
Alicia Reißenberger
Praktisches Jahr
22.05.2023 – 10.09.2023
Woche 1: 22.05. – 28.05.2023
Voller Vorfreude, Aufregung und ja, auch ein wenig Bammel steige ich am Sonntagmittag ins Auto und mache mich auf die knapp dreistündige Anreise in den Bayerischen Wald. Ich freue mich, dass ich das erste Tertial meines PJ‘s in einer familiären und herzlichen Praxisatmosphäre erleben darf. Dass ich am ersten Tag nicht durch triste Krankenhausflure irren werde, nimmt mir die Aufregung und lässt die Neugierde und Vorfreude steigen.
In Grafenau angekommen, bestaune ich erst einmal das liebevolle, altmodische Haus, in welchem ich mit PJ´lerin Tabea für die nächsten vier Monate untergebracht bin. Zuerst etwas verwirrt von den vielen Zimmern und Türen, finden wir uns dank ausführlicher Hausordnung schnell zurecht und stellen verblüfft fest, dass es uns hier an nichts fehlen wird: Bettwäsche, Handtücher, Geschirr… für alles wurde gesorgt. Schnell ist mein Zimmer bezogen und wir lassen den Abend bei gemütlichem Kennenlernen am Küchentisch ausklingen.
Nach einer erholsamen ersten Nacht finde ich mich in der Praxis Dr. Bolla/ Dr. Hackl in Fürstenstein wieder. Herzlich werde ich dort vom gesamten Praxisteam in Empfang genommen. Anschließend bekomme ich eine kleine Rundführung durch die Praxis und eine ausführliche Einweisung in die Praxissoftware. Dann geht es auch direkt mit dem praktischen Arbeiten los: bereits nach wenigen Patienten werde ich für Anamnese und Untersuchung vorausgeschickt. Dabei stellen mich Dr. Hackl und Dr. Bolla wie selbstverständlich als „junge Ärztin“ bei den Patienten vor. Diese Anrede klingt momentan noch ziemlich ungewohnt, bringt mir aber gleichzeitig auch eine große Portion Wertschätzung entgegen, worüber ich mich sehr freue.
Der erste Tag vergeht wie im Nu und bietet direkt ein großes Spektrum der hausärztlichen Tätigkeit: Akutkonsultationen, DMP-Programme, Jugendarbeitsschutzuntersuchung, Hausbesuche, Visite im Altersheim… Es war wirklich von allem etwas dabei. Überall konnte ich bereits etwas mitnehmen. Gleichzeitig wurde natürlich auch eine Liste in meinem Kopf immer länger: so viel Wissen und praktische Skills schreien danach, aufgefrischt zu werden.
Auch der zweite Tag vergeht auf ähnliche Weise schnell. Heute nehme ich in der Mittagspause erstmalig an der standortübergreifenden Fallbesprechung teil. Für knapp 45min trifft man sich in einem Online-Meeting: Ärzte und PJ’lern tauschen sich zu kniffligen Fällen aus, die sie in den vergangenen Tagen beschäftigt haben.
Nach einem kurzen Mittwochvormittag in der Praxis von Dr. Bolla machen wir uns auf den Weg nach Cham. Dort organisiert der Landkreis eine abwechslungsreiche Teaching-Reihe für angehende Mediziner: jeden Mittwoch wird ein neues Thema behandelt. Erstmalig lernen Tabea und ich somit auch Julia und Andreas kennen, welche in Kirchberg untergebracht sind. Die knapp einstündige Fahrt nutzen wir fleißig, um uns kennenzulernen. In Chamer Klinikum angekommen empfängt uns Allgemeinchirurg Dr. Florian Stadler zum heutigen Nahtkurs. Nähen – eine Tätigkeit, die mir weiterhin ziemlich schwer fällt und in meinem bisherigen Studium deutlich zu kurz kam. Schnell sitzen wir vor Knotenbänkchen, Schweinebäuchen und Nahtsets. Dr. Stadler bringt uns mit einer Engelsgeduld verschiedene Fertigkeiten, Tipps und Kniffe bei, sodass ich mich nach dem Kurs tatsächlich wieder etwas sicherer fühle. Anschließend beschließen wir den Abend bei einer Pizza in Regen ausklingen zu lassen.
Auch der Donnerstag und Freitag vergehen wieder wie im Flug. Dabei gibt es auch wieder den ein oder anderen äußerst spannenden (ungelösten) Fall. So komme ich in den Genuss, zusammen mit Dr. Hackl, einen Ganzkörperstatus inklusive ausführlicher neurologischer Untersuchung zu erheben. Für mich natürlich eine tolle Möglichkeit, eine solche umfassende Untersuchung durchzuführen und mir den ein oder anderen Kniff von Dr. Hackl abzuschauen.
Nach dieser schönen, aber doch auch anstrengenden ersten PJ-Woche freue ich mich nun auf ein verlängertes Pfingstwochenende in der Heimat.
Woche 2: 29.05. – 04.06.2023
Die zweite Woche beginnt nach einem langen Pfingstwochenende am Dienstagmorgen in Röhrnbach. Dort nimmt mich Frau Dr. Marion Krenn für diese Woche auf, da die Praxis in Fürstenstein eine Woche Urlaub genießt.
