
Julia Aicher
Praktisches Jahr
18.11.2019 – 08.03.2020
Woche 1: 18. – 22.11.2019
Nachdem ich bereits im März diesen Jahres am Exzellenten Winter 2019 teilnehmen durfte und noch nie eine so tolle Famulatur gehabt hatte, entschied ich mich, mein PJ-Wahltertial auch im Bayrischen Wald zu verbringen, in der Hoffnung weiterhin auf so viele offene Arme, Unterstützung und gute Lehre zu treffen.
Ich war sehr überrascht, als ich erfuhr, dass wir PJ-ler in einer extra für Studenten angemieteten Studentenwohnung unterkommen können. Und was für Wohnungen! Nach all den Jahren des Studiums und diversen kleinen WG-Zimmern in München konnte ich mein Glück kaum fassen – hier wartete ein richtiges Zuhause auf mich!
Den Dorfhund “Lucky” lernte ich auch gleich kennen, der mir täglich mindestens ein Mal “Hallo” sagt und mir meine erste Woche damit umso mehr versüßt hat.
Am Montagmorgen empfing mich Dr. Blank wie gewohnt herzlich und nahm mich in die frisch zu den anderen vier Praxen gestoßene Praxis in Auerbach mit. Auch das Team der Sprechstundenhelferinnen empfing mich freundlich und immer bereit, mir bei der Eingewöhnung zu helfen und mir die ganzen Kniffs und Tricks im Praxisalltag zu zeigen.
Im Laufe der ersten Woche durfte ich außerdem bereits einen Großteil des Ärzteteams kennenlernen, die mich allesamt herzlich begrüßten und sich alle Mühe gaben, mich in den Praxisalltag mit einzubeziehen und mir dabei auch etwas beizubringen.
Während ich in dieser Woche bereits gefühlt mehr Patienten gesehen habe als ich zählen kann, bleiben doch einige im Gedächtnis und beschäftigen mich schon jetzt immer wieder. Besondere Highlights waren für mich beispielsweise eine Impfberatung bei Autoimmunerkrankung und geplanter Auslandsreise, ein Hausbesuch gemeinsam mit der praxiseigenen Diabetes-Fachkraft und eine Gesundenuntersuchung beim Kind.
Beeindruckt war ich von den regelmäßigen Themen- und Fallbesprechungen, die innerhalb des Praxisverbunds praxisübergreifend stattfinden. Schon am Montag durfte ich bei der Montagsbesprechung (jeden Montag zu einem vorher bereits bekannten Thema) Protokoll führen und konnte dabei gleich das Gehörte wiederholen und strukturieren. Die Fallbesprechungen jeweils dienstags und donnerstags konnte ich ebenfalls schon miterleben und fand toll, wie die Ärzte Patienten, bei denen sie etwas an dem Fall weiterhin beschäftigte, mit dem Team besprechen und sich dabei Rat und Unterstützung holen konnten.
Die Woche hat auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen und ich freue mich auf die nächsten!
Woche 2: 25.11. – 01.12.2019
Die zweite Woche kam und ging viel schneller, als ich für möglich gehalten hätte.
Während wir in der Montagskonferenz “chronischen Schmerz” besprachen – ein Thema, das für Alle anfangs eher schwer zu greifen war, am Ende der Besprechung aber doch mit einigem an neuen Erkenntnissen abgeschlossen werden konnte – ging es Dienstag gleich weiter mit den Fallbesprechungen.
Ich finde es toll, nun schon vereinzelt Patienten wieder zu erkennen ohne nachsehen zu müssen, was ihre Krankengeschichte ist und mich so direkt in den Heilungsprozess eingebunden zu fühlen.
Zunehmend kann ich mein Erlerntes anwenden und merke, wie ich auch an Sicherheit im Umgang mit gewissen Krankheitsbildern gewinne. Gleichzeitig erlebe ich immer wieder, wie ich genau bei diesen Krankheitsbildern dadurch umso mehr “Aha-Momente” habe, wenn ich einen der Ärzte begleiten und über die Schulter schauen darf.
Am Mittwoch Abend trafen sich viele von uns im “Guad Netz” in Regen zum Journal Club. An diesem Abend wurden neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu mehreren verschiedenen Themen zuerst in Kleingruppen besprochen, um dann der gesamten Gruppe vorgestellt und gemeinsam diskutiert zu werden. Die Fragen, die in der Diskussion auftraten aber nicht beantwortet werden konnten, werde ich nun weiter recherchieren und dann eventuell gefundene Antworten an die Gruppe weiterleiten.
Was mir besonders gefiel, war die anregende Diskussion zu hoch spannenden Themen, in die ich ganz ohne Weiteres mit einbezogen wurde. Kontrovers diskutiert wurde insbesondere ein Arzneimittelbrief zu der neuen europäischen “Leitlinie” zur Lipidsenkung. Diese empfiehlt, praktisch unabhängig vom kardiovaskulären Risiko, so gut wie allen Patienten Statin-Senker zu verschreiben. Außerdem wurde die Studie zu 70% von AutorInnen verfasst, die Interessenkonflikte mit den Herstellern der in der Studie empfohlenen Arzneimittel hatten.
Ein besonderes Highlight meiner Woche war auch der Freitagnachmittag, an dem sich Rebecca Ebner, eine der Ärztinnen der Praxis, an ihrem freien Tag Zeit nahm, mit mir Fälle für das dritte Staatsexamen durchzusprechen und anhand derer Themen zu wiederholen. Danach war ich regelrecht beflügelt!
