Mira Woll

Praktisches Jahr
26.12.2022 – 16.04.2023

Woche 1: 26.12. – 30.12.2022

Weihnachten ist fast vorüber und direkt geht es Schlag auf Schlag weiter. Mein letztes PJ-Tertial beginnt und ich mache mich am 2. Weihnachtsfeiertag auf den Weg in den Bayerischen Wald. Gut erholt und mit vollem Magen fahre ich durch den nebligen Wald Richtung Kirchberg. Ich als geborenes Landei sollte ich mich doch direkt im Bayerischen Wald wohlfühlen – Hügel und Berge, kleine und große Dörfer, ländliches Leben – das kenne ich schon alles aus meiner Kindheit, dachte ich mir. Nach fast sechs Jahren Großstadtleben freue ich mich schon sehr auf vier Monate auf eine etwas ländlichere Gegend mit der Nähe zur Natur. Auf dem Kirchenbuckel bei der PJler*innen-WG ist direkt viel los, überall Autos und Menschen, die zur Kirche strömen. 

Angekommen in der wunderschönen Wohnung treffe ich kurz später auf meine Freundin und PJ-Kollegin Chiara, die ich schon im Exzellenten Sommer 2020 kennengelernt habe. Wir richten uns in der Wohnung ein und machen es uns in noch weihnachtlicher Stimmung gemütlich. Auch in der Großstadt hatte ich einen schönen Ausblick aus meinem Zimmer im 7. Stock – der Blick vom Kirchenbuckel Kirchbergs, als die Sonne morgens über den Wäldern am Horizont aufgeht, steht dem in nichts nach. Tag 1 und die Glücksgefühle schnellen in die Höhe. Eine kurze Woche zwischen den Jahren sollte doch schnell um sein, nach den Weihnachtsfeiertagen gibt es bestimmt einiges zu tun, dachte ich mir. Mit einem guten Gefühl startete ich am ersten Morgen in der Praxis in Auerbach bei Dr.  Kalmancai.

Da viele Praxen im Umkreis gerade im Urlaub sind, fanden wie erwartet viele Patient*innen mit teilweise langer Anfahrt den Weg zu uns und es gab sofort viel zu tun. Mit den unterschiedlichsten Beratungsanlässen strömten die Patient*innen am ersten Tag nach den Weihnachtsfeiertagen in die Praxis. Eine geschwollene Hand, Verstopfung, ein blockiertes ISG-Gelenk, Schwindel, ein Ulcus cruris, Schlaflosigkeit, eine Krankenhausentlassung mit neuen Medikamenten – hier nur einige Beispiele genannt. Gerade an den Weihnachtsfeiertagen boten sich einige Gelegenheiten, sich mit Influenza und anderen grippalen Infekten zu infizieren. Trockener Husten, Fieber und Gliederschmerzen seit heute Nacht bei einem jungen Mann in Zimmer 1; eine laufende Nase, Ohrenschmerzen und Müdigkeit bei einem kleinen Mädchen seit einer Woche in Zimmer 2; Schluckbeschwerden, Lymphknotenschwellung und Dysphagie seit drei Tagen bei einer erwachsenen Frau in Zimmer 3; Heiserkeit, Kopfschmerzen und Müdigkeit seit vorgestern bei einem alten Mann in Zimmer 4 – es gibt viel zu tun: Anamnese, körperliche Untersuchung mit Rachen- und Trommelfellinspektion, Lymphknoten tasten, Lungen abhören – gleich bekomme ich einen Eindruck, wie vielfältig Erkältungskrankheiten und deren Behandlung sein können. 

Abends sitze ich an unserem Tisch im Wohnzimmer mit Blick über Kirchberg und lasse den ersten Tag Revue passieren. Zwei Seiten auf meinem Notizblock kann ich spontan mit unterschiedlichen Patientenfällen füllen und dies wird sich auch an den restlichen Tagen dieser Woche so fortführen. 