Der Dienstag steht ganz im Zeichen der Wundsprechstunde. Zahlreiche diabetische Füße und Ulcera wollen neu verbunden und vor allem beurteilt werden. Ich staune über das Wissen von Frau Krenn zu den zahlreichen verschiedenen Wundauflagen, Salben und Desinfektiva. Ein Wirrwarr, durch welches ich bei Weitem nicht durchsteige. Dabei finde ich es einerseits schön zu beobachten, wie erleichtert die Patienten reagieren, wenn die Wunden von Mal zu Mal etwas kleiner werden und wie viel Dankbarkeit sie der Ärztin und geschulten MFA entgegenbringen. Andererseits gibt es auch sehr viele Patienten, welche trotz mehrmaliger Aufklärung nicht verstehen, wie schlecht es beispielsweise um die Durchblutung ihrer Beine steht, wie wichtig es wäre mit dem Rauchen aufzuhören, oder wie wichtig eine konsequente Kompressionstherapie ist – eine durchaus frustrane Arbeit, abermals aufzuklären und den Patienten ins Gewissen zu reden.
Zum Ausklang des Tages unternehme ich bei bestem Wetter eine kleine Abendrunde auf den Lusen und genieße den herrlichen Ausblick über den Bayerischen Wald.
Den Mittwoch Vormittag verbringen wir mit Heimbesuchen. Dabei bestaune ich Frau Krenns herzliche Herangehensweise an den – häufig vermeintlich unbeliebten – Hausbesuch im Seniorenheim: Sowohl den Bewohnern, als auch den Pflegekräften, bringt sie eine große Portion Wertschätzung und Aufmerksamkeit entgegen. Sie erklärt mir, dass diese Besuche oft eher wenig Medizin fordern, als vielmehr Empathie und soziale Interaktion. So unterhalten wir uns mit zahlreichen Patienten über ihr Wohlbefinden und hören von bewegenden Lebensgeschichten.
Am Nachmittag machen wir uns dann erneut zum Teaching nach Cham auf. Heute bringt uns Dr. Michael Igl, Allgemeinmediziner und Notarzt, die Notfallmedizin näher. Dazu dürfen wir im dortigen BRK-Kreisverband zunächst einen ausführlichen Blick in die Ausstattung von RTW und NEF werfen. Anschließend üben wir in mehreren Zyklen gemeinsam eine Reanimation zu bewältigen.
Am Donnerstag führe ich gemeinsam mit Frau Dr. Krenn eine Schilddrüsen- und Abdomen-Sonographie durch. Sie erklärt mir dabei ihr strukturiertes Vorgehen und gibt gute Tipps, an welchen Leitstrukturen ich mich orientieren sollte. Dabei stelle ich fest, dass mir die räumlichen Verhältnisse im Sonographieschnitt noch ziemliche Schwierigkeiten bereiten. Immer wieder muss ich mir vor meinem geistigen Auge vorstellen, wie genau der Schallkopf gerade den Körper schneidet – regelmäßig bekomme ich dabei einen Knoten in den Kopf. Ich hoffe, dass ich diese Tätigkeit während meines Tertials besser erlernen werde, aber da bin ich durchaus zuversichtlich. So schlage ich am Nachmittag noch einmal ausführlich die anatomischen Verhältnisse im Oberbauch nach, was sich bereits am nächsten Tag bezahlt macht: An einer schlanke Check-Up-Patientin mit äußerst guten Schallbedingungen, darf ich mich an der Abdomen-Sonographie probieren. Gemeinsam mit Frau Krenns helfender Hand, die gelegentlich den Schallkopf führt, gelingen mir heute auch schwierigere Einstellungen. „Dran bleiben“ lautet also die Devise für mein PJ-Tertial!
Ich bin Frau Dr. Krenn sehr dankbar, dass sie mich diese Woche so herzlich aufgenommen hat. Neben medizinischen Kenntnissen hat sie mir auch einige sehr wertvolle Tipps für meinen weiteren Weg mitgegeben. Vor allem ihre einfühlsame und wertschätzende Gesprächsführung mit ihren Patienten hat mich zutiefst beeindruckt und ich hoffe, dass ich mir ein klein wenig davon für meinen zukünftigen Werdegang abschauen konnte.
Nun freue ich mich auf ein sonniges Wochenende im Bayerischen Wald: geplant ist ein Ausflug nach Passau und eine Wanderung auf den Rachel.
Woche 3: 05.06. – 11.06.2023
Meine dritte Woche beginnt nun wieder bei Dr. Bolla und Dr. Hackl in Fürstenstein. Nach dem einwöchigen Praxisurlaub ist der Ansturm auf die Praxis groß und zahlreiche Patienten trudeln in der Praxis ein. Zu allem Überfluss streikt auch noch die Praxissoftware: das perfekte Chaos nach dem Urlaub eben. Gemeinsam versuchen wir, die turbulente Sprechstunde abzuhandeln.
Am Mittag fahren wir dann auf mehrere Hausbesuche. Dabei auskultiere ich bei einer Patientin das Herz und stelle eine Tachyarrhythmie fest. Wir bestellen sie am Folgetag für ein EKG in die Praxis. Als sich in diesem wirklich ein neues Vorhofflimmern zeigt, freue ich mich, dass ich bei der Auskultation scheinbar richtig hingehört habe. Schnell wird die Antikoagulation angepasst.
