Andreas Hierl

Praktisches Jahr
13.03.2023 – 02.07.2023

Woche 1: 13.03. – 19.03.2023

Am Sonntagnachmittag ging es für mich los in den Bayerischen Wald. Nach 4 Monaten Krankenhausalltag und einer lehrreichen, aber auch mühsamen Zeit in der Chirurgie bin ich gespannt, was mich in den nächsten Monaten hier erwarten wird. Irgendwie freue ich mich darauf, jetzt in einem anderen Setting als in einem Krankenhaus lernen und arbeiten zu dürfen.

In meiner ersten Woche lerne ich zunächst die Praxen in Schöfweg, Grafenau und Kirchberg, sowie einen Großteil des Ärzte- und Praxisteams kennen. Sofort werde ich überall herzlich aufgenommen und ich merke, dass jeder motiviert ist, mir etwas zu zeigen und beizubringen. An meinem ersten Tag laufe ich erstmal mit und schau zu, doch schon nach ein paar Stunden darf ich bei den ersten Patienten die Anamnese erheben, voruntersuchen, dokumentieren und anschließend berichten. Es ist schön, dass man hier schon nach kurzer Zeit das Vertrauen der Ärztinnen und Ärzte bekommt und ermutigt wird, selbstständig vorzuarbeiten und im Anschluss daran auch Feedback erhält. Bei Unsicherheiten ist es auch immer möglich, Hilfe zu bekommen oder doch erstmal nur zuzuschauen.

Es war in den ersten Tagen durchaus anstrengend, so viel neue Praxen mit teils unterschiedlichen Abläufen und verschiedene Ärztinnen und Ärzte mit einer jeweils etwas anderen Arbeitsweise kennenzulernen, doch ich merke auch, dass sich überraschend schnell eine gewisse Grundroutine einstellt.

Jeden Tag werde ich mit den unterschiedlichsten Fällen konfrontiert. Von ziemlich eindeutig, im Sinne einer klaren Blickdiagnose bis hin zu komplexen und uneindeutigen Fällen ist alles dabei. Für die erste Woche habe ich mir jedoch vorgenommen, erstmal den Fokus auf den „grippalen Infekt“ zu legen und davon gab es auch in dieser Woche den ein oder anderen.

Zusätzlich zu dem Praxisalltag war ich noch bei weiteren Fortbildungen dabei, wie Fallbesprechungen und dem Journal Club, sowie einem sehr interessanten Teaching für Studierende des Exzellenten Winters, in dem Dr. Blank anhand einer Fallbesprechung die Denk- und Herangehensweise eines Allgemeinmediziners vermittelt hat.

Am Ende dieser Woche bin ich aber schon auch froh, erstmal 2 Tage frei zu haben, um die ganzen Eindrücke sacken zu lassen und mich ein bisschen zu erholen. Denn diese Woche war auf jeden Fall auch herausfordernd und die Tage teilweise recht lang, aber man ist auch immer mit dem guten Gefühl belohnt worden, wieder ein Stück schlauer geworden zu sein.

Woche 2: 20.03. – 26.03.2023

Und schon ist auch meine zweite Woche wieder zu Ende. In dieser Woche habe ich die meiste Zeit in Lalling verbracht. Und hier gab es wieder viele unterschiedliche Fälle zu sehen. Selbstverständlich wieder einige grippale Infekte. Aber auch einige orthopädische, dermatologische und psychiatrische Probleme. Mir wird nochmals bewusst, dass sich in der Praxis ein Fall selten so schön eindeutig und klar präsentiert, wie es an der Uni in diversen Falldiskussionen immer gelehrt wird.  Mal sind es unklare diffuse Bauchschmerzen die schon Monate andauern; mal Müdigkeit und allgemeine Leistungsminderung; mal Pusteln an der Hand, die immer mal wieder auftreten und dann wieder verschwinden, und so geht es immer weiter. Oft können gefährliche Verläufe ausgeschlossen werden, aber trotzdem ist es manchmal schwierig, den Patienten eine direkte zielgerichtete Therapie anzubieten, die für beide Seiten zufriedenstellend ist. Oftmals ist es einfach nicht möglich, eine genaue Ursache für bestimmte Beschwerden zu erkennen und zu benennen, sodass manchmal auch nur Abwarten bzw. eine symptomatische Therapie sinnvoll ist. Ich finde es diese Woche aber auch interessant zu sehen, wie sich Frau Dr. Takacs bei zunächst unspezifischen Beschwerden Zeit nimmt und den psychosozialen Hintergrund der Patientinnen und Patienten erfragt und in die Überlegungen miteinbezieht. Dadurch kamen auch Aspekte zum Vorschein, die ich zunächst nicht in meine differentialdiagnostischen Überlegungen miteinbezogen hatte.