Was mich aber überrascht, ist, wie erschöpft ich trotz der tollen Bedingungen und dem freundlichen Arbeitsklima im gesamten Team bin. Mir fällt auf, dass ich unter der Woche gerne mehr Zeit hätte, das Erlernte, Beobachtete und Gehörte zu verarbeiten und mich damit noch einmal auseinander zu setzen. Ich hoffe, dass ich mit diesem für mich neuen Lebens- und Arbeitsrhythmus in den kommenden Wochen lerne, besser umzugehen.
Ich freue mich schon wieder darauf zu sehen, wie es weiter geht!
Woche 3: 02. – 08.12.2019
Diese Woche hat für mich so richtig die Vorweihnachtszeit eingeläutet. Jeder Morgen beginnt mit Rauhreif auf den Bäumen und Feldern und ein atemberaubenden Sonnenaufgang versüßt mir das Aufstehen. In Kirchberg hat dieses Wochenende sogar der Weihnachtsmarkt aufgemacht und ich verbrachte den Sonntag in der Weihnachtsbäckerei!
In dieser Woche hatte ich endlich Gelegenheit, mit meinen Lernzielen aufzuholen. Mein Wochen-Schwerpunkt waren Medikamente – inklusive Wechselwirkungen, Dosisanpassungen bei chronischen oder akuten Krankheiten und Multimedikation – und Impfen.
Die Praxis hat in den virtuellen Karteikarten eine Impfsoftware, die das Leben zwar ungemein erleichtert, mir aber bisher erspart hat, mich wieder mit dem Impfkalender aktiv auseinander zu setzen. Dafür konnte ich schon das beim letzten Journal Club erlernte Wissen über Impfen bei Immunschwäche in die Praxis umsetzen.
Passend dazu war das Thema der Montagsbesprechung “Immunschwäche”. Besonders spannend war für mich, wie man eine “physiologische” von einer “pathologischen” Immunschwäche abgrenzt: Wann hat die Immunschwäche an sich tatsächlich Krankheitswert? Das ist klinisch gar nicht so klar abgrenzbar!
Dank der Montags- und Fallbesprechungsprotokolle bin ich mittlerweile nun hellauf begeistert von den AWMF- und Deximed-Websiten. Schon vor dem PJ kannte ich beide Seiten, hatte aber nur selten wirkliche Verwendung dafür. Jetzt aber schaue ich als erstes auf Deximed nach, wenn ich etwas recherchieren will, und suche zu jedem größeren Thema noch eine Leitlinie. Immer wieder bin ich verblüfft wie exakt sich die persönlichen Vorgehensweisen und Ratschläge der Ärzte mit den Leitlinien decken.
Ein besonderes Highlight diese Woche war meine Hospitation in der nephrologischen Praxis von Dr. Kammerl. Hier durfte ich Dienstagvormittag zum ersten Mal eine Dialysestation von Nahem bestaunen, einem Pfleger beim An- und Abhängen der Patienten über die Schulter schauen und mich mit einigen Patienten sogar näher unterhalten. Ich fand erschreckend, was die meisten Dialysepatienten jeweils für einen unglaublichen persönlichen Leidensweg hinter sich haben und wie positiv sie doch eingestellt sind – wirklich bewundernswert!
Dr. Kammerl gab mir auch die Möglichkeit, ihn in seiner Sprechstunde einige Zeit zu begleiten und ließ mich selbst BGAs und Medikamentenpläne beurteilen. Überraschend fand ich, dass bei den nephrologischen BGAs nicht so sehr auf den pH-Wert als eher auf den Base Excess und das Bikarbonat geachtet wird! Es ist wirklich erstaunlich, mit wie wenig bleibender Nierenfunktion der menschliche Körper noch arbeiten kann.
Mittwoch Nachmittag durfte ich Dr. Blank auf zwei Fortbildungen begleiten.
Die Erste fand in der AOK in Regen zu dem Thema Suizidprävention statt, bei der sich eine überaus interessante Diskussion entspann. Die große Frage, die immer wieder auftrat, war, was nötige Maßnahmen seien, um eine flächendeckende Versorgung zur Suizidprävention zu ermöglichen.
Eine Aussage, die mir wirklich im Kopf blieb, war, dass es für Herzinfarkte und Schlaganfälle ein ganz klares Versorgungsschema gibt und diese umgehend klinisch versorgt werden, während Suizidversuche nicht zwingend versorgt werden müssen.
Ich bekam den Eindruck, dass sich bei diesem Thema ein System der falschen Unsicherheit etabliert hat, obwohl die Vorgehensweise im Notfall, von einem medizinischen Standpunkt her, ganz klar ist.
Die zweite Fortbildung behandelte ein chirurgisches Thema: Endoskopische Komponentenseparation bei Versorgung großer Narbenhernien. Hier trug Dr. Blaha aus Zwiesel vor, wie man bei großen Narbenbrüchen die auseinander gewichenen Bauchdeckenanteile wieder so mobilisieren kann, dass ein suffizienter Bauchdeckenverschluss gelingt.
Auch die Freizeit sollte in dieser Woche nicht zu kurz kommen. Donnerstagabend traf sich das gesamte Praxisteam zur Weihnachtsfeier in der “Griabige(n) Pizzastubn”.
Neben interessanten Unterhaltungen, ausgezeichnetem Essen und mehreren Ansprachen kamen wir sogar in den Genuss, eines von den Azubis vorgetragenen Weihnachtsgedichtes.
Ich fand schön, das ganze Team auch einmal in so lockerem Rahmen kennenzulernen und ein wenig mehr auch über die jeweiligen persönlichen Hintergründe zu erfahren. Nun freue ich mich umso mehr, alle am Montag für einen neuen Wochenstart wieder zu sehen.