Gemeinsam mit Dr. Bolla kann ich diese Woche mehrere Sonographien durchführen, beziehungsweise darf schon einmal „vorschallen“. Leider fallen bei einer Patientin malignitätsverdächtige Raumforderungen der Leber auf. Während ich diese zunächst einmal übersehen habe, erkenne ich die rundlichen Strukturen nach Dr. Bollas Hinweis allerdings deutlich. Ein Bild, das sich einprägt. Aufgeregt verharre ich nach der abgeschlossenen Untersuchung und lausche, wie Dr. Bolla den Befund übermittelt und die Patientin mit einer Überweisung für ein CT entlässt. Das Überbringen schlechter Botschaften – eine heikle Sache, die man im Studium leider kaum lernt. Nun drücke ich die Daumen und bin schon gespannt, was die Radiologie zeigen wird.
Am Mittwochnachmittag findet wieder das Teaching des Landkreises Cham statt. Diese Woche in virtueller Form. Für mich eine durchaus willkommene Abwechslung nach den vergangenen langen Praxistagen, welche mich durchaus gefordert haben: so entfällt die lange Fahrt nach Cham, mittags ist mal ein Stündchen für Erledigungen Zeit und der Feierabend kann etwas früher beginnen. Diese Woche referiert Dr. Knon über gleich zwei Themenkomplexe: der erste Teil dreht sich um die Strukturen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, während der zweite Teil einige nuklearmedizinische Verfahren beleuchtet. Herr Knon, selbst Nuklearmediziner und im Chamer Gesundheitsamt tätig, erläutert die Anwendungsbereiche von Myokard-, Skelett-, Lungen-, Schilddrüsen-Szintigraphie. So sollte man beispielsweise eine Szintigraphie der Lunge zur Diagnostik einer Lungenembolie in Betracht ziehen, wenn Patienten aufgrund schlechter Nierenfunktion keiner CT-A zugeführt werden können.
Eine weitere aufregende Erfahrung ereilt mich als Dr. Hackl zu einer Leichenschau gerufen wird. Die Patientin eines Kollegen, welcher diese Woche im Urlaub ist, ist verstorben. So machen wir uns wenig später mit den Unterlagen auf den Weg zum Haus der Verstorbenen, wo uns die Angehörigen empfangen. Ausführlich betrachten wir jede Körperstelle des kachektischen Leichnams, prüfen Totenstarre und die Verteilung der Totenflecken. Letztendlich kann Dr. Hackl guten Gewissens eine natürliche Todesursache bescheinigen.
Ganz spontan setzen Tabea und ich uns diese Woche am Küchentisch zusammen und versuchen gemeinsam einen fiktiven Patientenfall zu bearbeiten. Dabei nutzen wir ein Fallbuch eines bekannten Verlages und sprechen Frage für Frage gemeinsam durch. So beschäftigen wir uns mit dem Themenkomplex Kopfschmerz und Depression. Ich empfinde es als tolle Übung, die Fälle gemütlich miteinander durchzusprechen und die Ideen sprudeln zu lassen. Wir profitieren beide von unserem gegenseitigen Wissen.
So schnell neigt sich auch die dritte PJ-Woche bereits dem Ende und ich freue mich nach den langen Praxistagen auf ein erholsames Wochenende, welches ich mit etwas Bewegung an der frischen Luft füllen werde.
Woche 4: 12.06. – 18.06.2023
Nach einem sonnigen Wander-Wochenende beginnt die neue Woche mit dem montäglichen turbulenten Treiben in der Praxis.
In der Mittagspause hören wir eine spannende Fortbildung zu SGLT2-Hemmern und deren Wirkung – neben Diabetes Typ 2 – auf Herz- und Niereninsuffizienz. Außerdem beleuchten wir verschiedene Nebenwirkungen kritisch: Hypovolämie, urogenitale Infektionen bis hin zur seltenen, aber gefährlichen, diabetischen Ketoazidose.
Eine spannende Konsultation ergibt sich, als Dr. Hackl mich zu einem Patienten mit Beinschwellung hinzu ruft. Schnell stellt sich der Verdacht auf eine tiefe Beinvenenthrombose ein. So weisen die Beine eine deutliche Umfangsdifferenz von mehr als 3 cm auf. Ich erhebe zunächst einen Wells-Score, welcher mit 3 Punkten eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Thrombose anzeigt. Anschließend schaue ich Dr. Bolla über die Schulter, wie er eine Kompressionssonographie der Beinvenen durchführt. Sofort fällt ein langstreckiger Thrombus der V. femoralis auf, welcher bis in die Beckenvenen reicht. Rasch klären wir die stationäre Aufnahme des Patienten ab und versorgen ihn mit einer Heparingabe.
Da der Patient über keinerlei (Druck-) Schmerzsymptomatik klagte, kommt mir auch eine Vorlesung aus den vergangenen Semestern wieder in den Sinn, in welcher uns eine Ärztin eindringlich vermittelt hat, dass Thrombosen sich interindividuell sehr variabel zeigen können und man deshalb frühzeitig hellhörig werden sollte.
Am Mittwochnachmittag findet wieder das wöchentliche Chamer Teaching statt. Diese Woche erneut in virtueller Form. Frau Dr. Anita Breu, anästhesiologische Chefärztin des Chamer Klinikums, behandelt mit uns das Thema „Schmerztherapie“. Sie differenziert mit uns zwischen der Therapie des akuten und chronischen Schmerzes und stellt uns die verschiedenen Therapiekonzepte vor: von WHO-Stufenschema und Koanalgetika bis hin zu lokalen Verfahren. Außerdem stellt sie das bio-psycho-soziale Modell des chronischen Schmerzes in den Vordergrund – einen Wechselkreis, welchen man nicht unterschätzen darf. Am Ende üben wir unser neu vertieftes Wissen an einigen kurzen Patientenfällen gemeinsam anzuwenden.