Neben Lalling verbringe ich diese Woche auch einen Tag in Kirchberg und lerne dann am Freitag auch noch die Praxis in Auerbach kennen. Insgesamt merke ich, wie ich zunehmend sicherer werde in der Befunderhebung und meine Anamnesefragen schon gezielter stellen kann, als noch ganz am Anfang. Und Schritt für Schritt wage ich mich auch an die nächsten Herausforderungen, wie Check-Up-Untersuchungen oder Schilddrüsensonographie. So will ich mir jetzt für jede Woche ein bestimmtes Organ oder Thema zum Üben und gezielten Nachlesen aussuchen.

Neben dem Praxisalltag gab es auch wieder die praxisinternen Fortbildungen und Fallbesprechungen. Hier fand ich v.a. die Fortbildung am Montag zum Thema Hämochromatose interessant. Durch die praktische Herangehensweise und Diskussion dieses Themas ist mir nochmal klarer geworden, wie und wann ich an eine Hämochromatose denken muss.

Am Ende dieser Woche haben dann auch meine beiden Mit-PJlerinnen Mira und Chiara ihr Tertial hier in Kirchberg beendet, sodass ich jetzt erstmal allein in der WG wohnen werde. So starte ich dann erstmal ins Wochenende und will die freie Zeit nutzen, um endlich mal den Bayerischen Wald zu erkunden.

Woche 3: 27.03. – 02.04.2023

Meine dritte Woche verbringe ich wieder überwiegend in Lalling. Wieder gab es einiges an spannenden Fällen zu sehen – von suspekten EKG-Veränderungen bis hin zu unklaren Beinschmerzen. Diese Woche sehe ich auch einige Patienten bereits zum zweiten Mal, meist zur Wundkontrolle. Hier finde ich es interessant und auch hilfreich, wenn man nicht nur den aktuellen Stand, sondern auch den Zustand von letzter Woche in seine Überlegungen miteinbeziehen kann. Meist zeigten sich die Wunden gebessert, aber einmal kam es auch bei anfangs unauffälligen Wunden nach einer Woche nochmal zu einer deutlichen Schwellung und Schmerzen.

Neben dem Praxisalltag habe ich mir diese Woche vorgenommen, einen Plan zu erstellen, was ich in den nächsten Wochen lernen und üben will. Das ist durchaus eine Herausforderung, da es gerade am Anfang gefühlt unendlich viel gibt, was man nachlesen oder üben könnte. Irgendwie schaff ich es aber, für mich selbst ein System zu erstellen – mit bestimmten Zielen für jede Woche. So will ich mir wöchentlich ein oder zwei der häufigsten Beratungsanlässe raussuchen und systematisch durcharbeiten. Und ich beginne diese Woche gleich damit, die Leitlinien für Husten und Rhinosinusitis durchzulesen, merke dabei aber auch, dass das ziemlich zeitintensiv werden kann. Und natürlich gibt es auch in dieser Woche genug Gelegenheiten, die neuen Erkenntnisse in der Praxis anzuwenden. Zusätzlich will ich noch jede Woche das Sonographieren eines bestimmten Organs bzw. die Untersuchung eines Gelenks gezielt trainieren, sowie die Beratung zu einem bestimmten Thema wie Krebsprävention oder Impfungen üben.

Ich bin mal gespannt, wie und ob dieses System funktionieren wird. Aber bisher habe ich das Gefühl, dass es hilfreich ist, sich immer wieder kleine Ziele zu setzen und darauf dann gezielt hinzuarbeiten. So hat man im besten Fall dann auch immer wieder kleine Erfolgserlebnisse und wird sich über den eigenen Lernfortschritt manchmal überhaupt erst bewusst.
 