Was zwar nicht so richtig etwas mit meiner Ausbildung im PJ zu tun hat, aber dennoch mein persönliches Wochenhighlight war: ich hatte am Freitag meine erste Saxophon-Unterrichtsstunde im bayrischen Wald!! Es tat richtig gut, wieder zu spielen, und selbst die MFAs meinten in der Nachmittagssprechstunde, ich würde noch mehr strahlen als sonst. Ein tolles Erlebnis und eine sehr schöne Woche gehen nun also zu Ende.
Woche 4: 09. – 15.12.2019
Vor dieser vergangenen Woche graute es mir schon eine ganze Weile, weil ich mir zusätzlich zum Praxisalltag einmal wieder zu viel aufgeladen hatte. Aber wie man so schön sagt, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.
Nachdem ich montags nämlich von Dr. Machac bereits viel Spannendes zur Schilddrüsensonografie erklärt bekommen hatte durfte ich am Dienstag Rebecca Ebner zu ihrer Hausbesuchsrunde begleiten. Die Patienten unter so anderen Bedingungen und in ihrer vertrauten Umgebung kennen zu lernen, faszinierte mich.
Bereits in der Woche zuvor hatte ich an einer LIA-Sitzung (Lebensqualität im Alter) der Praxis in Rinchnach teilnehmen dürfen, in der es ausschließlich um die möglichst optimale, aber häusliche Versorgung geriatrischer Patienten ging. An dieser Sitzung nahmen Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Altenpfleger, Ärzte und die leitenden MFAs teil und ich wurde Zeugin einer Zusammenarbeit und Kommunikation, die ich so bis dahin noch nicht erlebt hatte. Im engen Kreis wurde besprochen, wie für das Programm in Frage kommende Patienten am besten unterstützt und Angehörige dabei im Idealfall noch entlastet werden könnten. Das Ziel war, die Alltagsfähigkeiten und Selbstständigkeit der Patienten soweit möglich zu erhalten oder wiederherzustellen.
An diese LIA-Sitzung musste ich durch die Hausbesuchsrunde mit Frau Ebner nun wieder denken. Nur Patienten, die motiviert sind mitzumachen und deren Angehörige auch Interesse daran zeigen, kommen für diese besondere Betreuung in Frage. Seit dem lässt mich der Gedanke nicht mehr los, dass noch viel mehr ältere Menschen von genau so einer weitsichtigen und auf den jeweiligen Patienten fein abgestimmten Betreuung profitieren würden, aber die Ressourcen auch hier knapp und die Angebote rar sind.
Genauso spannend und gedankenanstoßend ging die Woche weiter: ich hatte ein kleines Erfolgserlebnis beim Befunden eines EKGs, konnte einen Klavus (orthopädisches Krankheitsbild des äußeren Fußes) diagnostizieren und durfte einen Perianalabszess unter Anleitung spalten. Außerdem wurde ich von einer Patientin gefragt, ob ich sie wieder impfen könne, weil es das letzte Mal so schmerzlos gewesen sei und durfte einem Patienten ganz alleine einen Hausbesuch abstatten! Bei dieser Gelegenheit fand ich auch heraus, wie herausfordernd Autofahren in hügeliger Landschaft bei Schnee sein kann…
In den weiteren Tagen durfte ich außerdem Dr. Blank in einer Asthma-Beratung bei einem Kind über die Schulter sehen. Hier erlebte ich einen völlig zwanglosen und selbstverständlichen Umgang mit Kindern in der hausärztlichen Praxis, der mich sehr beeindruckte. Als Student versucht man die ganze Zeit, sich die Fähigkeiten und Umgangsweisen anzueignen, die einen einmal zu dem Arzt machen könnten, der man sein will. So ist es immer wieder ein prägendes Erlebnis, einen anderen Arzt so zu erleben, wie man selbst einmal gerne sein würde.
Um der Woche noch einen krönenden Abschluss zu verleihen, bot mir Dr. Blank an, mir die ersten zwei Stunden des kommenden Montags frei zu nehmen. Dadurch entspannte sich meine Woche ungemein und es gab mir Gelegenheit, meine Eindrücke weiter zu verarbeiten. So merkte ich auch, dass ich mir gewisse Themen noch einmal genauer ansehen möchte (z.B. Asthma & EKG) und was mich diese Woche besonders beschäftigt hat. So ist für mich beispielsweise der Umgang mit Patienten mit außergewöhnlicher psychischer Belastung immernoch kontrovers in Bezug auf wieviel Zeit ich als spätere Ärztin investieren kann und darf, ohne diese Patienten zu vernachlässigen oder unwirtschaftlich zu arbeiten.
So geht nun also eine weitere ereignisreiche Woche im bayerischen Wald voller Anregungen und Vorfreude zu Ende.
Woche 5: 16. – 22.12.2019
Weihnachten steht vor der Tür!!!
Und als ob die Bescherung schon früher sei als sonst, hatte ich diese Woche ein Highlight nach dem anderen.
Nachdem ich am Montag die ersten zwei Stunden hatte frei nehmen dürfen, ging es trotz meinem späteren Wochenstart gleich mit den verschiedensten Gründen für den Arztbesuch los. Etwas, das mich hier in der Praxis immer wieder verblüfft ist wie bereitwillig mich auch die Patienten akzeptieren und, ohne davon genervt zu sein, ihre Beschwerden zuerst mir und später auch noch den Ärzten schildern, nur um sich dann auch doppelt untersuchen zu lassen. Selten habe ich mich in meiner bisherigen Ausbildung so akzeptiert und willkommen gefühlt!