Mittwochabend findet diese Woche zusätzlich ein Journal-Club mit zahlreichen Teilnehmern statt. Im Abstand von 6 – 8 Wochen werden verschiedene Studien gemeinsam diskutiert. Aus den Ergebnissen der Studien und der Diskussion ergibt sich dann häufig ein gemeinsames Fazit, wie man das Thema angehen könnte. Für mich waren diese Art von Diskussion etwas komplett Neues, im Gegensatz zur universitären Lehre. Nach zahlreichen Vorlesungen waren gewisse Abläufe für mich nahezu gesetzt, getreu dem Leitfaden: „Wenn Situation XY vorliegt, führst du Z durch“. Das kritische Hinterfragen von scheinbar standardisierter Therapie und Diagnostik ist somit ein ganz neuer Punkt für mich: Hat eine statininduzierte LDL-Senkung wirklich einen Nutzen auf das kardiovaskuläre Outcome eines Patienten? Sollte die Vorsorgekoloskopie wirklich ab 55 Jahren strikt empfohlen werden? Ein wirklich spannender Abend!
Diese Woche schaue ich außerdem Frau Hackl, welche als MFA zur Diabetesassistentin weitergebildet ist, bei einer Diabetesberatung über die Schulter. Ich staune, wie einfach und verständlich sie ihr Wissen an die Patienten weitergibt. Sie behandelt mit ihnen in wöchentlichen Sitzungen diabetesrelevante Themen, wie beispielsweise eine gesunde Ernährung, und klärt über diabetische Folgeerkrankungen auf. Dieses Mal geht es um das diabetische Fußsyndrom. Nachdem sie die Pathophysiologie anschaulich erklärt hat, gibt sie einige Tipps zur richtigen Fußpflege und Prävention. Ich empfinde die Schulung als eine tolle Sache, welche die Patienten bei der durchaus schwierigen Lebensumstellung unterstützt.
Nun ist auch schon fast der erste Monat im Bayerischen Wald vorbei – Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht! Ich freue mich jetzt erstmal auf ein sommerliches Wochenende.
Woche 5: 19.06. – 25.06.2023
Die neue Woche beginnt wie gewohnt in Fürstenstein. Schon montags zeichnet sich ab, dass wir uns mitten in der ersten Hitzewelle des Sommers befinden. Die Sprechzimmer heizen sich im Laufe des Tages auf und man merkt Personal und Patienten die drückende Hitze an. Auch für mich eine Herausforderung, welche die Tage etwas anstrengender werden lässt. So ergibt sich eine neue Aufgabe zwischen den Konsultationen: ausreichend trinken.
Gemeinsam mit Dr. Bolla setze ich mir für die kommenden zwei Wochen zum Ziel, meine Fähigkeiten in der Schilddrüsensonographie auszubauen. Dankenswerterweise hat er mir hierfür auch sein Sonographie-Lehrbuch ausgeliehen, wodurch ich reichlich nachschlagen kann. So darf ich die entsprechenden Patienten schon einmal voruntersuchen, bevor Dr. Bolla dann noch einmal mit mir gemeinsam den Schallkopf schwingt. Nach einigen regelrechten Schilddrüsen-befunden begegnet mir diese Woche auch zum ersten Mal ein großes Knotenstruma. Als ich etwas hilflos versuche die Ausdehnung des Strumas und der zahlreichen Knoten zu vermessen, kommt mir Dr. Bolla schnell zur Hilfe. Übung macht den Meister!
Mittwochs machen wir uns wieder zum Teaching des Landkreis Chams auf. Diesmal geht es in die urologische Praxis von Dr. Maurer in Falkenstein. Aufgrund eines heftigen Sommergewitters inklusive Platzregen und stürmischem Wind gestaltet sich die Anreise als durchaus abenteuerlich. Dort angekommen, empfängt uns Dr. Maurer herzlich mit Getränken und frischen Brezeln. In lockerer Runde sprechen wir knapp 1,5 Stunden über die wichtigsten urologischen Krankheitsbilder. Dabei legen wir ein spezielles Augenmerk darauf, wie diese sich in der Hausarztpraxis präsentieren können.
Im Lauf der Woche führe ich außerdem mehrere Vorsorgeuntersuchungen selbstständig durch: Check-Up, DMP, Jugendarbeitsschutzuntersuchung. So langsam merke ich, wie ich mittlerweile mein persönliches Schema entwickle. Die richtige Dokumentation und der Untersuchungsablauf klappen immer flüssiger, sodass ich mich immer besser auf die Patienten konzentrieren kann – ein angenehmes Gefühl. Im Zuge dessen nimmt sich Dr. Hackl außerdem einige Minuten Zeit, um mir das sogenannte Arriba-Tool ausführlich zu zeigen und an einigen Patienten zu demonstrieren. Dabei handelt es sich um eine Risikorechner, welcher beispielsweise das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse anhand verschiedener Parameter ermittelt. Anschließend lässt sich das ermittelte Ergebnis anhand einer anschaulichen Smiley-Darstellung für den Patienten verbildlichen. Schnell sind außerdem verschiedene Therapiestrategien in den Rechner eingepflegt und zeigen die resultierende Risikoreduktion anschaulich auf. Ein durchaus hilfreiches Tool zur patientenorientierten Beratung.
