Jonas Klemperer

Praktisches Jahr
28.12.2020 – 24.03.2021

Ich erreiche Kirchberg im Wald am Sonntagabend vor dem Tertial-Start. Auf dem Weg hole ich noch eine Mit-PJlerin ab, die bereits einige Wochen in Kirchberg im Wald ist. Die Wohnung, die ich beziehen darf, ist eine 2er-WG, 2 Zimmer mit je einem Doppelbett. Es gibt eine Küche mit einem großen Kühl- und Gefrierschrank und einen Herd mit Ofen. Pfannen, Töpfe, Geschirr und Besteck sind reichlich vorhanden. Das Bad hat neben der Toilette und Dusche auch eine Badewanne und eine Waschmaschine. Und um sich außerhalb des eigenen Zimmers aufzuhalten gibt es auch ein großes, helles Wohnzimmer mit Esstisch und einer Sofa-Ecke.

Mein erster Tag beginnt in der Praxis Schöfweg. Der Weg, ca. 15-20min mit dem Auto, geht über enge Straßen, durch kleine Dörfer und verschneite Wälder.
In der Praxis begrüßt mich freundlich das Team der MFAs und die beiden Ärztinnen. Ich bekomme eine kleine Tour durch die Praxis. Die Praxis ist gut ausgerüstet, vom Ultraschallgerät über EKG, einem kleinen Labor für Blutentnahmen bis zu einem Infusionszimmer.

Ich werde von beiden Ärztinnen sofort in die ersten Sprechstundentermine mitgenommen, um anzukommen und mir ein Bild machen zu können, wie die Termine aussehen und was die Abläufe in der Praxis sind. Gegen Mittag findet eine Video-Konferenz statt. Die Konferenzen wurden bereits Prä-Corona in dem Praxisnetzwerk etabliert und finden fast täglich statt mit unterschiedlichen Zielen – mal sind es Fortbildungen, mal Fallvorstellungen, in denen die ÄrztInnen Fälle besprechen können, bei denen sie nach Rat suchen. Heute ist es eine Besprechung des Themas Juckreiz. Als erstes wird besprochen, wie Patienten das Problem ansprechen könnten („Was sagen PatientInnen?“). Dann sprechen wir über abwendbar gefährliche Verläufe und danach werden Ursachen und Therapie strukturiert durchgearbeitet. Die Sprecher-Reihenfolge ist wie folgt gedacht: Studierende -> ÄrztInnen in Weiterbildung -> FachärztInnen. Ich merke sofort, dass hier jeder dazu ermutigt wird, teilzunehmen. Im Wochentakt werden so Symptome oder Krankheitsbilder durchgesprochen.

Am Freitagabend, kurz vor Praxisschluss kommt ein einprägsamer Fall: Eine Patientin mit Kreuzschmerzen. Aufgrund der Schmerzen fällt es ihr schwer, noch in das Behandlungszimmer zu laufen. Bei mir läuten die Alarmglocken. Nachdem ich die Anamnese und Untersuchung machte, ging die Ärztin mit mir und der Patientin noch einmal zusammen die Red Flags und abwendbar gefährlichen Verläufe durch. Es stellt sich raus, dass der Schmerz stark ist und Behandlung braucht – die Behandlung aber auch erst einmal ambulant erfolgen kann und eine Bildgebung uns zu dem Zeitpunkt trotz der starken Schmerzen erst einmal nicht weiterbringen würde.

Mein Fazit nach der ersten Woche im Bayerischen Wald: Ich bin sehr glücklich, hier gelandet zu sein. Ich fühle mich seit dem ersten Tag äußerst willkommen und habe das Gefühl, ab der ersten Stunde in der Praxis positive Lernerfahrungen gemacht zu haben.

An einem Feiertag während der ersten Woche konnten meine Mit-PJlerin und ich eine kleine Wanderung auf den verschneiten Lusen machen, die für viele gut machbar sein sollte und ich absolut weiterempfehlen kann.

In meiner zweiten Woche bin ich vormittags in Grafenau, nachmittags in Schöfweg. Die Praxis in Grafenau ist etwas kleiner als die Praxis in Schöfweg. Es gibt zwei Behandlungszimmer und drei weitere Zimmer, ausgestattet mit Ultraschallgerät, EKG und kleinem Labor. Als wäre es so geplant, kommen diese Woche direkt zwei Patienten mit dem Problem „Ausschlag mit Juckreiz“ in die Sprechstunde. Gewappnet mit dem Wissen aus der Fortbildung der letzten Woche traue ich mich strukturierter an das Problem zu gehen und stelle in beiden Fällen fest: Die Ursachenfindung ist oft nicht leicht. Wissend, dass wir die abwendbar gefährlichen Verläufe erst einmal ausschließen konnten, fällt es leichter, die Patienten zu beruhigen und ihnen mit einer symptomatischen Therapie fürs Erste zu helfen.