Dienstag und Mittwoch durfte ich dann Dr. Kalmancai erst in Schöfweg und dann in Auerbach begleiten, wo wir uns die Köpfe wegen einiger EKGs zerbrachen und über zwei wahnsinnig spannende Patientenfälle diskutierten.
Glücklicherweise konnte uns Dr. Machac dann Donnerstag mit den EKGs weiterhelfen und ich konnte die Fälle sogar in der Fallbesprechung vorstellen. An diesem Tag war auch Nora, eine Studentin aus der Region im Zuge einer kurzen Hospitation anwesend. Von ihr war ich sehr beeindruckt, als sie Donnerstag mit mir einige Patienten untersuchte. Im ersten klinischen Semester vor Patienten so einen souveränen und selbstbewussten, aber zugewandten Eindruck zu machen hätte ich vermutlich nicht geschafft.
Freitag wieder in Auerbach, gratulieren einige der Arzthelferinnen und ich Dr. Kalmancai zum Geburtstag. Die Arzthelferinnen hatten sogar einen Kuchen und Kindersekt zum Anstoßen besorgt. Selbst eine Patientin kam, nur um zu gratulieren!
Und so läuteten der Vormittag in Auerbach, meine zweite Saxophon-Unterrichtsstunde und der Nachmittag in Kirchberg, wo sich alle anwesenden Arzthelferinnen von mir herzlich verabschiedeten und wir uns frohe Weihnachten wünschen konnten, das vierte Advent-Wochenende ein.
Woche 7: 30.12.2019 – 05.01.2020
Ein frohes neues Jahr allen Lesern!
Nachdem ich vergangene Weihnachtswoche, um Nichts zu verpassen, bereits über Fernkonferenz an der Montagsbesprechung zum Thema Borreliose teilnehmen konnte, ging die erste Woche im neuen Jahr bereits wieder spannend los.
Diese Woche beschäftigte mich ein Thema neben meinen allwöchentlichen persönlichen Highlights ganz besonders: ärztlicher Individualismus.
Als Student bei einem Arzt mitlaufen und lernen zu dürfen ist immer wieder eine große Ehre, da es von großem Vertrauen seitens des Arztes zeugt. Gleichzeitig stellt das aber natürlich immer wieder sowohl für den Arzt als auch den Studenten eine gewisse Herausforderung dar.
Da ich praktische Lehre bisher nur von studentischer Seite her erlebt habe, kann ich natürlich nur aus dieser Perspektive erzählen: hier verlangt es Einiges an Anpassungsbereitschaft, sich auf die Arbeitsweise des lehrenden Arztes einzustellen und daran anzupassen, ebenso muss man das Beobachtete und Erlernte reflektieren und filtern.
Als Studentin fiel es mir oft schwer, ärztlichen Stil, der durchaus von Arzt zu Arzt stark variiert, von ärztlichem Handeln zu unterscheiden.
Was ist zwingend wichtig, sich zu merken, weil man das auf jeden Fall genauso machen muss, um seine Patienten regelrecht zu versorgen? Was ist einfach Teil des individuellen ärztlichen Charakters und kann, muss aber nicht so übernommen werden?
Eine Erkenntnis, die sich in mir immer mehr festigt ist, dass jeder Arzt, den ich bisher im beruflichen Umfeld erleben durfte, seinen oder ihren Job gut macht.
Für mich ist das keine selbstverständliche Erkenntnis. In Zeiten der zunehmenden – zugegebenermaßen manchmal berechtigten – Kritik an Ärzten und dem ärztlichen Beruf fängt man auch als Student an, zu zweifeln.
Vom Augenblick an, da das Umfeld erfährt, dass es ein Medizinstudium werden soll und man Arzt werden möchte, muss man sich nicht nur Lob sondern genauso Kritik anhören. Man muss sich sozusagen stellvertretend für alle ärztlichen Fehler entschuldigen und ein Berufsethos verteidigen, von dem man noch kaum etwas weiß. So ist es leicht nachzuvollziehen, dass sich das Bild einer “mathematischen Medizin” aufdrängt: Behandlung A ist richtig, alles andere ist falsch.
Umso mehr überrascht es dann natürlich, wenn man merkt, dass man sowohl Behandlung A als auch Behandlung B oder C anwenden kann und die eigentliche Kunst darin besteht, zu verstehen, was der individuelle Patient braucht und wovon er am meisten profitiert.
So bin ich immer wieder beeindruckt, wie viel Individualismus Teil des ärztlichen Berufs sein kann, ohne Patienten zu gefährden – im Gegenteil! Ich habe das Gefühl, dass jeder Patient sich den Arzt sucht, bei dem er sich am besten aufgehoben fühlt – und damit genau die Art der Behandlung erhält, die er sich wünscht.
Wie auch immer die Meinung zu beispielsweise Vitamin-D-Substitution oder Homöopathie seitens des Arztes sein mag – bei unstrittigen Themen oder leicht zu übersehenden Notfällen beachteten alle Ärzte, die ich bisher erleben durfte, die Red Flags (Warnsignale), fragten sie aktiv ab und handelten entsprechend.
Eine schöne Neujahrs-Erkenntnis also: Auch im medizinischen Bereich macht jeder seinen Job nach bestem Wissen und Gewissen – und das ist garnicht so schlecht.
Woche 8: 06.01. – 12.01.2020
Die vergangene Woche begann wegen des Feiertags (Heilige Drei Könige) zwar mit etwas Verspätung, war aber dafür umso ereignisreicher!
Dienstag und Donnerstag begleitete ich Dr. Kalmancai in Auerbach bzw. zeitweise auch in Schöfweg, um den Krankheits- bzw. Heilungsverlauf einiger gemeinsam gesehener Patienten mit begleiten zu können.