Woche 4: 03.04. – 09.04.2023

In dieser Woche war ich die meiste Zeit in der Praxis in Auerbach. Mittlerweile übernehme ich auch schon die Check-Up-Untersuchungen, von denen es auch in dieser Woche einige gibt. Neben einem ausführlichen Gespräch über Risikofaktoren und Präventionsangebote, habe ich die Möglichkeit in Ruhe eine ausführliche körperliche Untersuchung und eine anschließende Sonographie der Schilddrüse und des Abdomens durchzuführen. Das ist eine gute Gelegenheit, um verschiedene Untersuchungstechniken gezielt zu üben. Am Ende schaut auch Dr. Kalmancai immer darüber, wodurch ich auch gleich Feedback bekomme, was ich evtl. übersehen haben könnte. Ich bin auch sehr dankbar, dass fast alle Patienten so viel Geduld und Zeit haben, mich so ausführlich (und langsam) untersuchen zu lassen.

Ansonsten waren meine Lernziele für diese Woche die strukturierte Anamnese und Untersuchung bei Rückenschmerzen (inklusive Leitlinie Rückenschmerz), das Sonographieren der Nieren, sowie die Beratung zum Thema Krebsvorsorge. Insgesamt bin ich in meinem Lernplan gut vorangekommen, wenngleich ich aber auch nicht alles geschafft habe. Denn am Donnerstagmittag starte ich bereits in meinen kurzen Osterurlaub.
 

Woche 5: 10.04. – 16.04.2023

Diese Woche verlief ähnlich wie bereits die Woche zuvor. Da ich mir nach dem Osterwochenende auch noch den Dienstag freigenommen hatte, startete ich erst am Mittwoch zurück in den Praxisalltag.

Die drei Tage verbrachte ich wieder größtenteils bei Dr. Kalmancai in Auerbach. Und wieder warteten einige Checkup-Untersuchungen auf mich. Hinzu kommen mehrere grippale Infekte, Rückenschmerzen und Wundkontrollen. Neben solchen eher häufigen Fällen, die ich schon zunehmend besser einschätzen kann, gab es aber natürlich wieder einige Patienten mit für mich eher unklaren Beschwerden: Hautausschläge, juckende Beine, Ohrenschmerzen, Z.n. Krampfanfall, Fettstühle, Gelenkschmerzen, usw.

Nach dieser kurzen Woche konnte ich dann das Wochenende nutzen, um endlich einmal einige der Wanderwege in der Umgebung kennenzulernen. Auf dem Königsstein konnte ich bei strahlendem Sonnenschein (was aktuell leider nicht allzu häufig vorkommt) den Ausblick über den Bayerischen Wald genießen und auch die Gegend um Lalling samt Feng-Shui Garten hat – wie ich finde – einen besonderen Charme.
 

Woche 6: 17.04. – 23.04.2023

Mittlerweile ist schon meine 6. Woche zu Ende. Und wie immer habe ich auch in dieser Woche einige neue Erfahrungen machen können. 
Am Montag war ich mit Dr. Blank in Grafenau und Rinchnach und den Rest der Woche verbrachte ich mit Frau Dr. Kleudgen und Frau Quaderer in Schöfweg. Und an gefühlt jedem Tag gab es einige Routinefälle, aber auch ebenso viele Patientinnen und Patienten mit Beschwerden, die ich nicht so ganz einordnen konnte.

So hat mich diese Woche ein Fall besonders beschäftigt. Eine jüngere Patientin leidet schon seit mehreren Wochen unter diffusen Bauchschmerzen. Zudem habe sie Nachtschweiß und könne schon seit längerem nicht mehr normal Essen. Privat und beruflich sei die Gesamtsituation aktuell auch sehr belastend. Sofort schießen mir zahlreiche mögliche gefährliche Diagnosen in den Kopf… Aber was und wie soll man jetzt weitermachen? Ist das eher psychisch bedingt? Wie intensiv sollte eine somatische Abklärung erfolgen? Um das weitere sinnvolle Vorgehen zu bestimmen, stelle ich dann erstmals auch einen Fall in der gemeinsamen Teambesprechung vor und frage nach der Meinung der anderen Ärztinnen und Ärzte. So bekomme ich dann eine Einschätzung und Hinweise, was sinnvoll wäre und was eher nicht. Mir wird dabei auch bewusst, dass ich noch zu oft dazu tendiere, sofort an irgendwelche seltenen „Spezialdiagnosen“ zu denken, dabei aber die häufigen Diagnosen aus den Augen verliere. Denn in der Allgemeinmedizin gilt schließlich… Häufiges ist häufig und Seltenes ist selten.
In der nächsten Woche werden wir das weitere Prozedere dann mit der Patientin besprechen. Ich bin gespannt, wie sich der Fall weiterentwickeln wird.
 