Das zweite Thema, das ich diese Woche erstmalig miterleben konnte: Eine gut strukturierte Check-Up-Untersuchung. Hier besteht seitens der Praxis der Anspruch, nicht nur schnell die Check-Up-Untersuchung durch zu hasten – Die ÄrztInnen versuchen die Untersuchung auf aktuelle Fragen und Probleme der PatientInnen zu schneidern und die Untersuchung als Hilfsmittel zu nutzen, um die Ärztin-PatientIn-Beziehung zu festigen.

Bei einem Hausbesuch, den ich vor der Mittagspause mitmachen kann, fahren wir zu einer Patientin, die sich zunehmend schwächer fühlt und deshalb sichtlich besorgt ist. Es stellt sich die Frage, ob die Verschlechterung eine Ursache hat, die eine sofortige Vorstellung im Krankenhaus benötigt, oder ob noch Zeit bleibt und wir der Sache erst einmal ambulant auf den Grund gehen können. Die Möglichkeit, Menschen in ihrer häuslichen Umgebung zu sehen hatte ich seit meiner Allgemeinmedizin-Famulatur vor 3 Jahren nicht mehr und ich freue mich, wieder dazu zu kommen.

Eine wichtige Lektion der Woche ist für mich: Was strahle ich meinem Gegenüber aus? Wie ist meine Körperhaltung? Und wie kann sich ein Gespräch ändern, wenn ich darauf achte? In einem Gespräch mit Dr. Blank habe ich hier ein paar Tipps bekommen, die ich versuchen will, in den nächsten Wochen zu beachten.

Meine dritte Woche beginnt mit einer Fahrt über verschneite Straßen. Die Räumfahrzeuge tun ihr Bestes, kommen aber kaum gegen die Schneemassen im Bayerischen Wald an. Diese Woche bin ich in der Praxis Lalling, ca. 15min mit dem Auto von Kirchberg entfernt.

In der Montagsfortbildung geht es um das Thema Kopfschmerz. Gemeinsam stellen wir fest, dass Kopfschmerz in der Hausarztpraxis in den meisten Fällen entweder Spannungs- oder Migränekopfschmerz ist. Wir überlegen mit welchen Fragen wir aber die wenigen Fälle aufgreifen können, die AGVs sind.

Aus der Sprechstunde bleibt mir ein Fall besonders im Kopf: Unklarer Bauchschmerz. Eine Patientin mit plötzlich begonnenen Bauchschmerzen und Blut im Stuhl seit 2 Tagen. Bei der Untersuchung ein Druckschmerz im rechten Unter- und Oberbauch, aber auch in der linken oberen und unteren Bauchhälfte. Eine DRU und Ultraschalluntersuchung fallen unauffällig aus. Gemeinsam mit der Patientin reden wir über die Möglichkeit einer Krankenhauseinweisung und vereinbaren, dass sie sich erneut vorstellt, sollten die Beschwerden stärker werden. Ein Kontrolltermin am nächsten Tag wird fest vereinbart. Beim Termin am nächsten Tag stellt sich heraus, dass die Regelblutung begonnen hat, die auch die Erklärung für das im Stuhl gesehene Blut war.

Meine vierte Woche verbringe ich in meiner neuen (vorübergehenden) Heimat – Kirchberg. Diese Woche habe ich wieder das Glück mit Fr. Moschko zusammenzuarbeiten, die ich bereits in Schöfweg kennen gelernt habe und mit Dr. Machac, der mich auf spielerische Weise immer wieder über verschiedene Themen quizzt. So kann ich diese Woche lernen meine Rückenschmerzanamnese und -untersuchung zu verbessern und – unter Supervision der Ärztin – auch ein Beratungsgespräch zum weiteren Verfahren zu führen. Auch kann ich mein Vorgehen bei der Sprunggelenksuntersuchung verfeinern und mit Hilfe der „Ottawa Ankle Rules“ entscheiden, ob eine weitere Bildgebung notwendig ist, dies zusammen mit dem Patienten besprechen und gemeinsam das weitere Vorgehen festlegen.