Hier waren für mich beispielsweise einige Wundkontrollen nach Herausschneiden eines Muttermals oder einer an der Brotschneidemaschine zugezogenen Schnittwunde besonders spannend.
Das ist etwas, was ich mittlerweile besonders wertschätze: dass man Patienten schon kennt, oft weiß, weswegen sie kommen und den Verlauf dadurch viel besser einschätzen kann! Umso schöner ist es natürlich, wenn Patienten einen selbst wiedererkennen, und sich dann auch noch freuen! Nach 6 Jahren des Studiums lässt diese Wertschätzung einem regelrecht das Herz aufgehen.
Mittwoch durfte ich noch einmal Dr. Kammerl in seiner nephrologischen Sprechstunde begleiten, bei der ich auf besonders spannende und eindrückliche Art und Weise die fachärztliche Betreuung auch einiger unserer Patienten miterleben konnte. Gefühlt ermöglicht es ein ganz anderes Verständnis für die individuelle Situation eines Patienten, wenn man erlebt, wie die Mitbetreuung an anderer Stelle abläuft und wie kompetent fachärztliche Kollegen die spezielleren Aspekte einer Behandlung mittragen.
Dr. Kammerl gab sich auch besondere Mühe, mich viel unter Anleitung selbst machen zu lassen, so zum Beispiel auch Ultraschalluntersuchungen des Abdomens mit besonderem Augenmerk auf die Nieren sowie Einschätzen von Blutgasanalysen.
Bei so viel Unterstützung und guter Lehre wundere ich mich immer wieder, warum im Bayerischen Wald ein solcher Ärztemangel herrscht.
Für die kommende Woche stehen nun einige Hospitationen an, auf die ich sehr gespannt bin, nächste Woche aber mehr dazu.
Woche 9: 13.01. – 19.01.2020
Das Team der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald gibt mir aktiv immer wieder die Möglichkeit, auch andernorts Ärzte in ihrem Alltag zu begleiten und über deren Schultern zu schauen – eine sogenannte Hospitation.
Nachdem ich nun bereits zwei Mal bei Dr. Kammerl hospitieren durfte, hatte ich diese Woche gleich zwei weitere Hospitationen andernorts!
Die ersten beiden Tage verbrachte ich in der Arberlandklinik in Viechtach in der Abteilung der neuen Chefärztin Frau Dr. Jana Riedl.
Frau Dr. Riedl und ihr Team haben bei mir einen besonders bleibenden Eindruck hinterlassen. Nicht genug, dass es eine junge Frau an einer Klinik bereits zur Chefärztin gebracht hat, nein – obendrein wird noch großer Wert auf die Weiterbildung der Assistenzärzte und die patientennahe Betreuung gelegt.
Ihre Arbeitsphilosophie:
“Jede Untersuchung und Behandlung eines Patienten ist in erster Linie eine persönliche Begegnung mit und Beziehung zu einem kranken, besorgten Menschen, der ein Recht auf professionelle Hilfe, wenn möglich Heilung, auf jeden Fall ein Recht auf menschliche, verständnisvolle Zuwendung hat.”
Als Studentin bekam ich sogar für die zwei Tage Hospitation in der Klinik Arbeitskleidung, einen Hospitationsvertrag und kostenlose Verpflegung.
Am ersten Tag wurde ich bereits dem leitenden Oberarzt, Herrn Dr. Metzger, zugeteilt, um ihn zu begleiten. Hier sah ich in Begleitung von Dr. Metzger zum ersten Mal einen sogenannten “Gummibauch” im Zuge einer akuten Pankreatitis, Pendelperistaltik des Darms in der Ultraschalluntersuchung und das Bild einer Cheyne-Stokes-Atmung – alles Symptome, die ich bisher nur aus dem Lehrbuch kannte und die nun in meinem Kopf zum Leben erweckt wurden.
Ein trauriger Aspekt des Klinikalltags, der in der allgemeinmedizinischen Praxis weniger präsent ist, war der Tod zweier Patientinnen.
Was mich schockierte, war, dass ich beide Patientinnen noch am Montag gesehen und mit untersucht hatte. Nie hätte ich gedacht, dass ausgerechnet diese beiden Frauen über Nacht von uns gehen würden. Dieser Umstand beschäftigte mich noch eine ganze Weile…
Donnerstag durfte ich Dr. Vollath in Zenting in seiner Sprechstunde begleiten, bei dem ich bereits im März zur Famulatur gewesen war.
Ich freute mich sehr, Dr. Vollath und seine Frau, die ihn als Arzthelferin nach Kräften unterstützt, wieder zu sehen! Ich wurde herzlich begrüßt und prompt wieder in den Praxisalltag integriert. Nicht nur die Arzthelferinnen sondern sogar einige Patienten erinnerten sich an mich!
Außerdem bekam ich die Möglichkeit, Dr. Vollath noch einmal mit meinem durch das zweite Staatsexamen etwas aufgefrischten Wissen über die Schulter zu schauen.
Alles in Allem war dies also eine sehr abwechslungsreiche und gedankenanregende Woche!
Woche 10: 20.01. – 26.01.2020
Dank der angenehmen Arbeitszeiten hier in der Praxis kann ich an einigen Wochenenden weiterhin meinem Nebenjob als studentische Hilfskraft im Giftnotruf in München nachgehen – das ist etwas, was ich sehr genieße, da es mich nicht nur finanziell unterstützt, sondern ich dort in entspannter Atmosphäre auch viel lerne.
Vergangenes Wochenende war ich also wieder für einige Schichten dort und in einer ruhigen Minute kam ich mit einem anderen PJler, der ebenfalls dort arbeitet, ins Gespräch.