Die restlichen Tage verbringe ich überwiegend in der Praxis in Kirchberg bei Dr. Machac und Dr. Kunzendorf. Hier durften weiter fleißig Lungen abgehört werde, die Feiertage hatten es anscheinend in sich – hier ein Brummen, da ein Giemen, hier eine Spastik, da ein normales Atemgeräusch, war das gerade ein Rasselgeräusch? Die Erkältungswelle ist noch in vollem Gange. Kritische Patient*innen sehe ich diese Woche sogar schon zum zweiten Mal zur Kontrolle und bekomme dabei direkt die Möglichkeit Patient*innen in ihrem Verlauf beobachten zu können und die Befunde zwischen den einzelnen Tagen vergleichen zu können. Eine Patientin hatte zum Beispiel inzwischen schwere Atembeschwerden mit Luftnot entwickelt, wir müssen sie in ein Krankenhaus einweisen. 

Nach der Sprechstunde am Freitag schließe ich die erste Woche und auch das Jahr 2022 zufrieden und voller Vorfreude auf das Jahr 2023 ab. Ich bin gespannt, welche spannenden Fälle mir nächste Woche begegnen werden.

Woche 2: 02.01. – 08.01.2023 

Neues Jahr, neue Woche, neue Praxen, neue Lehrärzt*innen.

Diese Woche darf ich in die mir bisher noch unbekannten Praxen in Lalling und in Schöfweg hineinschnuppern. Die erste Wochenhälfte verbringe ich mit Dr. Blank und Dr. Hill in Lalling. Dr. Blank erzählt mir einiges über die Arzt-Patienten-Beziehung und gibt mir Tipps zur ärztlichen Haltung. Die ganze Woche habe ich die Gelegenheit meine kommunikativen Fähigkeiten unter Aufsicht weiter zu verbessern und bekomme dabei wertvolles Feedback.

Nach der Weihnachts- und Ferienpause beginnen nun auch für mich die Fortbildungen. In der Mittagszeit stehen praxisübergreifende Fallbesprechungen per Online-Liveschalte auf dem Programm. So diskutieren wir am Dienstag mit Dr. Hill einen spannenden Patientenfall in großer Runde, den wir am Vormittag zusammen gesehen hatten. Am Donnerstag informiert Dr. Hill uns darüber, wie es mit dem Patienten weiterging und welcher unserer diskutierten Therapiewege eingeschlagen wurde.

 In der zweiten Wochenhälfte darf ich Dr. Kleudgen und Dr. Quaderer in Schöfweg begleiten. Auch hier bin ich sofort in den Praxisalltag integriert und mache fleißig Anamnesen und präsentiere diese den Ärztinnen. Ich darf Vorschläge machen, welche Therapie ich für sinnvoll erachte, und bekomme dazu wertvolles Feedback. Gemeinsam schauen wir bei einem etwas komplizierteren Fall nach, was in den Leitlinien empfohlen wird.

Immer wieder müssen wir uns auch mit dem kritischen Einsatz von Antibiotika auseinandersetzen. Manche Antibiotika sind zurzeit nicht lieferbar, dennoch haben wir Patienten, die dringend ein Antibiotikum bekommen müssen. Hier gilt es nun ein lieferbares und ebenso hilfreiches Antibiotikum zu finden.

Vollgepackt mit vielen Ereignissen und spannenden Patient*innenfällen geht eine erneut kurze Woche zu Ende. Ich erhole mich mit Freunden und Familie bei einem langen Wochenende und bin schon gespannt auf die nächste Woche.