Woche 7: 24.04. – 30.04.2023

Mittlerweile ist meine 7.Woche zu Ende, die ich wieder in Schöfweg verbracht habe. Gleich zu Beginn begegnen mir einige orthopädische Fälle. Eine gute Gelegenheit, um die Untersuchungstechniken diverser Gelenke zu üben. Rückenschmerzen, Knieschmerzen nach Trauma, Ellenbogenschmerzen, Bursitis, Nackenschmerzen, …; gefühlt war diese Woche alles einmal dabei. Die eigentliche Herausforderung aber ist nicht das Untersuchen an sich, sondern vielmehr die richtigen Schlüsse aus den Ergebnissen zu ziehen. Und da liegen meine Einschätzung und die der ÄrztInnen doch manchmal deutlich auseinander.  Das Gute ist, dass wir das alles immer danach gemeinsam diskutieren können und ich so von der Erfahrung der ÄrztInnen profitieren kann.

Zudem ist mir diese Woche ein Patient in Erinnerung geblieben, der plötzlich am Fuß eine große Wunde mit Blasen bekommen hatte, ohne dass wir eine gute Erklärung dafür finden konnten. So musste die Wunde erstmal aufwändig versorgt und dann täglich kontrolliert werden. Und jeden Tag konnte man sehen, dass es dann glücklicherweise immer ein kleines Stückchen besser wurde.

Neben dem Praxisalltag gab es diese Woche wieder einen Journal Club. Mit verschiedenen HausärztInnen aus der Region wurden wieder spannende neue Studien zu verschiedenen Themen diskutiert. Von Antikoagulation über DRU als Krebsprävention bis hin zur Impfung gegen Herpes Zoster waren wieder viele interessante Themen dabei.
 

Woche 8: 01.05. – 07.05.2023

Jetzt bin ich schon 8 Wochen hier im Bayerischen Wald; das heißt die Hälfte meines Tertials ist vorbei und es wird Zeit für ein kleines Zwischenfazit: Mittlerweile kann ich sagen, dass ich die Praxisabläufe gut verinnerlicht habe und auch die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Ärztinnen und Ärzte kenne. 
Nach dieser Zeit habe ich zudem einerseits das Gefühl, schon viele verschiedene Krankheitsbilder einmal gesehen zu haben und andererseits bin ich doch jeden Tag aufs Neue überrascht, wenn es wieder Krankheitsbilder gibt, die ich so noch nicht gesehen habe. Die Standardfälle kann ich inzwischen -denke ich- relativ routiniert abarbeiten und ich habe auch das Gefühl, dass es mir zunehmend besser gelingt einzuschätzen, ob jeweils ein gefährlicher Verlauf vorliegt oder ob man lieber erstmal abwarten sollte. Und rückblickend kann ich auch sagen, dass ich meine medizinisch-praktischen und kommunikativen Fähigkeiten auf jeden Fall weiterentwickeln konnte und auch einen neuen differenzierten Blick darauf gewonnen habe, was eigentlich gute, patientennahe Medizin ausmacht. So zeigt die Lernkurve bei mir fast jeden Tag aufs Neue nach oben und immer wieder bietet sich die Gelegenheit, noch gezielt spezielle Sachen zu üben.

Jetzt bin ich dann gespannt, was die zweite Hälfte meines Tertials noch so bringen wird. Auf jeden Fall muss ich die verbleibenden Wochen noch nutzen, um endlich mehr vom Bayerischen Wald zu entdecken.

Woche 9: 08.05. – 14.05.2023

Wieder ist eine Woche in Lalling zu Ende und wieder begegneten mir viele verschiedene Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Beschwerden. Seien es grippale Beschwerden und Halsschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen, Hautausschläge, Blutdruckkontrollen, Wunden, Schwindel und Tinnitus, allergische Beschwerden oder doch eher was Exotisches. Hinzu kamen natürlich Check-Up-Untersuchungen und Impfungen. 
Es gab also wieder die gesamte Bandbreite der Allgemeinmedizin zu sehen. Insgesamt war es also wieder eine rundum gelungene und erfahrungsreiche Woche.
 

