kg in den letzten 3 Wochen vor. Außerdem beschrieb er einen neu aufgetretenen Hautausschlag. Bei der Inspektion des Integuments fiel eine Art subkutane Maserung auf. Lokale Entzündungszeichen in Form von Schwellung, Rötung oder Überwärmung ließen sich an den Gelenken nicht feststellen. Subjektiv führte der Patient seine Beschwerden auf einen Insektenstich am Schienbein zurück, welcher nach wie vor noch eine leichte Verhärtung aufwies. Allergien seien keine bekannt, die Raucheranamnese erwies sich mit etwa 40 pack years als positiv. Vor dem Hintergrund des rapiden Gewichtsverlusts wurde die Frage nach weiteren B-Symptomen verneint. Noch am selben Tag wurde eine Blutabnahme durchgeführt und der Patient für den übernächsten Tag zur CheckUp Untersuchung einbestellt. Die Laborwerte ergaben keine Auffälligkeiten und auch die klinische Untersuchung sowie das Sono von SD und Abdomen blieben vorerst ohne pathologischen Befund. Auf eigenen Wunsch des Patienten sollte nunmehr eine FSME Grundimmunisierung begonnen werden, sobald sich seine grundlegende Konstitution etwas gebessert habe. Zur akuten Behandlung der Gelenkbeschwerden wurde der Versuch einer Cortison Stoßtherapie eingeleitet. Da der Patient auf genauere Nachfrage angab, nur sehr unregelmäßig zu essen und trotz der gegenwärtigen Hitzeperiode außer Kaffee kaum etwas zu trinken, wurde ihm außerdem eine regelmäßige Nahrungsaufnahme und die Zufuhr von ausreichend Flüssigkeit, am besten Wasser nahegelegt. Mit der Bitte um zeitnahe Wiedervorstellung sollte die weitere Entwicklung zunächst engmaschig beobachtet werden, bevor weitere diagnostische Schritte wie etwa eine CT-Aufnahme zur Abklärung eines Lungen CA eingeleitet werden.
Am Mittwoch wurde zudem eine Dame mit schmerzlosem Ikterus vorstellig. Die perfekte Gelegenheit, um potenzielle Differentialdiagnosen dieses Beschwerdebildes zu wiederholen. Als hilfreich erwies sich dabei die Erinnerung an die Einteilung in prä-, intra- und posthepatische Ursachen eines Ikterus. Ich bemerkte allerdings, dass die Flexibilität meiner differentialdiagnostischen Überlegungen durch die maligne Übermacht in meinen Gedanken, allen voran Pankreaskopf CA, deutlich getrübt wurde. Dr. Kalmancai führte ein Sono Abdomen durch. Bei eingeschränkter Beurteilbarkeit wegen hochgradiger Adipositas konnten zunächst insbesondere im Bereich von Pankreas und Leber keine besorgniserregenden Auffälligkeiten festgestellt werden. Da die Patientin einer Krankenhauseinweisung eher kritisch gegenüber stand, sollte eine Blutabnahme bis zum nächsten Tag weitere Erkenntnisse liefern. Wie zu erwarten waren Bilirubin und Leberwerte stark erhöht. Mit den Laborwerten als Argument konnte die Patientin nunmehr von der Dringlichkeit einer Krankenhauseinweisung überzeugt werden.
Ich bin gespannt, wie sich die beiden Fälle weiter entwickeln und versuche, mich in der Zwischenzeit gedanklich auf weniger schwerwiegende Diagnosen zu besinnen.