Woche 3: 09.01. – 15.01.2023 

Woche 3 – ich verbringe die ganze Woche mit Dr. Takacs und Dr. Hill in Lalling. Mehr und mehr nehme ich mich auch etwas komplizierten und ausführlichen Beratungsanlässen an. Im Anschluss bespreche ich die Fälle mit meinen Lehrärzt*innen durch und kläre offene Fragen. Ich mache Vorschläge zum weiteren Vorgehen, zur weiteren Diagnostik und zur möglichen Therapie. Oftmals werde ich gefragt, warum ich mich für bestimmte diagnostische Mittel oder Medikamente entscheiden würde. Dabei muss ich meine Ideen gründlich hinterfragen und logisch begründen. Die Beratungsanlässe mit grippalem Infekt haben etwas nachgelassen und diese Woche begegneten mir einige interessanten Auffälligkeiten der Haut und Schleimhäute und Hautkrankheiten, von denen ich gerne berichten möchte. Ein Kontaktekzem, Erythema ad igne, mehrere Patient*innen mit Psoriasis vulgaris mit unterschiedlichen Befallsmustern, eine atopische Dermatitis, eine aktinische Keratose, eine Pityriasis rosea, ein Erythema migrans, eine unklare Schwellung in der Axilla, eine Mundwinkelrhagarde, eine Aphte, Scabies, …  – und immer stelle ich mir die Frage, gibt es eine Ursache oder Grunderkrankung, welche abwendbar gefährlichen Verläufe muss ich bedenken und wie sieht die Therapie aus?

 Wie bin ich eigentlich auf das PJ in der Allgemeinmedizin gekommen und warum ausgerechnet im Bayerischen Wald?  Durch meine Famulatur im Krankenhaus Viechtach im Exzellenten Sommer 2020 durfte ich die Umgebung und einige Ärzte aus der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald bereits kennenlernen. Vor allem die Professionalität, das große Team mit vielen verschiedenen Facetten und Expertisen und das Lernen im Team und durch das Team hat mich begeistert. Allgemeinmedizin im PJ – immer mehr spielte ich mit dem Gedanken. Ein Probetag gab schlussendlich dann den Ausschlag – ich hatte an nur einem Tag so viele Patient*innen mit den unterschiedlichsten Beratungsanlässen gesehen, dass ich überzeugt war, dass mir das auch auf längere Zeit hin große Freude bereiten würde. Und auch diese Woche bestätigt mich sehr in meiner Wahl. Die Patient*innen in unserer Sprechstunde sind sehr vielfältig. Gerade die Kinder und Jugendlichen, mit denen ich bisher aus medizinischer Sicht noch recht wenig Berührungspunkte hatte, sind eine spannende Herausforderung für mich. Ich lerne, wie ich auch mit Kindern umgehe, die keine Lust auf eine Untersuchung oder sogar Angst vor einer Untersuchung haben. Gerade im Umgang mit Heranwachsenden, die in Begleitung ihrer Eltern kommen, gibt es besondere Herausforderungen, die ich diese Woche gut meistern konnte.

Woche 4: 16.01. – 22.01.2023 

Meine vierte Woche darf ich nochmals bei Dr. Takacs in Lalling verbringen. Außerdem darf ich an einem Tag die Praxis in Grafenau mit Dr. Blank kennenlernen, in der ich bisher noch nicht gewesen bin. Eine spannende rheumatologische Erkrankung bei einer jungen Frau beschäftigt uns diese Woche sehr, vielleicht ist es ein sogenanntes „Kolibri“ – eine seltene Erkrankung, die man in seinem „Ärztinnenleben“ nur wenige Male zu Gesicht bekommen wird? Wir machen eine rheumatologische Labordiagnostik und untersuchen sie gründlich. Wir recherchieren in Lehrbüchern und Onlinenachschlagewerken und diskutieren mögliche Differenzialdiagnosen. Eine Überweisung zu einem Rheumatologen ist erfolgt und wir sind gespannt, was dieser uns berichten wird.