Woche 10: 15.05. – 21.05.2023

Diese Woche war ich aufgrund des Feiertages und eines Urlaubstages nur 3 Tage in den Praxen in Lalling und Auerbach. 
Mittlerweile erhebe ich nicht nur die Anamnese und führe die Untersuchungen durch, sondern immer öfter überlege ich mir auch das weitere Vorgehen und das zunehmend auch bei weniger eindeutigen Krankheitsbildern. Ich finde es gut, wenn man vom betreuenden Arzt bzw. der betreuenden Ärztin gefragt wird, was denn die eigene Einschätzung sei bzw. was man weiter machen würde. So muss ich mir jetzt immer öfter überlegen: Welche Therapie sollte man beginnen? Antibiose ja oder nein? Abwarten oder sofort handeln? evtl. sogar einweisen oder überweisen? Falls ja, wohin?
Dadurch wird einem auch bewusst, wie herausfordernd der Arztberuf ist. Die eine „Standardtherapie“ gibt es einfach nicht, man muss immer wieder abwägen und dann die für den jeweiligen Patienten passende Entscheidung treffen.
Insgesamt ist das alles natürlich herausfordernd, doch hier in den Praxen bekommt man auch die Chance, genau das zu lernen und in den Arztberuf hineinzuwachsen. Man wird ermutigt, sich eigene Gedanken zu machen, kann diese diskutieren und all das geschieht natürlich immer unter enger Supervision.
 

Woche 11: 22.05. – 28.05.2023

Diese Woche begann am Montag gleich mit einem übervollen Wartezimmer in Lalling. Viele Patientinnen und Patienten mit teils recht komplexen Anliegen oder Beschwerden kamen relativ zeitgleich am Morgen in die Praxis und man konnte direkt zusehen, wie die Patientenliste immer länger wurde. Doch es bleibt natürlich erstmal nichts anderes übrig, als einen nach dem anderen zu behandeln; an diesem Tag natürlich nicht ohne etwas längere Wartezeiten, was wiederum teils zu leichter Verärgerung führte. Frau Dr. Takacs hat es mit ihrer sehr empathischen Art aber jedes Mal wieder geschafft, die Leute zu beruhigen, sodass sie meist wieder zufrieden die Praxis verlassen konnten. Und tatsächlich ist es uns dann doch gelungen, alle Patienten bis um kurz nach 12Uhr zu behandeln. Mir ist dabei wieder Mal klar geworden, dass der Stresslevel in einer Hausarztpraxis dem im Krankenhaus – zumindest an bestimmten Tagen – in nichts nachsteht.
Neben dem Praxisalltag startete diese Woche auch eine Teachingreihe des Landkreises Cham extra für Medizinstudierende. Los gings am Mittwoch mit einem Nahtkurs im Krankenhaus Cham. Auch wenn ich mein Chirurgietertial schon hinter mir hab und das ein oder andere Mal nähen konnte, wars nochmal eine gute Übung mit dem sehr engagierten chirurgischen Chefarzt Dr. Stadler in Ruhe und ohne wachsame Blicke und Kommentare seitens des OP-Personals an Schweinebäuchen nähen zu können.
Zudem bin ich seit dieser Woche nicht mehr der einzige Student in der Praxis. Drei PJ-Studentinnen haben ihr Tertial hier im Bayerischen Wald begonnen. Gleich am Sonntag ist Julia hier in Kirchberg miteingezogen und am Mittwoch beim Nahtkurs konnten wir dann noch Tabea und Alicia kennenlernen, die beide in Grafenau untergebracht sind. Nach dem Teaching haben wir dann die Zeit gleich noch genutzt, um uns beim gemütlichen Abendessen beim Italiener in Regen auszutauschen und besser kennenzulernen.
 

Woche 12: 29.05. – 04.06.2023

Auch diese Woche begann wieder nach dem Feiertag am Montag mit einem gut gefüllten Wartezimmer am Dienstag. Einige der umliegenden Praxen hatten zudem noch Praxisurlaub, sodass zusätzlich noch einige Vertretungspatientinnen und -patienten kamen. Es gab also wieder einiges zu tun und vor allem am Dienstag war das Arbeitstempo dementsprechend hoch. In meiner 12. Woche komme ich damit aber gerade im Vergleich zum Anfang wesentlich besser zurecht. Im Laufe der letzten Wochen habe ich gelernt, zunehmend selbstständiger zu arbeiten. Nicht jeder Untersuchungsbefund muss nochmal kontrolliert werden und gerade bei Patientinnen und Patienten mit unkomplizierten Beschwerden reicht es meist aus, diese nur noch kurz zu besprechen. Dadurch lernt man auch, wie es ist, schrittweise Verantwortung zu übernehmen – dies geschieht freilich nur so weit, wie man sich auch sicher und kompetent fühlt. Gerade am Anfang war das aber noch ziemlich ungewohnt, da ich bisher selten so eigenständig gearbeitet habe. Man merkt aber schnell, dass das wesentlich lehrreicher und interessanter ist, als immer nur der stille Zuschauer zu sein 😀