Am Donnerstag verbringe ich eine Mittagspause der etwas anderen Art: Ehepaar Hackl zeigt mir zum Mittagessen den örtlichen Biergarten. Gut gestärkt können wir anschließend in die überregionale Fallbesprechung gehen. Dabei diskutieren wir auch die Sinnhaftigkeit einer Antibiotikagabe bei einem unserer heutigen Patienten. Im Anschluss unternehme ich mit Dr. Hackl eine kleine Mittagswanderung durch die umliegenden Wälder und Steinbrüche Fürstensteins. Eine willkommene Abwechslung: ich merke, wie gut es mir tut bei etwas Bewegung abzuschalten, bevor es mit der turbulenten Nachmittagssprechstunde weitergeht.
Im Laufe der Woche konsultiert uns außerdem ein Patient mit schmerzhaften Muskelverspannungen im Lumbalbereich. Im Zuge dessen demonstriert mir Dr. Bolla, wie man eine Quaddelung mit Lidocain durchführt. Geschickt setzt er einige Hautdepots rund um die schmerzende Stelle. Anschließend entlassen wir den Patienten mit zusätzlicher Schmerzmedikation und dem Auftrag, körperlich aktiv zu bleiben. Als zwei Tage später ein ähnlicher Fall in der Praxis auftaucht, darf ich unter Dr. Bollas Augen erstmals selbst quaddeln. Er gibt mir einige Tipps, wo und wie ich einstechen soll und schnell habe ich den Dreh raus.
Zack – ist auch diese Woche schon wieder vorbei. Nun werde ich mich mal auf die Suche nach einer schönen Wanderung für das Wochenende machen: Falkenstein, Arber, Osser, Dreisessel… Wer die Wahl hat, hat die Qual.
Woche 6: 26.06. – 02.07.2023
Diese Woche muss ich zunächst mit einem kleinen Nachtrag vom Wochenende beginnen, da ich aus dem Schwärmen kaum hinauskomme. Am Samstagabend entscheide ich mich spontan zum Sonnenuntergang auf den Lusen zu steigen. Genüsslich kann ich das Farbenspiel am Horizont beobachten – im Tal sieht man außerdem einige Sonnwendfeuer leuchten – , bevor ich mich mit Stirnlampe an den Abstieg mache. Ein weiteres Highlight hat der Sonntag parat: Früh breche ich auf, um den kleinen Osser zu besteigen. Dabei nutze ich den alten Weg über den Südgrat, welcher mit leichten, aber durchaus luftigen, Kletterpassagen im ersten bis zweiten Grad gespickt ist und damit mein Bergherz höher schlagen lässt. Anschließend weiter über den deutsch-tschechischen Grenzsteig bis zum Zwercheck, welches mit seinen 1333m einen fantastischen Ausblick bietet. Auf jeden Fall eine Herzensempfehlung für jeden, der mal in der Gegend sein sollte.
Der Montag startet dann in Fürstenstein. Die Praxis ist mal wieder gut besucht. Eine schöne Erkenntnis mache ich, als ich merke, dass ich immer öfter Patienten schon kenne und die Geschichte der letzten Konsultation noch im Kopf habe. Aber auch umgekehrt: die Patienten kommen immer häufiger direkt auf mich zu und berichten mir, wie es Ihnen zu hause ergangen ist. Das ist für mich der wohl größte Vorteil an der hausärztlichen Tätigkeit: man kennt die eigenen Patienten und deren soziales Umfeld und Lebensgeschichte. Daraus ergibt sich ein Zusammenspiel an Komponenten, das im besten Fall in Diagnosefindung und Therapiemöglichkeiten mit einbezogen wird. Auch das man den Verlauf einer Erkrankung longitudinal beobachten kann, empfinde ich als äußerst spannend und wichtig. Im Gegenzug sieht ein Facharzt, welchen der Patient mit einer Überweisung konsultiert, meist nur eine Momentaufnahme der Beschwerden.
Diese Woche steht außerdem scheinbar im Zeichen der „kleinen Krabbeltierchen“. Gleich mehrere Patienten kommen mit Zeckenbiss in die Praxis. Manchmal steckt noch das gesamte Tier in der Haut, ein anderes Mal nur noch ein Zeckenrest. Bei dieser Gelegenheit erklärt mir Dr. Hackl, wie ich eine Zecke mit Hilfe der Zeckenzange richtig entfernen kann. Zudem weisen wir die Patienten darauf hin, die Rötung an der Bissstelle in den nächsten Wochen zu beobachten und sich bei Größenprogredienz erneut vorzustellen.
Des Weiteren stellt sich ein junger Patient vor, bei dem kleine Würmer im Stuhl aufgefallen sind. Auch die Anamnese mit perianalem Juckreiz klingt typisch nach Enterobius vermicularis. Wir verschreiben ein Wurmmittel und klären die Familie über Hygienemaßnahmen auf, um eine erneute Autoinfektion zu vermeiden. Eine andere Konsultation wegen papulösen Ausschlag mit Juckreiz lässt an Skabies denken. Die betroffenen Stellen – periumbilikal, in Hautfalten, genitalnah und zwischen den Fingern – passen gut zum Krankheitsbild. Nachdem im Behandlungsverlauf bereits eine cortison- und antibiotikahaltige Salbe ausprobiert wurde, welche zu keinerlei Besserung geführt hat, entscheiden Dr. Bolla und ich und deshalb dafür eine antiskabiöse Therapie. Ich bin schon gespannt, ob wir mit unserer Vermutung richtig liegen.