Außerdem lerne ich diese Woche einiges über die Schilddrüsensonographie. Mir bereitet es große Freude, die Patient*innen schonmal vorab zu sonographieren und beispielsweise das Volumen der Schilddrüse auszumessen oder mögliche Pathologien zu entdecken und meinen Lehrärzt*innen zu präsentieren. Durch die gemeinsame Überprüfung mit meinen Lehrärztinnen bekomme ich sofort Rückmeldung, ob ich die Strukturen richtig ausgemessen habe und ob ich die möglichen Pathologien richtig erkannt habe.

Jeden Tag sehe ich viele Patient*innen mit unterschiedlichen Beratungsanlässen. In schnellem zeitlichem Wechsel brauche ich Grundwissen aus den Fächern Innere Medizin, Dermatologie, Neurologie oder Psychiatrie. Und im nächsten Moment habe ich einen Patienten mit einem orthopädischen Problem vor mir sitzen. Oftmals haben die Patient*innen mehrere verschiedene medizinische Fragen und Probleme. Ich merke, dass meine Anamnesen immer strukturierter werden und ich schneller zu meiner Verdachtsdiagnose komme. Ein multimorbider Patient, den wir letzte Woche in das Krankenhaus eingewiesen hatten, stellte sich wieder bei uns vor. Im Krankenhaus wurde unsere Verdachtsdiagnose Urosepsis bestätigt und er wurde mit Antibiotika therapiert. Ich freue mich sehr, dass es ihm besser geht, auch wenn noch weitere medizinische Fragestellungen in den nächsten Tagen und Wochen geklärt werden müssen. Eine unklare, malignomverdächtige Raumforderung in seinem Bauchraum muss noch weiter abgeklärt und untersucht werden. Den Patienten vom Symptombeginn, über die Diagnostik und bis zur Therapie zu begleiten ist für mich sehr lehrreich und interessant. Ich bin gespannt, was die weitere Diagnostik ergeben wird.

Dieses Wochenende bekomme ich Besuch von meiner Familie. Auch sie staunen über die schöne Natur. Wir spazieren gemeinsam durch das inzwischen etwas winterliche Kirchberg und besuchen den Nationalpark.

Woche 5: 23.01. – 29.01.2023

Diese Woche darf ich in die Praxis in Auerbach zu Dr. Kalmancai rotieren und es gibt wieder einige spannende Patient:innenfälle. Außerdem stehen einige Hausbesuche auf dem Nachmittagsprogramm.

Mit Dr. Kalmancai mache ich einige Hausbesuche bei Patient:innen, die nur noch eingeschränkt mobil und schwer krank sind. Den ersten Patienten treffen wir gerade beim Mittagessen an. Er erzählt uns von seinen zu hohen Blutdruckwerten. Wir lassen uns die Werte zeigen, die er fleißig über die letzten Wochen aufgeschrieben hatte, und sprechen mit ihm über die Vor- und Nachteile von weiteren Medikamenten. In einem weiteren Haushalt besuchen wir gleich zwei Patient:innen. Beide klagen über verschiedene schmerzhafte Gelenkbeschwerden. Wir untersuchen sie und erklären ihnen unseren Befund. Für eine genauere Untersuchung und Diagnostik müssen sie sich in der Orthopädie-Praxis vorstellen. Bis dahin versorgen wir sie mit einem Schmerzmittel und vereinbaren einen weiteren Besuch in einer Woche. Und schon sind wir auf dem Weg zu dem nächsten Patienten.

Die Patient:innen in ihrem häuslichen Umfeld zu besuchen, gibt mir einen ganz besonderen Einblick in deren Lebensalltag. Hier erfahren wir, wie die Patient:innen von ihren Angehörigen und vom Pflegedienst versorgt werden und ob beispielsweise die Medikamente alle so eingenommen werden können, wie von uns angeordnet wurde.