Für den Mittwoch-Mittag hat Dr. Blank einen Vortrag über Schwindel von einem Mitautor der DEGAM-Leitlinie zu Akutem Schwindel organisiert. Nach einer kurzen Powerpoint-Präsentation startet eine offene Diskussion. Unter Anderem besprechen wir, dass mit den HINTS-Tests (Head Impulse, Nystagmus, Test of Skew) Schwindel schnell in peripher oder zentral eingeteilt werden kann – drei kurze Untersuchungen für die wir keine zusätzlichen Gerätschaften benötigen.

Am Ende der Woche nutzen meine Mit-PJlerin Stella und ich die ruhige Freitagnachmittagssprechstunde, um uns im Bauchultraschall zu üben. Eine super Gelegenheit, um das bisher Beobachtete in Ruhe selbst zu probieren.

Die ersten beiden Tage dieser Woche bin ich in der Praxis Lalling. Weil ich hier bereits war kenne ich schon einzelne PatientInnen. In den Gesprächen fällt mir auf, dass ich weniger das Gefühl habe, eine Vertrauenssituation aufbauen zu müssen. Ein kleiner Teil der Arbeit ist ja schon im ersten Gespräch passiert. Auch kenne ich schon die Anlässe weshalb die PatientInnen sich beim letzten Mal vorstellten. So steigen die PatientInnen und ich nun gefühlt etwas schneller in das Gespräch ein.

Am Mittwoch lerne ich die Praxis Auerbach kennen, in der Dr. Kalmancai derzeit hauptsächlich tätig ist. Er hat einige Jahre Chirurgie-Erfahrung und ist für das Team stets Ansprechpartner bei Fragen für chirurgische Fälle. In der Praxis Auerbach stehen nicht so viele Zimmer zur Verfügung wie in den anderen Praxen, in denen ich bereits war. Trotzdem habe ich die Chance selbstständig mit einer Patientin zu sprechen, um sie mit ihrem Besuchsanlass kurz danach dem Arzt vorzustellen. Der Anlass: Rückenschmerz mit der Frage nach einer Kortison-Spritze. Dr. Kalmancai spricht mit der Patientin über das Thema Kortisonspritzen bei Rückenschmerzen und gemeinsam kommen sie zu der Entscheidung, ein orales Kortison als Stand-By-Medikament zu probieren und Krankgengymnastik-Termine zu organisieren. Den Rest der Woche bin ich leider aufgrund einer Erkältung aus dem Verkehr gezogen.

Diese Woche arbeite ich in Schöfweg mit Dr. Kleudgen zusammen. Einige Patientinnen sieht sie gerne alleine, um Gespräche zu führen, bei denen die Anwesenheit einer neuen dritten Person nicht unbedingt hilfreich für die Patientin oder den Patienten ist. So bleibt mir zwischen den Gesprächen etwas Zeit, um mir mein PJ-Logbuch vorzuknüpfen, in dem Aufgaben gelistet sind, die hier von den MFAs übernommen werden: Rezepte über Medikamente, Hilfsmittel oder Krankengymnastik und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen. Eine freundliche MFA in der Schöfweger Praxis nimmt mich an die Hand und zeigt mir Schritt für Schritt worauf ich achten muss, welche Stolperfallen es auf den Formularen gibt und woran ich mich für rechtfertigende Diagnosen auf Krankgengymnastik-Rezepten orientieren kann.

Knapp 2 Minuten zu spät erreiche ich am Donnerstagmorgen die Praxis. Im letzten Augenblick treffe ich Fr. Dr. Kleudgen an, die gerade auf dem Sprung ist, um vor der ersten Sprechstunde noch eine Leichenschau zu machen. Wir fahren gemeinsam zum Haus der Tochter, die an dem Morgen ihren älteren Vater verstorben im Bett aufgefunden hatte. Die Tochter, merklich betroffen, öffnet uns die Tür und empfängt uns freundlich. Der Patient war bereits seit Längerem aufgrund seiner Erkrankungen palliativ angebunden. Fr. Dr. Kleudgen geht mit mir durch, worauf ich bei einer Leichenschau achten muss. Im Anschluss führen wir die Leichenschau gemeinsam durch. Danach machen wir uns wieder auf den Weg, um mit dem Tag in der Praxis zu beginnen.