Woche 9: 17.07. – 23.07.2023
Gleich zu Beginn der vergangenen Woche wurde es für mich insofern aufregend, als dass ich meine ersten zwei „eigenen“ Hausbesuchspatienten kennen lernen durfte. Dr. Blank stellte uns gegenseitig vor und kündigte an, dass ich für den Rest meines Tertials nun wöchentlich bei Ihnen vorbei schauen würde. Im Zuge dessen unterhielten wir uns auch nochmals über den besonderen Wert der regelmäßigen Hausbesuchstouren, bei denen neben den medizinischen Bestandsaufnahmen vor allem auch die soziale Interaktion mit den Patienten und ihrem familiären Umfeld eine wichtige Rolle spielt. Hinter dem Gespräch mit der alten Dame, bei welchem Dr. Blank ihre Hand hielt, glaubte ich zum Beispiel eben diese zweierlei Komponenten beobachten zu können: zum einen ging es darum, was die Patientin subjektiv über ihr aktuelles Befinden berichtete – zum anderen konnte Dr. Blank zeitgleich quasi unbemerkt ihren Puls als relevanten objektiv klinischen Indikator tasten. Es war wirklich beeindruckend, wie viel Freude und Dankbarkeit die Menschen in diesem Fall Dr. Blank ob seines Besuchs entgegenbrachten – sicherlich ein Faktor, der die hausärztliche Tätigkeit im Speziellen auszeichnet. Ich freue mich also schon sehr auf diese neue verantwortungsvolle Aufgabe!
Vor dem Hintergrund der damit verbundenen einprägsamen sonographischen Befunde sind mir vor allem 2 Patientenfälle der letzten Woche im Gedächtnis geblieben:
> Gleich am Montag stellte sich ein Patient vor, der von sich aus die Verdachtsdiagnose eines Leistenbruchs äußerte. Er habe seit dem Wochenende Schmerzen und eine merkliche Vorwölbung im Bereich der linken Leiste beobachtet. Selbiges kenne er bereits von der Gegenseite, wo eine operative Versorgung mittels Netzeinlage erfolgte. Sowohl im Liegen als auch im Stehen jeweils mit deutlicher Verstärkung bei Erhöhung des intraabdominellen Drucks durch Husten ließ sich der Befund einer Herniation objektivieren. Neben der klinischen Untersuchung eröffnete sich mir zudem die Gelegenheit eines Ultraschalls und es zeigte sich das sehr eindrückliche Bild einer Bruchpforte mit hindurchtretender, peristaltisch aktiver Darmschlinge. Dr. Blank entschied sich zusammen mit dem Patienten für eine Überweisung in die Chirurgie aufgrund des akut schmerzhaften Beschwerdebildes.
> Am Donnerstag kam ein Patient zur Kontrolle seiner Schilddrüse bei bekanntem M. Basedow. Zwar lag keine ausgeprägte Hypervaskularisation vor, doch zeigte sich bei einem mutmaßlichen allein linksseitigen Drüsenvolumen von 30ml ein enormer Knoten von etwa 4 x 3,5 x 3 cm. Die Vermessung gestaltete sich bei räumlicher Ausdehnung bis unter die Clavicula äußerst schwierig. Für mich blieb es bei diesem Befund absolut erstaunlich, dass der Patient weder ein Druckgefühl noch Dysphagie oder Atembeschwerden angab. In diesem Zusammenhang war für mich darüber hinaus das anschließende Gespräch zwischen Frau Dr. Kleudgen und dem Patienten gerade ob seines frustranen Ausgangs aufschlussreich. Frau Dr. Kleudgen erklärte dem Patienten wohl schon zum wiederholten Male, dass das in seinem Falle notwendige Medikament vor allem bei derart langfristiger Einnahme ein durchaus riskantes Nebenwirkungsprofil aufweisen würde – ich erinnerte mich an die zwar seltene, aber sehr gefährliche Agranulozytose unter Carbimazol Gabe. Der Patient hielt seinerseits dagegen, dass er das Medikament eben nun schon so lange einnehme und nach wie vor keine Komplikationen aufgetreten seien – weshalb er die ebenfalls wiederholte Empfehlung zur Durchführung einer OP oder bei glücklicherweise euthyreoter Stoffwechsellage zumindest einer Radioiodtherapie abermals strikt ablehnte. Nichtsdestotrotz galt es nun, den Willen des Patienten zu akzeptieren und immerhin einen Termin zur nächsten Blutbildkontrolle zu vereinbaren.