Einen Vormittag verbringe ich in Grafenau bei Dr. Blank. Nach der Sprechstunde besuchen wir rund um Grafenau verschiedene Patient:innen. Wir fahren beispielsweise zu einer Patientin, die gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Letzte Woche beim Hausbesuch hatte sie so schlecht Luft bekommen, dass sie ins Krankenhaus eingewiesen werden musste. Wir fragen die Patientin, wie es ihr im Krankenhaus ergangen ist und wie sie nun zuhause zurechtkommt. Wir schauen nach, welche Medikamente sie neu verordnet bekam und veranlassen entsprechende Rezepte. Da wir gerade in der Gegend sind, schauen wir noch bei einer weiteren Patientin vorbei. Sie freut sich sehr über unseren Besuch. Freudig erzählt sie uns, dass es ihr gut geht und sie aktuell sehr zufrieden mit ihrem Gesundheitszustand ist. Wir lösen mit ihr schnell das Kreuzworträtsel fertig und schon sind wir wieder auf dem Heimweg Richtung Kirchberg.

So schnell ist mein erster Monat im Bayerischen Wald vorbei. Dieses Wochenende muss ich unbedingt den Schnee genießen. Ich bin schon gespannt auf die nächste Woche mit spannenden Patient:innenfällen und noch mehr Schnee, schließlich möchte ich meine Langlaufski endlich ausführen.

Woche 6: 30.01. – 05.02.2023 

In Woche sechs bin ich erneut bei Dr. Kalmancai in Auerbach. Einige Patient*innen kenne ich bereits aus der Vorwoche und ich freue mich schon, sie wiederzusehen. Ein Teil der Patient*innen leidet an langwierigen Infekten, bei anderen führen wir Verbandswechsel und Wundkontrollen durch oder verlängern bei weiter bestehenden Beschwerden die AU. Dabei ist es schön zu sehen, wie es den Patient*innen im Verlauf immer besser geht und unsere Therapie anschlägt.

Diese Woche steht ganz unter dem Thema Fortbildungen. Jeden Montag bilden wir uns zusammen mit unseren Lehrärzt*innen fort. Diese Woche ist das Thema neurologische Notfälle mit spannenden Beispielen von Dr. Kalmancai dran. Direkt im Anschluss nutzen wir die Mittagspause, um unsere Sonographie-Fertigkeiten mit uns selbst als Übungsprobandinnen zu verbessern. In aller Ruhe können wir zusammen mit Dr. Hill einzelne Schnitte durchgehen, die Strukturen benennen, diese richtig ausmessen und uns die besten Tricks von ihr abschauen. Nahezu täglich führe ich unter Supervision Gesundheitsuntersuchungen (sogenannte „Check-Ups“) mit Sonographie der Bauchorgane und der Schilddrüse durch, wo ich weiter an meinen Sonographie-Fertigkeiten feilen kann. An einem weiteren Tag hören wir einen spannenden Vortrag zu den neuesten Änderungen in der Diabetes-Leitlinie mit verschiedenen Ärzt*innen aus der Region.  

Am Mittwochnachmittag haben wir immer „praxisfrei“, um Zeit für unsere eigene PJler*innen-Lerngruppe zu haben. Wir haben uns eine Liste mit allgemeinmedizinischen Themen erstellt, die uns besonders interessieren und auch möglicherweise prüfungsrelevant für das letzte Staatsexamen sein könnten, welches wir beide nach dem Tertial ablegen werden. Jeden Mittwochnachmittag arbeiten wir davon einige Themen zusammen durch, fragen uns gegenseitig ab und spielen fiktive und echte Patient*innenfälle aus unserem Praxisalltag durch. Chiara und ich tauschen uns dabei nicht nur mittwochnachmittags, sondern auch bei jedem Spaziergang oder Abendessen über die spannendsten Fälle des Tages aus und fachsimpeln über die Diagnostik und mögliche Therapien. So lernen wir jeden Tag auch voneinander, das Reden über die spannendsten Fälle des Tages deckt die ein oder andere noch vorhandene kleine Wissenslücke auf, die dann nochmal zusammen nachgeschlagen wird. 