Diese Woche Mittwoch steht wieder eine Fortbildung im GUAD-Netz an. Corinna Schäfer, Leiterin des Ärztlichen Zentrums für Qualität und schon viele Jahre in der Leitlinienarbeit tätig und in dem Feld auch derzeit an vielen Stellen ganz vorne involviert, erzählt uns in einem Vortrag über Leitlinienarbeit. In dem Vortrag gibt sie uns eine Übersicht über Leitlinien und deren Klassifikation. Dazu erfahren wir aus erster Hand, wie Leitliniengruppen zusammengestellt werden und mit welchem Aufwand die Organisation verbunden ist, um beispielsweise in den Gruppen für ausgeglichene Verhältnisse zu sorgen.

In der PraktikantInnenwohnung ist seit Anfang Februar mehr Leben eingezogen. Die Semesterzeit, in der Blockpraktika und Famulaturen anstehen, hat begonnen. Ich genieße es, dass die Praktikantinnen und Praktikanten der Wohnung nun etwas mehr Lebensgeist verleihen. Mit ansteigenden Temperaturen und auftauenden Grünflächen hat sich der Bayerische Wald diese Woche wieder komplett verwandelt. Am Samstag machen wir eine Wanderung durch die noch halb schneebedeckte, weiße und halb grüne Gegend um den Dreisesselberg; Die Woche fühlt sich wie eine Geschmacksprobe des anstehenden Frühlings an. Nach dem Lockdown-Winter besonders befreiend.

Der Montag beginnt mit einer spannenden Diskussion während der Montagsfortbildung über das korrekte Vorgehen bei einer anaphylaktischen Reaktion. Was kommt zuerst? Die Adrenalin-Injektion oder der i.v.-Zugang mit Flüssigkeitsgabe? Adrenalin als i.m. oder i.v.-Injektion? Die Ärztinnen und Ärzte tauschen ihre Erfahrungen aus und gleichen sie mit dem Vorgehen nach der Notfall-Guideline ab.

Am Montagnachmittag steht die zweite Leichenschau des Tertials an. Mit dem Gedanken im Kopf, dass ich bald selbstständig Leichenschauen durchführen muss, schießen mir Fragen in den Kopf wie: Sollten noch vorhandene Katheter gezogen werden? Welche Konsequenz hat es, wenn ich die Todesursache als unklar angebe? Wie lege ich bei der Feststellung der Todesursache die Reihenfolge der unmittelbaren Todesursache und der vorhergehenden Ursachen fest, wie es auf dem bayerischen Totenschein gefragt wird? Bei dem Verstorbenen, dessen Gesundheitsverlauf ich nicht gut kenne, stellt das eine kleiner Herausforderung für mich dar. Wir haben das Glück, dass eine Pflegerin mit uns über die letzten Tage vor dem Versterben redet und etwas Klarheit verschafft.

Am Dienstag kann ich mein Wissen aus dem Schwindel-Seminar, das wir vor einigen Wochen hatten, in einer Sprechstunde anwenden. Endlich kann ich die HINTS-Untersuchungen (Head-Impulse-Test, Nystagmus, Test of Skew Deviation) praktisch üben und merke, dass die Tests leicht durchzuführen sind. Beim Besprechen meines Untersuchungsbefundes mit der Lehrzärztin fällt eines auf: In den meisten Fällen ist der Schwindel zum Zeitpunkt der Untersuchung gar nicht vorhanden; die HINTS-Tests sind aber für eine Untersuchung während des Schwindelanfalls gedacht und helfen uns in dem Fall zwischen peripherem und zentralem Schwindel zu unterscheiden und zu wissen, ob dem Patienten/der Patientin eher eine HNO- oder neurologische Betreuung helfen würde.

Samstagvormittag sind Stella und ich bei der AOK in Regen. An diesem sonnigen Vormittag treffen Studierende ein, die für ihre Famulatur im Rahmen des Exzellenten Winters aus verschiedensten Ecken Deutschlands angereist kommen. Es ist schön zu sehen wie Wolfgang diese Lehr-Projekte, die er ins Leben gerufen hat, mit vollster Leidenschaft vorantreibt. In einer motivierenden Ansprache heißt er die angehenden ÄrztInnen willkommen und läutet die kommenden ereignisreichen Wochen ein. Ich habe an dem Tag ein besonders großes Gefühl von Dankbarkeit für die Chance, mein PJ in den Praxen rund um Kirchberg mit dieser wunderbaren Lernatmosphäre machen zu können.