Mittwoch und Donnerstag darf ich mit Dr. Blank in seiner Grafenauer Filialpraxis verbringen. Ich freue mich darauf, einen Einblick in seine Arbeitsweise zu bekommen und somit verschiedene ärztliche Herangehensweisen kennenzulernen. Während ich bei den ersten eintrudelnden Patienten nur mitlaufen und Dr. Blanks Auftreten beobachte, darf ich nach kurzer Zeit auch eigenständig anamnestizieren, untersuchen und meine Beobachtungen korrekt dokumentieren. Anschließend kommt Dr. Blank hinzu und ich stelle die Patienten und meine erhobenen Befunden vor. Nachdem er sich erneut ein kurzes Bild von der Situation macht, ist meist schnell ein Therapieansatz gefunden. Dabei staune ich nicht schlecht, wie gut sich Dr. Blank mit evidenzbasierter Medizin auskennt. Zu vielen Therapieansätzen weiß er aus dem Stegreif, welchen statistischen Nutzen diese mit sich bringen. So argumentiert er beispielsweise fundiert und schlüssig, welches Medikament auch getrost weggelassen werden kann, da es sowieso kaum Risikoreduktion mit sich bringt.
Die wohl wichtigste Erkenntnis während der Tage bei Dr. Blank war aber eine ganz persönliche: ich darf mir gerne mehr zutrauen! Das, was ich mache, ist gut und meine zaghafte Haltung auf keinen Fall nötig. Diese Worte helfen mir enorm weiter, gerade jetzt, wenn man doch immer häufiger mit Zweifeln und Unsicherheit in Richtung Approbation blickt.
Auch der Freitag in Fürstenstein vergeht im Anschluss wie im Flug und ich mache mich mittags auf den Weg in die Heimat. Dort stehen am Wochenende mehrere Familienfeste an.
Woche 7: 03.07. – 09.07.2023
Die neue Woche startet am Montagmorgen in Fürstenstein. Da das neue Quartal beginnt kommen zusätzlich zahlreiche Patienten vorbei, um ihr Kärtchen einlesen oder eine alte Überweisung erneuern zu lassen. Die Praxismädels behalten dabei den Überblick und erledigen solche Anliegen flink neben der laufenden Sprechstunde. Mittags hören wir eine spannende Fortbildung zum Obstruktiven Schlafapnoesyndrom. Wir gehen neben den klassischen Risikofaktoren und der typischen Symptomatik, vor allem auf die Frage ein, wann eine (Screening-) Diagnostik erfolgen muss. Dabei lernen wir außerdem den Unterschied zwischen ambulanter Polygraphie und der Polysomnographie im Schlaflabor kennen. Im Zuge dessen werde ich auch zum ersten Mal auf diverse Scores aufmerksam, welche als Entscheidungshilfe dienen können: die Epworth Sleepiness Scale sowie den STOP-BANG Score.
Der Dienstag steht dann überraschend ganz im Zeichen der Wundversorgung. Kurz vor dem Ende der Mittagspause trudeln gleich zwei Patienten mit frischen Verletzungen in der Praxis ein. Ein kleiner Junge ist gestürzt und hat sich eine Platzwunde am Kinn zugezogen. Die Wundversorgung mit Klammerpflastern erfordert einige Ablenkungsmanöver, aber schnell können wir den kleinen Patienten versorgen und mit ein paar Trost-Gummibärchen nach Hause entlassen. Die zweite Wundversorgung erfolgt bei einer Patientin mit tiefer Schnittwunde an der Fingerkuppe. Nach der Reinigung der Wunde verschließt Dr. Bolla den Schnitt mit einigen Einzelknopfnähten. Dabei habe ich die Möglichkeit, das sterile Arbeiten und allen voran eine Leitungsanästhesie nach Oberst zu beobachten.
Mittwochs machen wir uns erneut auf nach Cham. Im Chamer Klinikum angelangt begrüßt uns auch schon Prof. Dr. Stefan Buchner. Er ist Chefarzt der Inneren Medizin und möchte uns heute in die Echokardiographie einführen. Zuerst gibt es einen Theorieteil mit zahlreichen Videosequenzen, anhand derer uns Dr. Buchner die standardisierten Schnittebenen der Echokardiographie näherbringt. Anschließend folgt die praktische Anwendung im Echolabor. Nacheinander dürfen wir uns an den verschiedenen Einstellungen versuchen, wobei Dr. Buchner uns tatkräftige Unterstützung leistet.
Diese Woche führe ich außerdem zum ersten Mal selbstständig einen Hausbesuch durch. Als Dr. Hackl mich mit dieser Aufgabe beauftragt, bin ich zuerst etwas überrascht und verunsichert. Nachdem Dr. Hackl mir einige Eckpunkte erläutert hat, fühle ich mich dennoch gut gewappnet und ziehe, mit Stethoskop und Praxis-Tablet bewaffnet, ins nahe gelegene Pflegeheim los. Der Patient ist nach langem Krankenhausaufenthalt in die Kurzzeitpflege entlassen worden und ich soll schon einmal nach dem Rechten sehen. Ich untersuche den Patienten ausführlich, erfasse Vitalwerte, lese den Entlassbrief und schließe mich mit dem Pflegepersonal kurz. Zurück in der Praxis berichte ich Dr. Hackl von meinem Eindruck und wir beschließen, in den kommenden Tagen noch einmal gemeinsam vorbeizuschauen.