Natürlich tauscht man sich untereinander aus: Wie ist das PJ an anderer Stelle?, Lernt man viel?, Wie sind die Kollegen?, usw..
Im Zuge dessen kam das Gespräch auf meine Hospitation in der Abteilung für Innere Medizin und das Thema, das mich schon die ganze Woche beschäftigt hatte: das Versterben von Patienten.
Nun ist ja der Tod ebenso wie die Geburt integraler Bestandteil des Lebens.Trotzdem sticht der Tod eines Menschen immer wieder hervor und fühlt sich für Ärzte ebenso wie Angehörige manchmal an, wie das Versagen der Medizin.
Im Medizinstudium hört man mittlerweile viel zu Palliativmedizin, ebenso zu “terminalen” Erkrankungen, aber im klinischen Alltag hat man den Tod bisher noch nie erlebt.
Was mich nun die ganze vergangene Woche beschäftigt hatte war, dass ich bei den beiden verstorbenen Patientinnen in Viechtach die Situation noch am Vortag völlig anders eingeschätzt hatte. Wenn ein Patient eine sogenannte terminale Erkrankung hat, also beispielsweise eine Tumorerkrankung im Endstadium, rechnet jeder mit dem Tod, zumindest über kurz oder lang.
Aber wenn ein Patient einfach nur “Alter” hat, was dann? Noch dazu mit Symptomen, denen mit Medikamenten mittlerweile oft sehr einfach beizukommen ist.
In dem Fall der beiden verstorbenen Patientinnen hatte ich zu keinem Zeitpunkt, in denen ich sie begleiten durfte, den Eindruck, dass der Tod kurz bevor stünde – und doch klärte der leitende Oberarzt noch am Vortag die Angehörigen über das mögliche baldige Ableben der Patienten auf.
Wie lernt man das? Woran merkt man, dass ein Mensch kurz vor dem Ende seines Lebens steht? Klärt man ihn darüber auf? Und ganz besonders: Was ist, wenn man falsch liegt?
Viele Fragen, die mir nun also im Kopf herumgeistern… Vielleicht hilft mit den Jahren irgendwann die Erfahrung, sie zufriedenstellend beantworten zu können.
Woche 11: 27.01. – 02.02.2020
Vergangene Woche durfte ich eine unserer Weiterbildungs-Assistentinnen, Rebecca Ebner, in ihre zweite Praxis begleiten. Das Ehepaar Stern, das gemeinsam eine Praxis führt, hatte ich bereits früher auf einer gemeinsamen Fortbildung mit Dr. Blank kennengelernt und freute mich nun, Frau Ebner auch in diesem ärztlichen Umfeld begleiten zu dürfen.
Dr. Stern, der eine sehr direkte, strukturierte Art im Umgang mit den Patienten hat, erklärte mir einiges zur Chirotherapie und ich durfte zusehen, wie er einem Patienten auf sehr beeindruckende und einfach anmutende Weise eine Facettengelenk-Blockade der Wirbelsäule löste.
Dr. Stauber-Stern wiederum verkörpert, was ich mir immer als “den klassischen Landarzt” vorgestellt hatte: jemand, der einen Überblick über nahezu die ganze Lebenssituation eines Patienten hat und diese in die ganzheitliche Behandlung einzubeziehen weiß.
Beide waren sehr bemüht, mich Vieles selbständig machen zu lassen, meine Fragen zu beantworten und mir eine Menge beizubringen, wodurch mir schon der erste Tag bei ihnen große Freude bereitete.
Am Mittag des zweiten Tages durfte ich Dr. Ebner auf ihrer Hausbesuchstour in und um Geiersthal begleiten.
Dabei lernten wir eine äußerst rüstige ältere Dame kennen, die uns nicht nur durch ihre Art beeindruckte. Dr. Ebner bat sie, wie bereits bei einem früheren Hausbesuch, ein selbst verfasstes Gedicht vorzulesen.
Mit Erlaubnis der Patientin darf ich ihr Gedicht, auf ihre Bitte hin anonym, zitieren:
Wenn ich Erde zwischen den Fingern spüre
Wenn ich seh, wie eine Knospe sich entfaltet
Wenn ich den Duft der Rosen einatme
Dann lösen meine Sorgen sich so schnell in Luft auf,
Dass ich gar nicht mehr verstehe,
Warum ich einen Moment vorher
Noch so bedrückt war
Mich berührte dieses Gedicht sehr. Es sprach für mich von großer Willensstärke, die es mit Sicherheit braucht, sich im hohen Alter nicht gehen zu lassen, von Wehmut und von einer Liebe zum Leben, die man, wie ich finde, nicht oft sieht. Und die Patientin freute sich unbändig, dass jemand ihre Gedichte zu schätzen wusste.
Woche 12: 03.02. – 09.02.2020
Diese Woche hat eine weitere Studentin in der Praxis angefangen.
Isabell, die Sonntag Abend angereist ist, wohnt in der großen Studentenwohnung nebenan. Nach einigen gemeinsamen Abendessen mit ihr und Dr. Purman, fühlt es sich bereits beinahe an wie eine Studenten-WG.
Während ich schon davor meine Wohnung hier – ganz oben am Berg mit einer Aussicht über ganz Kirchberg und Umgebung, mit dem Eingang über den Friedhof, der Sonne über dem Hochnebel und dem grenzenlosen Sternenhimmel abends – unendlich genossen habe, hat es damit noch einen ganz anderen Anflug von Zuhause bekommen. Langsam werde ich traurig, dass sich mein PJ-Tertial hier dem Ende neigt, denn wie kann es woanders noch schöner werden?