Premiere in den Praxen Grafenau und Schöfweg! Seit Ende Februar werden deutschlandweit die ersten Covid-Impfungen durch HausärztInnen in den eigenen Praxisräumen durchgeführt. Die Praxen Grafenau und Schöfweg sind Teil des Pilotprojekts. Anfangs stellt sich die aufwändige Dokumentationsarbeit als eine kleine Herausforderung dar. In den folgenden Tagen wird aber das Praxisteam immer eingespielter und das Impfen geht immer mehr in den Praxisalltag über. KollegInnen aus Praxen der Umgebung besuchen uns, um zu sehen, wie sie auch in ihren Praxen das kommende Impfprogramm umsetzen können. Nach dem ungewissen Warten auf einen Impfstoff und Zeiten der Impfstoffknappheit ist es spannend, wie langsam die Phase beginnt, in der Impfungen auch in Praxen verwirklicht werden.

Am Mittwoch findet im Rahmen des Exzellenten Winters ein Sono-Kurs statt, bei dem die Studierenden in kleinen Gruppen – durch jeweils eine FachärztIn betreut – ein erstes Gefühl für den Umgang mit dem Ultraschall-Gerät bekommen. Stella K. und Dr. Takacs führen den Kurs in Lalling. Die Studierenden beginnen tapfer mit der Bauchspeicheldrüse, was für den Erstversuch fantastisch funktioniert. Im Anschluss geht es mit den anderen Bauchorganen und großen Gefäßen weiter. Ein kleiner Einblick in das bunte Programm des Exzellenten Winters, das den FamulantInnen hier geboten wird.

Auch kann ich diese Woche erstmalig in den neuen Praxisräumen arbeiten, die nun vollständig barrierefrei sind. Die hellen, freundlichen Räume verleihen der Arbeit eine neue Art von Professionalität und Leichtigkeit. Es macht Spaß, von Raum zu Raum und Herausforderung zu Herausforderung zu springen.

Mein Allgemeinmedizin-Tertial neigt sich langsam dem Ende zu und mein M3 naht.

Auch diese Woche gab es wieder einige Fälle, die ich hier ausführlich beschreiben könnte.

Am Dienstag sehe ich einen relativ jungen Patienten mit einer einseitigen Unterschenkelschwellung, der am Vorabend krampfartige Schmerzen in dem Unterschenkel hatte. Bei der Untersuchung lässt sich das Ödem eindrücken und der Unterschenkel sieht im Vergleich zum Anderen stark geschwollen aus. Mit einem Druck über der Wadenmuskulatur lässt sich ein Schmerz provozieren. An AGVs kommt mir hier vor allem eine tiefe Venenthrombose in den Kopf.
Ein wichtiges Detail erwähnt der Patient in der Anamnese: Eine Knie-OP vor zwei Jahren. Seitdem sei der Unterschenkel immer wieder geschwollen. Aktuell sei es aber sehr stark und dazu krampfartig schmerzhaft. Dr. Machac wirft mit dem Ultraschall einen Blick auf die Venen und schließt eine TVT aus. In diesem Fall ist also eine Lymphabflussstörung wegen stattgefundener Knie-OP die wahrscheinlichere Ursache für die Schwellung. Der Patient wird entsprechend mit speziellen Kompressionsstrümpfen ausgestattet.

Am Mittwoch gibt uns Dr. Egidi aus Bremen einen Online-Vortrag über Kardiologie in der Allgemeinmedizin. Wie kann ich eine KHK diagnostizieren? Ist dafür invasive Diagnostik notwendig? Wie sieht die Studienlage zu der Hoch-Dosis Statin-Therapie bei älteren Leuten aus? Kann man bei einem älteren Patienten, der weniger Medikamente einnehmen will, einen ACE-Hemmer absetzen bei einem gut eingestellten Blutdruck? Ich freue mich erneut während des PJ-Tertials in diese MedizinerInnen-Gemeinschaft eintauchen zu können und so viel Input auch neben dem Praxisalltag zu erhalten.

Am Donnerstag gibt es einen interessanten Fall, der mir im Kopf bleiben wird: Ein Patient stellt sich vor, weil er seit etwa 3 Wochen ein vermehrtes Durstgefühl habe und vermehrt Wasserlassen müsse. Seit 3 Monaten hatte er dazu an Gewicht verloren nach sonst stets stabilem Körpergewicht. Zuhause hatte er diese Woche schon einmal selbstständig den Blutzucker erhöht gemessen. Wir machen einen Termin bei unserer Diabetes-Expertin Petra aus und nehmen Blut ab, damit sie direkt am nächsten Tag mit ihm die Werte anschauen kann und einen Plan entwerfen kann. Erstdiagnose Diabetes mellitus II – so typisch habe ich das bisher noch nicht mitbekommen.