Ein weiteres sehr lehrreiches Teaching erhielten wir wieder am Mittwochnachmittag: dieses Mal ging es um „schwierige Patient*innen“. Frau Dr. Weinhold gab uns viele hilfreiche Tipps sowohl in Bezug auf die allgemeine (haus-)ärztliche Tätigkeit als auch in Bezug auf den speziellen Umgang mit einzelnen Patientinnen und Patienten. Es wurden Aspekte wie Zeitmanagement, Rollenbilder, Schutz vor Gegenübertragung von Emotionen, Gefahr der iatrogenen Chronifizierung und vieles mehr thematisiert. Frau Dr. Weinhold plauderte aus dem Nähkästchen bzgl. ihrer eigenen Erfahrungen mit Patientinnen und Patienten in ihrer Praxis; sie berichtete von lehrreichen Ratschlägen, die sie selbst bei verschiedenen Fortbildungen oder im Rahmen ihrer Balint Gruppe erhalten hatte und sie ermutigte uns vor allem auf unserem Weg zur Findung „einer Art Freundschaft“, wie sie die Beziehung zwischen Arzt und Patient bezeichnete.
Woche 10: 24.07. – 30.07.2023
Ich kann es selbst kaum glauben, inzwischen bin ich bei meinem 10. Wochenbericht angekommen – sozusagen ein „Runder“. Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht. Die Arbeit im Team sowie der Umgang mit den Patientinnen und Patienten machen mir unheimlich viel Spaß. Zudem merke ich, wie sich langsam aber sicher gewisse routinierte Abläufe etablieren. Meine Anamnesen weisen immer mehr Struktur und immer weniger Lücken auf, auch die Verlässlichkeit der Befunderhebung in der körperlichen Untersuchung wächst. Außerdem nimmt die Übereinstimmung zwischen meinen eigenen Überlegungen und dem tatsächlichen diagnostischen und therapeutischen Vorgehen stetig zu. Kurzum: die Lernkurve steigt kontinuierlich.
In der vergangenen Woche standen meine ersten beiden selbständigen Hausbesuche auf dem Programm. Bei der ersten Patientin gab es keine Besonderheiten. Aber der zweite Patient hielt sogleich eine herausfordernde Überraschung für mich bereit: er hatte sich auf dem Boden eines nach antibiotischer Therapie gerade in Abheilung befindlichen Erysipels eine Kratzwunde zugezogen. Die Ehefrau hatte die Wunde zwar mit einem Verband abgedeckt, dieser war allerdings völlig durchnässt und mit dem Untergrund verklebt. Bei diversen vorbestehenden Risikofaktoren im Hinblick auf Wundheilungsstörungen und der erschwerenden Tatsache, dass mit der unzureichenden Wundversorgung zudem seit 3 Tagen keine Kompressionsstrümpfe mehr angelegt werden konnten, beschloss ich, die Wunde zu fotodokumentieren und mit einer der Wundmanagerinnen zu besprechen. Ich traf sie glücklicherweise trotz Mittagspause noch in der Praxis an und wir entschieden gemeinsam das weitere Vorgehen: geeignetes Verbandsmaterial wurde rezeptiert, die Ehefrau hinsichtlich der Durchführung des korrekten Verbandwechsels instruiert und statt der Kompressionsstrümpfe sollte vorübergehend eine Wicklung mit elastischen Binden erfolgen. Ich bin gespannt, wie sich die Wunde übers Wochenende bis zu meinem nächsten Besuch entwickeln wird. Da der Patient außerhalb des Hauses kaum mobil ist, somit nicht in die Praxis kommen kann und der reguläre Hausbesuchsturnus ihn normalerweise erst in 2 – 3 Wochen wieder vorgesehen hätte, hatte sich sozusagen meine Feuertaufe gleich für beide Seiten ausgezahlt.