So schnell ist auch die siebte Woche im Bayerischen Wald schon wieder vorbei. Nun steht erst einmal ein Wochenende inklusive Volksfest vor der Türe.
Woche 8: 10.07. – 16.07.2023
Die neue Woche beginnt mit einer spannenden Konsultation. Wir starten mit einer Schilddrüsen-Sonographie. Bei einem jungen Patienten sind im Routinelabor erhöhte Schilddrüsenhormone bei erniedrigtem TSH aufgefallen. Somit liegt eine manifeste Hyperthyreose vor. Auf Nachfrage werden auch typische Symptome wie Unruhe und vermehrtes Schwitzen angegeben. In der Duplexsonographie findet sich eine vermehrte Durchblutung des Schilddrüsengewebes. Wir fordern Schilddrüsen-Antikörper im Labor an, welche am nächsten Tag unsere Verdachtsdiagnose eines Morbus Basedow bestätigen.
Nachdem wir vergangene Woche die Fortbildung zum Thema Schlafapnoe gehört haben, kann ich mein Wissen diese Woche direkt anwenden. Uns konsultiert ein Patient wegen zunächst milder Infektsymptomatik. Im Gesprächsverlauf kommt der Fokus auf ausgeprägte Müdigkeit und schwer einstellbare Blutdruckwerte zu sprechen. So kommt es beispielsweise zum gelegentlichen Einschlafen während der Arbeit. Auf Nachfrage berichtet er, dass seine Ehefrau nächtliche Atemaussetzer beobachtet habe. Sofort fügt sich das Bild zusammen und wir veranlassen die Überweisung zu einer benachbarten Hausarztpraxis, welche ein Polygraphie-Screening anbietet. Da auch pectanginöse Beschwerden nicht gänzlich verneint werden können, planen wir zusätzlich eine Ergometrie, auch aufgrund der kardiovaskulären Komorbiditäten eines Schlafapnoe-Syndrom. Ich freue mich, dass ich mein neues Wissen direkt so gut abrufen und anwenden konnte.
Mittwochs findet die Fallbesprechung in etwas anderer Form statt. Da nur wir PJ-Studenten und Dr. Machac anwesend sind, nehmen wir einen Fall von Myriam zum Anlass, um alle Eckpunkte des Herpes Zoster zu besprechen. In einer von Dr. Machac geleiteten Frage-Antwort-Runde frischen wir unser Wissen auf: Diagnostik, Therapie, Komplikationen, Impfprävention. Überraschenderweise begeistert mich das spontane Format und ich habe das Gefühl, sehr zu profitieren.
Im Anschluss empfängt uns Frau Dr. Prasser im Online-Format zum PJ-Teaching des Landkreises Cham. Sie ist Chefärztin der Psychiatrie und behandelt mit uns das Thema „Psychiatrische Erkrankungen erkennen, behandeln oder überweisen“. Dabei setzen wir den Fokus auf die Depression. Diese ist eine Volkskrankheit: mit einer Lebenszeitprävalenz von 20% stellt die Depression eine der häufigsten Erkrankungen dar. Dabei ist die erste Anlaufstelle häufig der Hausarzt. Auch da Therapieplätze rar und Wartelisten lang sind, findet die Behandlung oft ausschließlich im hausärztlichen Setting statt. Gerade deshalb ist es Frau Prasser ein Anliegen, dass wir uns als zukünftige Hausärzte in der Thematik gut auskennen. Genauso ist es wichtig, seine eigenen therapeutischen Grenzen zu kennen, um zu wissen, wann ein Patient (stationär) überwiesen werden muss. Wir beschließen die Veranstaltung mit einigen Fallbeispielen, anhand derer wir uns in der Auswahl des geeignetsten Antidepressivums versuchen.
Der Donnerstag bringt eine besonders turbulente Sprechstunde hervor. Die Beratungsanlässe präsentieren sich in voller Bandbreite der Medizin: Gastrointestinale Blutung mit Teerstuhl bei bekannten Ösophagusvarizen. Ruhedyspnoe und Angina Pectoris mit Verdacht auf NSTEMI. Akute Entzugssymptomatik bei Opioidabhängigkeit. Zufälliger, im Routinelabor aufgefallener, hochgradiger GFR-Abfall. Dabei erlebe ich mehrmals, wie schwierig es sein kann, die Patienten stationär anzumelden. Des Öfteren wird mit dem Verweis auf Bettenknappheit und fehlende Zuständigkeit an eine andere Klinik vermittelt, nur um dort erneut abgewimmelt zu werden. Mit etwas Hartnäckigkeit schaffen wir es dann, die dringlichen Patienten an eine passende Klinik zu vermitteln.
Erstmalig führe ich diese Woche außerdem eine Carotis-Sonographie durch. Dr. Bolla erklärt mir umfangreich, wie ich die richtigen Schallfenster einstelle, worauf ich achten muss und wie ich die Flussgeschwindigkeiten im Doppler bestimme. Gemeinsam versuchen wir uns an der Darstellung der Gefäße. Zunächst fällt es mir noch schwer, die richtigen Quer- und Längsschnitte zu finden, mit Dr. Bollas helfender Hand gelingt es dann aber doch. So stellen wir bei dem Patienten eine ausgeprägte Plaquebildung fest.