Mein Wunsch von letzter Woche nach mehr Schnee wurde mir prompt erfüllt. Von Mittwoch auf Donnerstag gibt es ca. 40cm Neuschnee. Den Donnerstag verbringe ich in der Praxis in Kirchberg und darf dort einen etwas ruhigeren Tag mit Dr. Machac und Dr. Kunzendorf verbringen. Viele Patient*innnen haben ihre Termine abgesagt, da sie bei diesem außergewöhnlichen Wetter lieber keine Fahrt in die Praxis riskieren wollten. Wir nutzen die Zeit und besprechen die Diabetes-Fortbildung vom Vortag nach und einen spannenden Fall zu Hypothyreose. Zum Abschluss dieser Woche höre ich am Donnerstag noch eine spannenden Online-Vortrag über Kindernotfälle, der von meiner Heimatuniversität angeboten wurde. 

Am Wochenende können Chiara und ich bei herrlichem Winterwetter endlich unsere Langlaufski testen und genießen die winterliche Aussicht vom Kirchberg.

Woche 7: 06.02. – 12.02.2023 

Es ist meine dritte Woche bei Dr. Kalmancai in Auerbach. Die Arbeit in der Praxis und mit den Patient:innen macht mir große Freude und ich merke, wie ich zunehmend sicherer und eigenständiger arbeite. Viele Patient:innen kenne ich schon aus vorherigen Konsultationen und kann den Verlauf und die Fortschritte in ihrer Therapie sehen.

 Diese Woche kann ich wieder einige mir bereits bekannte Patient:innen betreuen. So stellen sich unter anderem folgende Patient:innen diese Woche vor. Eine Patientin mit einer unklarer Handschwellung bekam von uns Cortison und kühlende Verbände. Darunter ist die Schwellung rasch rückläufig. Ein Patient kam zu uns mit erhöhten Blutdruckwerten. Wir haben ihm ein neues Medikament verschrieben und zur Kontrolle wieder einbestellt. Fleißig hat er jeden Tag seinen Blutdruck protokolliert. Wir konnten eine deutliche Senkung sehen und sind zufrieden mit dem Ansprechen der Therapie. Ein weiterer Patient kam zu uns mit erheblichen Rückenschmerzen, mit welchen er nicht zur Arbeit gehen konnte. Wir verschrieben ihm Schmerzmittel und Physiotherapie und zeigten ihm verschiedene Eigenübungen. Nach gut zwei Wochen stellt er sich wieder bei uns vor und berichtet, dass es ihm deutlich besser gehe und die Physiotherapie wirke. Er könne nun wieder in die Arbeit gehen. Auch zwei Hausbesuchspatient:innen, die ich bereits aus der Vorwoche kannte, besuchen wir erneut.

Nun ist es voll geworden in unserem Studentinnendomizil. Ein Famulant und ein Blockpraktikant sind zu Beginn der Woche bei uns mit eingezogen. Am Abend tauschen wir uns über die Erfahrungen in der Praxis aus und erzählen uns die spannendsten Fälle des Tages. Mit leckerem Gemüsechilli lassen wir den Abend zusammen ausklingen.

Am Mittwochabend dürfen wir am Journal Club im Online-Format teilnehmen. Mit verschiedenen Hausärzt:innen aus der Region diskutieren wir spannende neue Studien zu verschiedenen Themen.

Wir sind richtig im Langlauf-Fieber und sind am Wochenende wieder auf den Loipen des Bayerischen Walds unterwegs. Optimale Bedingungen und gutes Wetter zaubern ein Lächeln auf unsere Gesichter.

Woche 8: 13.02. – 19.02.2023 

Diese Woche bin ich in die Praxis nach Kirchberg rotiert. Mit Dr. Machac und Dr. Kunzendorf sehe ich viele Patient:innen mit unterschiedlichen Beratungsanlässen. Gerade am Montag kommen viele Patient:innen zum Verbandswechsel und zur Wundkontrolle. Auch einige Krankschreibungen müssen ausgestellt oder verlängert werden. Nach jedem/r Patient/in habe ich die Möglichkeit meine Fragen zu stellen und mit Dr. Machac und Dr. Kunzendorf den Fall kurz zu diskutieren.