Neben dem Praxisalltag gabs auch diese Woche wieder am Mittwoch ein Teaching in Cham. Diesmal zum Thema Notfallmedizin. Neben einer Besichtigung der Fahrzeuge des Rettungsdienstes durfte natürlich auch das Üben der strukturierten professionellen Reanimation nicht fehlen. Ein Thema, das man wahrscheinlich nicht oft genug üben kann:)

Nach interessanten und wieder intensiven Tagen in den Praxen rundet am Wochenende ein Kurztrip nach Passau schließlich eine gelungene Woche ab.
 

Woche 13: 05.06. – 11.06.2023

Meine 13. Woche ist zu Ende und langsam realisiere ich auch, dass mein Tertial hier im Bayerwald nicht mehr allzu lange dauern wird. Das Team, die Praxen, die Studentenwohnung und die ganze Gegend hier sind mir mittlerweile recht vertraut geworden. Vieles hier werde ich bestimmt bald schon vermissen. Aber noch ist es nicht so weit, denn ich hab ja noch drei volle Wochen vor mir, die ich wieder nutzen werde, um meine hausärztlichen Fertigkeiten weiter zu schärfen.
Auch diese Woche habe ich drei interessante Tage in Auerbach verbracht. Anhand der Krankheitsbilder hat man auch gemerkt, dass der Frühsommer auch hier endgültig angekommen ist. Der „grippale Infekt“ wird zunehmend seltener, wohingegen allergische Beschwerden auf Pollen, Bindehautentzündungen und Zeckenstiche in dieser Woche mit zu den häufigsten Beschwerden zählten. Zudem darf ich Dr. Kalmancai wieder bei Hausbesuchen begleiten. Wir besuchen einen älteren Herrn mit multiplen schweren Vorerkrankungen, der erst vor kurzem wieder aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ich bin erstaunt, wie fit er auf mich wirkt, gerade in Anbetracht seiner Diagnosen und seines Alters. Wir besprechen die aktuelle Medikation und die anstehende Reha mit ihm und kontrollieren schließlich noch seine Wunde. Im Anschluss geht es wieder zurück in die Praxis und für mich dann schließlich ab ins verlängerte Wochenende.
 

Woche 14: 12.06. – 18.06.2023

Woche 14 ist zu Ende und ich hätte eigentlich gedacht, inzwischen einen Großteil der hausärztlichen Beratungsanlässe schon einmal gesehen zu haben. Doch ich wurde in den letzten Tagen eines Besseren belehrt. Diese Woche war so, als würde mich jemand jeden Tag absichtlich vor neue Herausforderungen stellen wollen.

Einmal gings darum, Geschlechtskrankheiten abzuklären, dann darum eine gefährliche Ohrenerkrankung auszuschließen, an wieder einem anderen Tag fiel eine verdächtige runde Raumforderung in der Abdomensonographie auf. Jeder Tag hatte für mich wieder neue Erkenntnisse parat und ich bin mittlerweile fest überzeugt, dass man auch nach 10 oder 20 Jahren in diesem Beruf immer wieder Neues und Unbekanntes sehen wird.

Zudem bin ich in dieser Woche auch vermeintlich einfache Fragestellungen wesentlich differenzierter angegangen als zuvor. Es geht ja schließlich nicht nur darum, mit welchem Medikament begonnen oder welche Maßnahme empfohlen werden sollte. Sondern auch um Fragen wie beispielsweise, wie schaffe ich bei dem Patienten oder der Patientin ein Bewusstsein für die jeweilige Grunderkrankung, wie kommuniziere ich die Vor- und Nachteile einer bestimmten Maßnahme am besten, was macht für die betreffende Person überhaupt Sinn in Hinblick auf die jeweiligen Lebensumstände. In diesem Zusammenhang fand ich auch den Journal Club am Mittwoch wieder sehr interessant, denn auch dort wurden bestimmte Kontroversen diskutiert, wie die Darmspiegelung als Krebsvorsorge oder etwa das altbekannte wie auch stets aktuelle Thema der Cholesterinwerte bzw. -therapie.