Am Freitag und Samstag gibt es Lehrveranstaltungen im Rahmen des Exzellenten Winters. Dazu gehört ein Rückenschmerz-Crash-Course mit Dr. Buvar, der uns im Anschluss eine ausführliche orthopädische Rückenschmerz-Untersuchung mit sämtlichen Tipps und Tricks zeigt. Am Samstag finden vier direkt nacheinander getaktete Seminare über chronische Krankheiten statt. KHK, Herzinsuffizienz, Asthma/COPD und Diabetes mellitus im Schnelldurchgang mit einem Star-TutorInnen-Team aus Dr. Blank, zwei jungen Ärztinnen und Petra und Waltraud aus dem MFA-Team, die sich täglich um PatientInnen mit diesen Krankheiten kümmern.

Schon hat meine letzte Woche in Kirchberg begonnen. Die letzten 3 Monate sind wie im Flug vergangen. Wie es so sein soll, gibt es auch am letzten Tag noch einmal etwas besonders Spannendes:

Am Freitagvormittag stellt sich ein Patient in der Praxis vor, der seit dem Vorabend starke Schmerzen in der Brust hat. Im EKG sind zu dem Zeitpunkt keine Veränderungen zu sehen. Bei dem sehr eindrücklichen klinischen Erscheinungsbild wird der Notarzt verständigt, ein i.v. Zugang gelegt und ein Troponin- und D-Dimer Schnelltest gemacht. In der Zwischenzeit setzt Dr. Machac kurz den Schallkopf auf das Herz, kann aber keine Funktionsstörungen sehen. Der Troponin-Test fällt negativ aus, der D-Dimer-Test positiv. Dem Notarzt können wir die ersten Untersuchungsergebnisse mitteilen und die Einweisung erfolgt mit Verdacht auf Lungenarterienembolie.

Im Abschlussgespräch mit meiner Mentorin, S. Moschko, reflektieren wir über die letzten 3 Monate. Über meine theoretischen, praktischen und persönlichen Lernfortschritte. Ich habe das Gefühl in allen drei Bereichen riesige Fortschritte gemacht zu haben. Mit vielen Fragestellungen aus den Sprechstunden kann ich nun schon selbstständig umgehen, den PatientInnen verschiedene Lösungsansätze aufzeigen und gemeinsam einen Lösungsweg finden. Einige der Tipps, die mir Dr. Blank anfangs gegeben hat, konnte ich schon anfangen, umzusetzen, um an meiner Körperhaltung, Sprache und Ausstrahlung zu arbeiten. Natürlich ist das ein langer Prozess – einen Fortschritt kann ich aber schon jetzt merken.

Ich würde auch gerne den nächsten Monat weiter hier in Kirchberg und den Filialpraxen verbringen, um noch etwas von dieser positiven, gemeinschaftlichen Atmosphäre zu kosten. Leider muss ich das Tertial etwas früher beenden, um mich auf mein drittes Staatsexamen vorzubereiten. Es waren unvergessliche drei Monate, die ich hier im Bayerischen Wald verbringen konnte.

Solltest Du dir diese Erfahrungsberichte durchlesen, um zu gucken, ob das Tertial hier was für Dich ist: Es wird von Dir etwas gefordert, Dr. Blank ist im Vornherein sehr offen darüber. Neben dem Praxisalltag gehört es zu Deinen Aufgaben das Protokoll über die Montagsfortbildungen zu führen und Deine Erlebnisse im wöchentlichen Tagebuch festzuhalten. Diese investierte Zeit hatte für mich aber auch einen großen Nutzen. In die Themen der Montagsfortbildung habe ich mich intensiv einarbeiten können. Durch die wöchentlichen Tagebucheinträge hatte ich Zeit, die Erlebnisse aus dem Praxisalltag zu reflektieren und zu ordnen. Solltest Du damit leben können, hier und da ein paar Extra-Stunden zu investieren, die Du aber alles in allem vielfach zurückgezahlt bekommst, kann ich dir das Tertial hier wärmstens empfehlen. Der Abschied vom gesamten Team, das ich mittlerweile sehr ins Herz geschlossen habe, fällt mir schwer. Am Freitagnachmittag mache ich mich auf den Weg nach Göttingen, um in die nächste Phase zu starten und blicke mit erfülltem Herzen auf meine Zeit hier zurück. Vielen Dank für diese wunderbare, bereichernde Erfahrung und auf ein baldiges Wiedersehen!

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