Auf den Boden der Tatsachen holte mich dafür der Journal Club des Guad Netzwerks am Mittwoch…
Der Journal-Club des Guad Netzwerks findet ungefähr alle 6 Wochen statt und ist ein Abend, an dem Mitglieder des Guad-Netzes und solche, die es noch werden wollen, gemeinsam über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Veröffentlichungen diskutieren. Vorab werden die zu diskutierenden Artikel bereits in einem gemeinsamen Online-Dokument für alle Teilnehmer sichtbar zusammengestellt.
Rebecca Ebner, eine der Weiterbildungsassistentinnen der Praxis, hatte auch einen Artikel vorbereitet, konnte aber wegen ihrer Balint-Gruppe (einer Arbeitsgruppe aus 8 – 12 Ärzten, in der Erfahrungen reflektiert und auf die Arzt-Patienten-Beziehung eingegangen wird) nicht teilnehmen.
Die Präsentation und Moderation der folgenden Diskussion ihres Artikels durfte ich übernehmen.
Meine Nervosität kannte keine Grenzen.
Drei Nächte zuvor saß ich bis spät nachts im Bett und recherchierte das Thema “Arterielle Hypertonie: deutlich weniger kardiovaskuläre Ereignisse bei abendlicher statt morgendlicher Einnahme von Antihypertensiva” und die nötigen Hintergrundinformationen.
Es ging sogar soweit, dass ich zwei Tage zuvor meinen ehemaligen Pharmakologie-Dozenten kontaktierte, um spezielle Rückfragen zu klären.
In der Nacht auf Mittwoch konnte ich kaum schlafen.
Tags darauf versuchte ich in jeder freien Minute mir noch einmal die wichtigsten Punkte des Artikels vor Augen zu führen.
Schlussendlich kam der Abend und die Mitglieder des Guad-Netzes trafen in der AOK in Regen ein.
Ich hatte Lampenfieber, wie ich es bisher nur vor meinen zwei Staatsexamina gekannt hatte…
Und dann war es soweit! In der Diskussionsrunde vorab setzte ich mich mit zwei ärztlichen Kollegen zusammen, stellte die Studie vor und gab meine Kritikpunkte zum Besten und – wir diskutierten. Nach höchst erfolgreichen und gar nicht schlimmen 15 Minuten setzten wir uns wieder mit den anderen Kleingruppen an den Tisch und jeder, der einen Artikel recherchiert hatte, stellte ihn der Reihe nach vor.
Selbst an der Reihe wiederholte ich das zuvor in der Kleingruppe erprobte und berichtete, was wir bereits diskutiert hatten – und siehe da, es klappte! Ich bekam sogar ein anerkennendes “Oha!” von Dr. Kleudgen, einer der Fachärztinnen unserer Praxis und eine Ärztin, die einen unfassbar großen Wissensschatz und große Eloquenz besitzt.
Es überrascht mich immer wieder, wie sehr es einen euphorisieren kann, sich nicht blamiert zu haben!
Danach ließ ich die Woche mit kulturellen Veranstaltungen des bayerischen Walds ausklingen: der Podiumsdiskussion der Bürgermeisterkandidaten für die anstehende Wahl in Kirchberg und dem Schülerkonzert meiner Saxophonlehrerin.
Nach einer Weile möchte man hier fast nicht mehr weg…
Woche 13: 10.02. – 16.02.2020
Ein besonderer Höhepunkt vorletzte Woche war, dass zwei Freundinnen, die ich im Exzellenten Winter 2019 kennen gelernt hatte, mich am Wochenende besuchen kamen. Wieder gemeinsam im bayerischen Wald erinnerten wir uns gemeinsam an das Projekt im vergangenen Jahr und stellten fest, dass es für uns alle drei eine der schönsten Erfahrungen bisher gewesen war.
Heute habe ich bei Sarah Moschko, einer ehemaligen PJ`lerin der Praxis, ein wenig in den deren Erfahrungsberichten quer gelesen und war einmal wieder begeistert, mit welcher Tiefe sie schreibt und wie sehr ich mich in ihren Tagebucheinträgen wiederfinde.
Exakt vor einem Jahr schrieb Sarah über Unsicherheit im (haus-)ärztlichen Alltag – ein Thema, mit dem ich selbst nun tagtäglich konfrontiert bin.
Vor zwei Wochen, als meine beiden Kommilitoninnen zu Besuch waren, redeten wir auch über Schwierigkeiten im Studium und Sorgen bezüglich des Berufsanfangs.
Was, wenn man Fehler macht? Was, wenn man sich nicht genug aus dem Studium behält? Was, wenn man einem Patienten nicht helfen kann?
Uns alle quälte die Furcht, in Zukunft etwas zu übersehen oder falsch einzuschätzen, wofür unsere Patienten dann die Konsequenzen tragen müssten. Wie kann man nach dem Studium schon voll verantwortlicher Arzt sein, was bereitet einen darauf vor?
Doch in den vergangenen Monaten in der Praxis habe ich gemerkt, wie ich immer sicherer im Umgang mit Patienten werde. Ähnlich wie Sarah Moschko vor einem Jahr nehmen auch mich die Patienten immer ernster, sind vollauf zufrieden, mit mir reden zu können und danken noch einmal explizit mir, wenn einer meiner ärztlichen Kollegen sie nach gemeinsamer Begutachtung verabschiedet.
Etwas, was ich hier gelernt habe, aber im Gegensatz zu meiner Vorgängerin nicht als Schwäche empfinde, ist die Möglichkeit, Patienten durch Einbeziehung beruhigen zu können.