Zum Wochenende hat mich Dr. Blank dann noch zu einer Wanderung auf den Rachel eingeladen. Frühmorgens zu dritt (Paddington war auch noch dabei) hoch auf den Gipfel – einfach nur schön. Das war auch eine gute Gelegenheit, um sich einmal abseits des Praxisalltags kennenzulernen.

Woche 15: 19.06. – 25.06.2023

Meine vorletzte Woche war wieder sehr abwechslungsreich. Ich war in den Praxen in Schöfweg, Kirchberg, Grafenau und Lalling. Als kleine Besonderheit durfte ich am Dienstag zudem einen Tag bei dem Internisten Dr. Werner in Regen hospitieren. So konnte ich auch mal für einen Tag die nächste Versorgungsstufe nach dem Hausarzt erleben. Die meisten Patientinnen und Patienten, die kamen, hatten schon einige Vorerkrankungen und kamen dementsprechend zur Verlaufskontrolle. So konnte ich an diesem Tag viele verschiedene internistische Krankheitsbilder sehen; von der Beinvenenthrombose bis hin zu sämtlichen Herzklappenfehlern mit den entsprechenden Komplikationen. Zudem ist mir aufgefallen, dass Dr. Werner sich weitaus mehr Zeit für seine Patienten nimmt, als es in einer Hausarztpraxis üblich ist.  Mich hat hierbei vor allem die unglaubliche Ruhe beeindruckt, die Herr Dr. Werner während seiner Sprechstunde ausstrahlt. Er lässt die Patienten zunächst geduldig ausreden, beantwortet sämtliche Fragen und lässt auch Raum für die Sorgen und Ängste der Patientinnen und Patienten.

Am Donnerstag durfte ich dann in Grafenau die Sprechstunde zunächst allein beginnen, da Herr Dr. Blank erst eine dreiviertel Stunde später kam. Zu meiner Erleichterung kamen in diesem Zeitraum nur zwei Patienten – einmal mit grippalem Infekt und einmal zur Schilddrüsenkontrolle. Beides Sachen, die ich ja mittlerweile recht gut beherrsche. Und beide haben dann glücklicherweise auch noch sehr geduldig bis zur Ankunft von Dr. Blank gewartet

Woche 16: 26.06. – 02.07.2023

Zu Beginn meiner letzten Woche durfte ich noch gemeinsam mit Julia drei Tage in der Rehaklinik in Schaufling hospitieren. Wir wurden gleich zu Beginn sehr herzlich von Herrn Dr.Buvar in Empfang genommen. Gemeinsam mit seinem Team hatte er für die drei Tage extra ein Programm für uns zusammengestellt, sodass wir vormittags an den verschiedenen Therapieangeboten teilnehmen konnten (von Elektro-/ Hydro- oder Wärmetherapie über Bogenschießen bis hin zu Arbeitstherapie war alles dabei) und nachmittags bei Aufnahmegesprächen dabei waren. Zusätzlich hat uns Dr. Buvar geholfen, unsere orthopädischen Fertigkeiten zu verbessern, indem er mit uns sehr intensiv die Untersuchung von Knie und Schulter samt Gelenksonographie geübt hat. Es waren sehr interessante Einblicke und Erfahrungen, denn bisher hatte ich selbst noch keine Berührpunkte zur „Reha-Medizin“. Und auf jeden Fall habe ich einiges lernen können, was ich auch im hausärztlichen Alltag wieder brauchen kann.
An den letzten beiden Tagen hieß es dann schließlich noch Abschied nehmen von meinen beiden „Stammpraxen“ in Auerbach und Lalling und letztlich auch vom gesamten Team. Mein zweites Tertial ist jetzt zu Ende und wenn ich zurückblicke, waren die vergangenen 16 Wochen für mich eine unglaublich lehrreiche, intensive und schöne Zeit. Sowohl fachlich als auch menschlich durfte ich vom ganzen Team lernen und diese Zeit hat mich mit Sicherheit geprägt und mir geholfen, nach und nach in den Beruf als Arzt hineinzuwachsen. Vielen Dank nochmal für so viel Geduld, Offenheit, Engagement und Herzlichkeit.