 Am Dienstag darf ich bei Dr. Werner in Regen hospitieren. Ich kenne ihn schon aus dem Exzellenten Sommer. Dort hatte er für uns ein Teaching zum Thema Balintgruppe und zum Thema Depression gehalten, das mich sehr beeindruckt hatte. Dr. Werner ist Internist und kennt sich zusätzlich in der Psychiatrie und Psychosomatik sehr gut aus. Der Tag bei ihm ist für mich sehr lehrreich. Er ist sehr geduldig und erklärt viel zu seinen Patient:innen und seiner Arbeitsweise.

Am Donnerstag darf ich bei Dr. Blank in der Grafenauer Praxis sein. Mit bunten Kostümen und Hüten, Luftschlangen und frischen Krapfen feiern wir den „unsinnigen Donnerstag“. Für gute Laune in der Praxis ist gesorgt.

Am Freitag bin ich bei einer Kindervorsorgeuntersuchung/U9 eines Kindergartenkinds dabei. Wir überprüfen u.A. die Grob- und Feinmotorik, die Sprache mit unterschiedlichen Lauten, soziale Interaktion. Auch eine komplette körperliche Untersuchung führen wir im Rahmen dessen durch. Das Thema Prävention von Unfällen und Zahnprophylaxe wird auch mit den Eltern besprochen.

 Mein Tertial ist jetzt zur Hälfte vorbei, 8 von 16 Wochen liegen bereits hinter mir und es wird Zeit für ein Zwischenfazit. Die letzten 8 Wochen sind wie im Flug vergangen.

Zu nahezu jeder der vielen medizinischen Fachrichtungen kann ich inzwischen einen Fall aufzählen. Viele Fälle haben aber auch Bezüge zu mehreren Fachrichtungen und müssen interdisziplinär betrachtet werden. Ich bin begeistert, wie vielfältig und abwechslungsreich die Allgemeinmedizin ist. Immer wieder sehe ich Patient:innen mit Symptomen oder Krankheiten, die ich bisher nur aus dem Lehrbuch kenne. Oftmals präsentieren sich Fälle der Patient:innen aber nicht wie es im Lehrbuch beschrieben ist und es gilt über gezielte Anamnese und Diagnostik die korrekte Diagnose zu stellen.

 Das Wochenende verbringe ich in München und treffe Freund:innen aus dem Studium. Wir tauschen uns über unsere Erfahrungen im PJ, den aktuellen Studienabschnitt oder die ersten Wochen in einem neuen Job als Ärztin aus. Es ist spannend zu hören, wie es ihnen in ihren neuen Lebensabschnitten geht.

Woche 9: 20.02. – 26.02.2023

Diese Woche bin ich nochmals in der Kirchberger Praxis eingeteilt. Wir haben viel zu tun, da wegen der Faschingsferien einige Praxen im Umkreis geschlossen haben.

Diese Woche werden auch wieder einige Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Ich darf die Patient:innen schonmal vorab schallen und präsentiere Dr. Machac und Dr. Hill, was ich sehen konnte. Das Sonographieren ist eine Tätigkeit, die in der Hausarztpraxis eine wichtige und schnelle (oftmals Ausschluss-) Diagnostik bietet. Nicht nur bei der Abdomensonographie, sondern auch bei der Schilddrüsensonographie kann ich aus den Ultraschallbildern immer mehr Erkenntnisse ziehen. Inzwischen geht es für mich in der Sonographie nicht mehr nur rein um das Erkennen der Strukturen und Organe, sondern auch immer mehr um das Erkennen einer Pathologie und um die Quantifizierung derselben. Die Tasten und deren Funktionen auf dem Sonographiegerät kenne ich inzwischen in- und auswendig und kann sie sinnvoll einsetzen. Die Sonde wechseln, die Schalltiefe einstellen, die Bilder speichern, das Ausmessen von Strukturen und den Doppler über das Bild legen, gehen mir gut von der Hand.