Es ist mit Sicherheit ein Luxus, praxisintern auf derart spezialisierte Fachkräfte zurückgreifen zu können. Insofern versuche ich mir von ihnen in jedem Fall die Grundprinzipien einer korrekten Wundversorgung anzueignen. So habe ich beispielsweise gelernt, dass hauptsächlich zwei Formen des Debridements angewendet werden: einerseits die chirurgische und andererseits die autolytische Entfernung von nekrotischen oder fibrinösen Belägen zum Zwecke der Sanierung des Wundbettes. Eindrücklich blieb mir dies anhand eines Patienten im Gedächtnis, dem wegen eines Mundbodenkarzinoms ein Stück der Fibula zum Zwecke der Verpflanzung des Knochenmaterials in den Unterkiefer entnommen wurde. Leider blieb der erfolgreiche primäre Wundverschluss aus. Dank der Wundmanagerinnen konnte der Patient trotz seines Befundes unter engmaschigen Kontrollen ambulant geführt werden. Für den Patienten bedeutete dies angesichts seiner schwerwiegenden malignen Grunderkrankung ein erhebliches Stück Lebensqualität – wieder ein beeindruckender Beweis für den besonderen Wert der Allgemeinmedizin.
Am Freitagmittag um kurz vor 12 Uhr kam schließlich noch ein Patient, vermeintlich nur, um seine Krankschreibung vor dem 2-wöchigen Urlaub der Auerbacher Praxis verlängern zu lassen. Ich befragte ihn nach seinem aktuellen Befinden. Zunächst berichtete er mir lediglich über die fortbestehende muskuloskelettale Schmerzsymptomatik, einhergehend mit psychischer Belastung am Arbeitsplatz. Einem Impuls folgend erkundigte ich mich explizit, ob ansonsten neuerliche Beschwerden aufgetreten seien. Daraufhin erzählte mir der Patient etwas zögerlich von Schwindel und Atemnot bei bereits leichter körperlicher Belastung seit nunmehr einer Woche. Er beschrieb ein diffuses Unwohlsein und erwähnte, dass ihn dieses Gefühl an eine Episode vor einigen Jahren erinnere, bei welcher schlussendlich in der Notaufnahme Vorhofflimmern diagnostiziert wurde. Es sei damals eine erfolgreiche Kardioversion durchgeführt und daher keine medikamentöse Dauertherapie eingeleitet worden. In der klinischen Untersuchung schien die Lunge frei, allerdings fiel mir bei der Auskultation des Herzens ein deutlich beschleunigter und unregelmäßiger Herzschlag auf. Zusammen mit Dr. Kalmancai entschieden wir uns für ein EKG: der Befund zeigte eine Tachyarrhythmia absoluta mit fehlenden P-Wellen, wodurch sich unser Verdacht eines erneuten Vorhofflimmerns bestätigte. Der Patient wurde umgehend ins Krankenhaus eingewiesen. Die Medizinerin und die Musikerin in mir freuten sich, dass auf mein Gehör offenbar Verlass war und ich startete zufrieden ins Wochenende.
Woche 11: 31.07. – 06.08.2023 / Woche 12: 07.08. – 13.08.2023
Die letzten beiden Wochen waren mit zwei externen Hospitationen, dem Einsatz an zwei verschiedenen Praxisstandorten (Lalling + Schöfweg) und Hausbesuchen sehr ereignisreich.
Die erste Hospitation verbrachte ich bei Herrn Dr. Werner in Regen, Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie im MVZ Arberland. Dr. Werner behandelt dort ein breites Spektrum an internistischen Erkrankungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Schlafapnoe Syndrom sowohl im Sinne der ambulanten Diagnostik mittels Polygraphie als Vorstufe zur Polysomnographie im Schlaflabor als auch im Sinne der Therapie durch die nächtliche Versorgung mittels CPAP Maske. Sehr häufig kommt darüber hinaus als diagnostisches Instrument bei kardiologischen Fragestellungen das Herzecho zum Einsatz – die ideale Gelegenheit zur Vertiefung der Inhalte des entsprechenden Teachings in Cham vor ein paar Wochen. Der psychotherapeutische Hintergrund von Dr. Werner spiegelte sich in seiner gesamten Gesprächsführung wider – sein warmherziger und verständnisvoller Umgang mit den Patientinnen und Patienten beeindruckte mich sehr. Dr. Werner bestätigte mir, dass der Anteil an psychischen oder psychosomatischen Krankheitsbildern stetig zunehme. In diesem Zusammenhang sprachen wir auch über die Herausforderungen im ärztlichen Umgang mit funktionellen Störungen, welchen im Gegensatz zu strukturellen Störungen kein morphologisch detektierbares Korrelat zugrunde liegt. Insofern sind die beschriebenen Symptome nicht durch Veränderungen etwa in Labor oder Bildgebung erklärbar und somit durch therapeutische Ansätze sehr schwer adressierbar, die Patientinnen und Patienten medizinisch insgesamt häufig schwer führbar. Ich bin äußerst dankbar, von Dr. Werners reichem Erfahrungsschatz im Zuge dieser Hospitation profitiert haben zu dürfen.