Leider lässt sich auch nach ausgiebiger Diagnostik häufig nicht genau feststellen, woher manche Beschwerden, mit denen Patienten sich bei uns vorstellen, kommen.
Weiters habe ich hier gelernt, dass auch ein negatives Ergebnis einen Wert hat – ich habe nicht mehr wie früher das Gefühl, dann mit leeren Händen vor den Patienten zu stehen und sagen zu müssen “Ich weiß es auch nicht”. Stattdessen kann ich dem Patienten erklären, was wir bereits untersucht haben, was wir dadurch ausschließen konnten, wofür es außerdem keinerlei Hinweise gibt und dass es damit vorerst nichts Schlimmes sein kann.
Was für mich anfangs völlig verblüffend war: den Patienten reicht das oft.
Sie sind erleichtert und akzeptieren ihre Beschwerden als nicht besorgniserregend, integrieren sie in ihr Leben und oft verschwinden diese dann von selbst wieder. Nur wir als angehende Ärzte stehen da und wüssten gerne, was es war.
Woche 14: 17.02. – 23.02.2020
Diese Woche zog sich das Thema “Kinder in der hausärztlichen Praxis” wie ein roter Faden durch mein Programm. Ich hatte wieder zwei Hospitationen: Montag und Dienstag bei Frau Dr. Pinker, Donnerstag und Freitag bei Frau Dr. Schnopp.
Dr. Pinker ist eine Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin in einer Gemeinschaftspraxis in Frauenau, die viele Kindervorsorgeuntersuchungen macht, weshalb ich unbedingt auch einmal bei ihr hospitieren wollte.
Dr. Pinker, die selbst noch mit einer hartnäckigen Erkältung zu kämpfen hatte, arbeitete unermüdlich den großen Andrang an Patienten ab während sie mir nebenbei immer wieder Zusammenhänge erklärte und ich selbst die Patienten auch noch untersuchen durfte.
Besonders viel Spaß hatte ich bei den Kindervorsorgeuntersuchungen, bei denen die Mütter danach immer ganz stolz waren, wenn ihre Kinder schon spielen, schreiten oder sitzen konnten.
Dr. Schnopp ist Dermatologin in einer Gemeinschaftspraxis für Dermatologie und Andrologie in München und wurde mir von Dr. Blank besonders in Bezug auf Neurodermitis und atopisches Ekzem bei Kindern anempfohlen.
Hier konnte durfte ich bei Probenentnahmen, Muttermalentfernungen und Kürettagen von Seborrhoischen und aktinischen Keratosen zusehen, Fragen aus früheren Fallbesprechungen in Kirchberg anbringen und wurde sogar von den ärztlichen Kollegen in der Gemeinschaftspraxis zu besonders spannenden Fällen dazugeholt!
Nach den zwei Tagen bei Dr. Schnopp und ihren Kollegen ist mein Notizbuch nun beinahe voll und ich werde sicher noch einige Tage brauchen, alles, was ich mir vorgenommen hatte, nachzuschlagen.
Obendrein wurde diese Woche ein Artikel über die “Landarztmacher” und das Projekt der Exzellenten Sommer/ Winter in der Passauer Neuen Presse veröffentlicht, für den ich als ehemalige Teilnehmerin und “Rückkehrerin” interviewt und abgelichtet worden war.
Dienstagmorgen begrüßte mich das Praxisteam von Dr. Pinker völlig begeistert mit dem Ausruf “Du bist in der Zeitung!!!” und einem eigens für mich mitgebrachten Ausschnitt und mehrere Patienten sprachen mich sowohl dort als auch in Kirchberg am darauffolgenden Tag auf den Artikel an.
Eine höchst ereignisreiche Woche also, die direkt in einen Wochenstart mit einer weiteren Hospitation mündet, aber dazu nächste Woche mehr.
So sehr mich aber die Ärzte, bei denen ich bisher hospitieren durfte, wirklich schwer beeindruckt haben, freue ich mich doch langsam wieder darauf, mit meinen Kollegen in der Gemeinschaftspraxis zusammenarbeiten zu können.
Und mit leiser Wehmut blicke ich dem Ende meines Tertials in zwei Wochen entgegen…
Wochen 15 & 16: 24.02. – 08.03.2020
Meine letzten beiden Wochen im bayerischen Wald läutete eine letzte Hospitation ein: ich verbrachte zwei Tage bei Dr. Blaha und seinem Team in der Viszeralchirurgie in Zwiesel, wo ich ein sehr motiviertes Team an jungen Ärzten kennenlernte und bei Dr. Blahas Sprechstunde assistieren durfte.
Die restlichen Tage waren gefüllt vom Abschied nehmen, sowohl abends in privater Runde als auch tagsüber in den verschiedenen Praxen und von den Patienten.
Erst im Nachhinein wird mir so richtig klar, wie unglaublich viel ich in dieser kurzen Zeit gelernt habe, wie viel mehr mir jetzt logisch oder sogar einfach erscheint und wie viel mehr Selbstvertrauen mir die Zeit im bayerischen Wald geschenkt hat.
In welchem Ausmaß besonders und einzigartig dieses Arbeitsumfeld und das gesamte Team sind, wird einem erst im Vergleich mit anderen medizinischen Umgebungen wirklich bewusst.
Es ist seitdem kein Tag vergangen, an dem ich mich nicht an diese Zeit zurückerinnert und an meine Kollegen gedacht habe, und ich bin unendlich dankbar, diese Erfahrung gemacht haben zu dürfen.
Hauptstandort Kirchberg
Am Alten Sportplatz 3
94259 Kirchberg
Tel: 09927 441
info@praxis-bayerwald.de