Sascha Purmann

1. Woche

Nun bin ich seit einer Woche im Bayrischen Wald und habe viele herzliche Menschen kennengelernt. In der ersten Woche habe ich mir das Ziel gesetzt, die Praxis kennenzulernen. Dieses Ziel zu erreichen, war schwieriger als gedacht, da die Praxis auf vier Standorte verteilt ist und ich in dieser Woche mindestens einmal an jedem Standort war. Zusammenfassend kann man sagen, dass es eine große Praxis ist mit sehr vielen MFA und vielen Ärztinnen und Ärzten ist. Jede MFA hat auch Schwerpunkte, beispielsweise die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus oder Depression. So ganz den Überblick habe ich bisher noch nicht, aber ich freue mich schon darauf, auch diese Seite der Allgemeinmedizin besser kennenzulernen.

Ich war wieder erstaunt, wie breit das Fach ist, obwohl ich die Vielfalt schon von der Famulatur in der Allgemeinmedizin kannte. Die Patientinnen und Patienten besuchen die Praxis wegen einer Vielzahl von Gesundheits- und Befindlichkeitsstörungen. Insgesamt ist es hierbei allerdings wichtiger, die Erwartungen der Patienten in die Therapieüberlegungen einzubeziehen, als zu versuchen, eine möglichst exakte klinische Diagnose zu stellen.

Gut ist das Lehrkonzept in der Praxis: Man ist prinzipiell sehr frei, was man wann lernen möchte und auf welche Weise. Ich fand es gut, einfach bei einem Gespräch dabei zu sitzen und den Arzt als Rollenvorbild zu nutzen. Jeder Arzt und jede Ärztin hat ihren eigenen Stil und bringt die eigene Persönlichkeit in die Arbeit ein, ohne dass man sagen könnte, der eine macht es besser als ein anderer. Für mich wird es in den kommenden vier Monaten also auch darum gehen, mich auszuprobieren und meinen eigenen Stil zu finden. Ich fand es auch gut, mich vorher mit dem Patienten zu unterhalten und dem Arzt dann das Beratungsanliegen zusammen mit dem Patienten vorzustellen. Hierbei konnte ich lernen, stets um eine gute Gesprächsatmosphäre bemüht zu sein.

Neben der ganzen Action in der Praxis läuft zudem gerade noch der „Exzellente Winter“ und ich konnte dort an den Nachmittagsveranstaltungen teilnehmen. Alles in Allem eine Woche mit viel Stress, aber positivem Stress: Eustress.

2. Woche

Meine zweite Woche im Bayrischen Wald geht nun zu Ende. Drei Erfahrungen, die ich in dieser Woche gemacht habe, möchte ich hervorheben: Die Untersuchung von erkrankten Kindern, die erlebte Anamnese und die tägliche Konfrontation mit dem Ultraschallgerät.

Ich hatte erwartet, dass man in der Allgemeinmedizinpraxis nur wenige Kinder sieht. Ich hatte angenommen, dass Eltern lieber zu einem Kinderarzt gehen, wenn es einen Kinderarzt in der Nähe gibt. So war ich angenehm überrascht, wie viele Eltern mit Ihren Kindern in die Praxis kommen. Manche sagen, dass kranke Kinder „schwierig“ zu untersuchen sind, was vielleicht auch stimmt, und so hatte ich in dieser Hinsicht vielleicht einfach nur Glück: In dieser Woche konnte ich gleich mehrere Kinder untersuchen und muss sagen, dass die Arbeit mit Kindern einfach sehr viel Spaß macht.

In dieser Woche habe ich auch das erste Mal das erfahren, was man als erlebte Anamnese bezeichnet. Die Patientin betrat den Raum und sie lächelte, als sie mich sah. Sie war schon in der letzten Woche in der Sprechstunde und klagte über Rückenbeschwerden, wie ich mich erinnerte. Sie hat drei Kinder, alle erwachsen, zwei wohnen in der Region, eine Tochter ist nach Norddeutschland gezogen. Sie hat oft Rückenbeschwerden, sitzt viel in Ihrem Beruf und fährt gerne Fahrrad. Davon findet man nichts in der Krankenakte, es ist die gemeinsame Geschichte, die man als Arzt mit dem Patienten teilt.

Ob man will oder nicht, wer hier in der Praxis famuliert oder PJ macht wird sich mit dem Ultraschall beschäftigen müssen. Hier habe ich diese Woche ein paar Fortschritte gemacht. In der Praxisbibliothek habe ich das Buch „Sonographische Diagnostik“, herausgegeben von Kremer und Dobrinski, gefunden. Die notwendige Theorie zu den praktischen Übungen, den Ultraschalluntersuchungen, die ich selbst an Patientinnen und Patienten unter Supervision durchführen konnte.

3. Woche

In dieser Woche hatte sich ein junger Patient mit Schmerzen in beiden Knien vorgestellt. Die Schmerzen zogen von caudal der Kniescheibe nach lateral, der Patient war zwischen 12 und 16 Jahren und sportlich aktiv. Typisch für einen Morbus Osgood-Schlatter. Ich habe es trotzdem nicht erkannt, obwohl wir in der ersten Woche schon mal einen ähnlichen Fall hatten. Sehr wahrscheinlich bleibt mir diese Erkrankung diesmal besser in Erinnerung, da ich bei diesem Patienten Anamnese und körperliche Untersuchung durchgeführt habe, bevor wir zusammen mit Dr. Blank weitere Diagnostik und Therapie besprochen haben.
Im Gedächtnis wird mir auch ein weiter Fall bleiben: Es stellte sich eine Patientin mit stark geschwollenen Fingergrund- und Fingermittelgelenken vor – der Schub einer rheumatoiden Arthritis. Die Frage, welche Gelenke bei dieser Erkrankung betroffen sind, werde ich mir durch die persönliche Erfahrung mit dieser Patientin so schnell nicht wieder stellen müssen.

4. Woche

Am Mittwoch waren wir bei einer regionalen Fortbildungsveranstaltung. Hier informieren und diskutieren die Assistenzärzte der Gemeinschaftspraxis Review-Artikel mit interessierten Allgemeinmedizinern der Region. Zufälligerweise war ein Thema der Einsatz von Colchicin in der Gicht-Therapie – ein Thema, mit dem ich mich am Tag zuvor schon beschäftigt hatte. Eine Patientin stellte sich erneut mit einem Gichtanfall, der auf die bisherige Therapie mit NSAID und Cortison schlecht ansprach, vor. Aufgrund der Nebenwirkungen von Colchicin hatten wir uns bei dieser Patientin dagegen entschieden, ihr dieses Medikament als Therapie vorzuschlagen. In der Fortbildungsveranstaltung wurden wir in unserer Entscheidung bestärkt, auch wenn man anerkennen muss, dass der Einsatz, beispielsweise bei der Einstellung eines Patienten auf Allopurinol, durchaus sinnvoll sein kann.

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