Die zweite Hospitation war in der Praxis für plastische bzw. ästhetische Chirurgie und Handchirurgie bei Frau Dr. Ishida-Gück in Plattling – für mich insofern ein Novum, als dass ich zum ersten Mal die chirurgische Tätigkeit in der Niederlassung erleben durfte. Frau Dr. Ishida-Gück erklärte mir das speziell in der Handchirurgie angewendete Anästhesieverfahren WALANT (wide awake local anasthesia no tourniquet), welches unter Zusatz von niedrigdosiertem Adrenalin zum Lokalanästhetikum eine Vasokonstriktion vermittelt. Somit wird neben der lokalen Betäubung im OP Gebiet gleichzeitig eine periphere Ischämie erwirkt, was den operativen Eingriff durch gebesserte Sichtverhältnisse bei weniger Blutverlust erheblich erleichtert und vom Patienten wesentlich problemloser toleriert wird als ein Stauschlauch am Oberarm. Häufige handchirurgische Beschwerdebilder sind vor allem das Karpaltunnelsyndrom, die Dupuytren Kontraktur sowie der sog. Schnappfinger bedingt durch eine Tendovaginitis stenosans. Darüber hinaus wird auch eine Vielzahl von dermatologischen Erscheinungsbildern operativ behandelt. Sind die Läsionen klein, können sie mit einer spindelförmigen Exzision entfernt und einander gegenüberliegende glatte Wundränder unmittelbar adaptiert bzw. miteinander vernäht werden. Zur Deckung größerer Defekte hingegen sind ausgefeilte Schnittführungen oder gar Hauttransplantationen notwendig. Frau Dr. Ishida-Gück verriet mir außerdem, wann bzw. wie eine Narbe „schön“ werde – insofern besonders relevant, als dass die Qualität der chirurgischen Intervention von Seiten des Patienten allein an der Optik dieses äußerlich erkennbaren Relikts bemessen werde. Mindestens genauso wichtig wie das Operieren an sich sei gerade in der chirurgischen Niederlassung die Nachsorge im Hinblick auf Verbandstechniken und Wundkontrollen. Jeder handchirurgische Patient wurde zudem mit der Devise „Hochlagern und bewegen“ entlassen, was der Vorbeugung von Schwellungen und der frühfunktionellen Mobilisation dienen soll. Frau Dr. Ishida-Gück appellierte insofern an die aktive Beteiligung der Patientinnen und Patienten an ihrer Gesundung und warnte umgekehrt vor der Erwartungshaltung, ohne eigenes Zutun passiv durch die Ärzteschaft gesund gemacht zu werden.
Der Hausbesuchspatient mit der Kratzwunde auf dem Boden eines Erysipels wartete bei meinem zweiten Besuch nunmehr mit flächiger Krustenbildung im Wundgebiet und weiterhin immens ödematös geschwollenen Beinen auf. Neu hinzu kam eine prall gefüllte Blase an der Ferse, welche sich spontan eröffnete und klare Flüssigkeit sezernierte – vermutlich eine Folge der enormen punktuellen Druckbelastung bei überwiegender Immobilisation im Rollstuhl. Ich erinnerte mich daran, dass eine der Wundmanagerinnen mir eingeschärft hatte, Krusten so weit als möglich vorsichtig zu entfernen, da sie ansonsten die intrinsische Säuberung der Wunde behindern und somit unter ihrer Oberfläche Eiterbildung begünstigen würden. Gedacht, getan hieß es also und ich freute mich ein weiteres Mal über den sichtbaren Zuwachs an praktischen Fähigkeiten, was hoffentlich in diesem konkreten Fall die Wundheilung unterstützen und meinem Hausbesuchspatienten zu einer Besserung seines Befunds verhelfen wird.