Eine kurze Woche geht für mich bereits am Mittwoch zu Ende, bevor ich für ein langes Wochenende in meine Heimat fahre.

Woche 10: 27.02. – 05.03.2023

Zu Beginn meiner 10. Woche bin ich nochmals in Lalling bei Dr. Takacs.

Unsere volle Aufmerksamkeit fordert ein Mann mit unklarer Leistungsminderung seit ein paar Tagen und Atemnot bereits bei leichter Belastung. Er war kürzlich erst erkältet, aber die Erkältung ist schon seit ein paar Tagen abgeklungen. Wir machen eine gründliche körperliche Untersuchung und führen einige diagnostischen Untersuchungen durch, um mögliche AGVs auszuschließen. Trotz dieser Untersuchungen konnten wir keine eindeutige Ursache für die Beschwerden identifizieren. Wir sprechen mit ihm über eine Einweisung ins Krankenhaus, die er aber erstmal ablehnte und vereinbaren eine zeitnahe Kontrolle und Wiedervorstellung mit ihm.

 Ab Mittwoch sind Chiara und ich für die restliche Woche bei Dr. Buvar in der Asklepios Rehaklinik in Schaufling für eine Hospitation. Dr. Buvar und sein Team haben extra für uns ein spannendes und abwechslungsreiches Reha- und Seminarprogramm zusammengestellt. Wir bekommen Einblicke in die verschiedenen Therapien, die in der Klinik angeboten werden. Direkt nach einer Hausführung und der Morgenbesprechung mit allen Ärzt:innen der orthopädischen Abteilung dürfen wir am Koordinationstraining teilnehmen. Bälle zuwerfen, Farben nennen und dabei noch gegenläufige Bewegungen in Arme und Beine durchführen – direkt werden wir gefordert. Am restlichen Vormittag und Nachmittag dürfen wir u.a. die Elektrotherapie, die Wärmetherapie, die Motorschienen und Lymphomaten und verschiedene weitere Trainingseinheiten kennenlernen.

Spannend für uns ist auch die Schuh- und Prothesensprechstunde. Ein Patient bekommt für seinen amputierten Unterschenkel eine Prothese angepasst. Der Orthopädietechniker erklärt uns dabei, wie er die Prothese bauen wird. Am darauffolgenden Tag dürfen wir dabei sein, wie der Patient seine neue Prothese zum ersten Mal anlegt und den ersten Belastungstest begeistert durchführt.

Am Freitag nimmt sich Dr. Buvar viel Zeit für uns und erklärt uns ausführlich die verschiedenen orthopädischen Untersuchungsmethoden und die manuelle Therapie. Wir üben an uns gegenseitig die orthopädische Untersuchung, insbesondere von Knie und Schulter. Auch mit dem Ultraschall dürfen wir die Gelenke untersuchen und lernen dabei viel Neues. Wir sind bei einer Aufnahmeuntersuchung eines Patienten in der Klinik dabei und sehen dabei, wie ganzheitlich der Patient betrachtet wird und wie individuell auf seine Beschwerden eingegangen werden, sowie entsprechende Therapiepläne erstellt werden.

 Das Wochenende verbringe ich in München. Beim „Tag der Allgemeinmedizin“ meiner Heimatuniversität erfahre ich mehr zu den neuesten Leitlinienupdates zum Thema Asthma und COPD und höre einen spannenden Vortrag zum Thema Antibiotikaeinsatz in der Allgemeinmedizin. Im Seminar zur ärztlichen Kommunikation in der Hausarztpraxis üben wir in Rollenspielen unsere Kommunikationsfähigkeiten.