Woche 13: 14.08. – 20.08.2023 / Woche 14: 21.08. – 27.08.2023
Die letzten beiden Wochen glichen einer Abschiedstour durch die einzelnen Praxen. Dabei wurde mir erneut bewusst, wie viele verschiedene Personen in den unterschiedlichsten Funktionen an diesem Gesamtkonstrukt der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald beteiligt sind. Ich erinnere mich in Zusammenhang damit an das 25-jährige Praxisjubiläum von Dr. Blank im Juli, bei welchem er die Entwicklungsgeschichte hat Revue passieren lassen. Unzählige Zahnräder müssen nahtlos ineinander greifen, damit der Praxisbetrieb Tag für Tag läuft – und wenn es doch an der ein oder anderen Stelle einmal klemmt, muss schnellstmöglich eine Lösung gefunden werden. Als Praxisinhaber ist man plötzlich nicht mehr nur Arzt, sondern auch Unternehmer. Man muss sich mit Fragen der Personalführung sowie der Buchhaltung auseinandersetzen. Und man muss vor allem auch eine Position als Chef gegenüber sich selbst und gegenüber den Mitarbeitern finden. Damit wären wir wieder beim persönlichen Umgang mit den Menschen, der dann schlussendlich natürlich in den unmittelbaren Patientenkontakt mündet. Die Erkenntnis, dass der Teamgeist und damit das Arbeitsklima geprägt von Respekt, Wertschätzung und Kollegialität hier einen wohl einzigartigen Charakter aufweisen, wird sich vermutlich mit meiner Rückkehr in den oftmals eher barschen Umgangston der internistischen Station oder des chirurgischen OPs einer Uniklinik nachhaltig manifestieren. Ich bin sehr dankbar, in den letzten Wochen ein kleiner Teil dieses großen Gefüges gewesen sein zu dürfen. Ich habe menschlich und fachlich wahnsinnig viel gelernt. Dr. Blank nannte es bei unserem Abschlussgespräch den Zuwachs an Wissen und an Fähigkeiten, welche im Idealfall Hand in Hand gehen. Auch ohne nennenswerte ökonomische Kenntnisse meinerseits kann ich in jedem Fall festhalten, dass die Bilanz meines Allgemeinmedizin Tertials durchweg positiv ausfällt: ich denke an die Sprechstunden in den verschiedenen Praxen, an die Hausbesuche, Teachings, Fallbesprechungen, Journal Clubs, Hospitationen, Notarztdienste und so vieles mehr. Es wird noch einige Zeit dauern, bis ich die Erlebnisse verarbeitet habe und möglicherweise wird mir auch vieles in seiner tatsächlichen Bedeutung erst in einigen Wochen, Monaten oder gar Jahren bewusst. In jedem Fall aber nehme ich ein mit vielen Fakten gefülltes Notizbuch und einen mit noch viel mehr Erinnerungen gefüllten Kopf bzw. gefülltes Herz mit nach Hause.
Vielen lieben Dank nochmals an das gesamte Praxisteam, dass ich hier wieder so herzlich aufgenommen wurde, dass ihr mich auf meinem Weg zum Ärztin-sein begleitet habt, dass ihr mich unterstützt und ermutigt habt, dass ihr mich gleichermaßen gefordert und gefördert habt, dass ihr mich erstaunt habt, dass ihr mich begeistert habt, dass ihr mich schockiert, fasziniert und inspiriert habt – kurz um, dass ihr mir eine in jeglicher Hinsicht wunderbare, unvergessliche Zeit hier im bayerischen Wald beschert habt. Wie ich schon in meinem ersten Wochenbericht vermutet hatte, hat sich die vielversprechende Prognose meines PJ Tertials in der Allgemeinmedizin durchweg bewahrheitet. Es war ein fulminanter Verlauf mit für mich persönlich überwältigendem Outcome.
Hauptstandort Kirchberg
Am Alten Sportplatz 3
94259 Kirchberg
Tel: 09927 441
info@praxis-bayerwald.de