Wow – nun ist auch die achte Woche schon vorbei. Damit habe ich schon die Halbzeit meines PJ-Tertials erreicht. Es ist einfach verrückt, wie schnell die Zeit verfliegt. Ich bin sehr froh, schon einen deutlichen Zuwachs an Wissen und Fähigkeiten zu verspüren und freue mich auf die zweite Hälfte.
Woche 9: 17.07. – 23.07.2023
Auch die nächste Woche beginnt mit sommerlichem Wetter in Fürstenstein. Als am Montag die Mittagsfortbildung kurzfristig entfallen muss, kommen wir vier PJ’lerinnen in den Genuss einer kleinen privaten Weiterbildung mit Wolfgang. Wir beschäftigen uns mit einigen vermeintlich banalen Fragen des hausärztlichen Alltags. Wann darf man mit einer genähten Wunde duschen? Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt die Fäden zu ziehen? Wie erkenne ich, ob es eine Borreliose oder eine normale Lokalreaktion ist? Und wie war dann nochmal die Therapie der Borreliose? Wie lange muss die Antibiose gegeben werden? Mit Erstaunen stellen wir fest, dass wir meist gar keine genaue Antwort auf die Fragen kennen. Hätten wir das in 5 Jahren Studium nicht lernen müssen? Umso dankbarer sind wir, dass nach der kleinen Einheit etwas Licht ins Dunkle gebracht wurde.
Auch die erneut sommerlichen Temperaturen hinterlassen diese Woche ihre Spuren: Wir besuchen einen älteren Patienten mit ausgeprägter Sturzneigung, neuer Benommenheit und Schwindel. Bei der körperlichen Untersuchung zeigen sich stehende Hautfalten. Es stellt sich heraus, dass der Patient deutlich zu wenig trinkt – zusätzlich steht noch ein Diuretikum auf dem Medikationsplan. Dieses setzen wir rasch ab und fordern den Patienten auf, die Trinkmenge zu erhöhen. Wir nehmen, mit besonderem Augenmerk auf Elektrolyte und Nierenwerte, Blut ab. Bei Verschlechterung des Allgemeinzustands und Aggravation der Exsikkose entschließen wir uns am nächsten Tag zu einer stationären Einweisung.
Am Mittwoch erwartet uns ein voller Nachmittag mit vielen spannenden Formaten. Nach der wöchentlichen Fallbesprechung findet wieder das Chamer Online-Teaching statt. Diesmal referiert Frau Dr. Birgitt Weinhold über das Thema „Schwierige Patienten“. So erarbeiten wir uns den Themenkomplex der Gegenübertragung und lernen, wie man dieses Phänomen diagnostisch mit einbeziehen kann. Wir hören zahlreiche Beispiele aus Dr. Weinholds Arbeitsalltag: Patienten, welche dem ängstlichen Pol angehören, wieder andere, die zum aggressiven Pol tendieren. Zum Abschluss gibt uns Frau Dr. Weinhold außerdem 12 hilfreiche Tipps für den Alltag im Umgang mit schwierigen Patienten.
Am Abend findet außerdem wieder der Journal Club statt. In einer großen Runde wird über zahlreiche interessante Studien diskutiert: Machen Bluttests zur Krebsfrüherkennung Sinn? Welches Lagerungsmanöver beseitigt den benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel am besten? Sollten Risikopatienten, z.B. Raucher, ein Low-Dose-CT des Thorax zur früheren Erkennung von Lungenkrebs erhalten? Haben Antidepressiva in ihrer Wahl als Koanalgetikum überhaupt einen Effekt? Kann Magnesiumsulfat einer Hospitalisierung bei COPD vorbeugen? Gemeinsam werden zunächst die Eckpunkte der Studien beleuchtet und die Daten auf Validität geprüft. Anschließend erarbeiten sich alle Teilnehmer gemeinsam ein Fazit in Hinblick auf Durchführbarkeit und Sinnhaftigkeit in der Praxis. Auch heute habe ich mit diesem Format wieder einen Einblick in eine für mich noch recht neue Arbeitsweise erhalten und gelernt, wie wichtig es ist zu überprüfen, ob Studiendaten wirklich seriös sind.
Nun neigt sich auch diese Woche wieder dem Ende zu. Nächste Woche werden Tabea und ich drei Tage in der orthopädischen Rehaklinik in Schaufling hospitieren. Darauf bin ich schon sehr gespannt. Aber nun wartet erstmal ein erholsames Wochenende auf mich.
Woche 10: 24.07. – 30.07.2023
Zum Wochenbeginn machen Tabea und ich uns auf den Weg nach Schaufling. Dort werden wir drei Tage in der orthopädischen Rehaklinik hospitieren. Kurz vor Acht empfängt uns Oberarzt Dr. Tamas Buvar. Nach einer ausgiebigen Klinikführung nehmen wir an der morgendlichen Frühbesprechung teil. Dort werden die am Vortag aufgenommenen Rehabilitanden vorgestellt und der Therapieplan abgestimmt. Im Anschluss händigt uns Dr. Buvar ein abwechslungsreiches Hospitationsprogramm für die kommenden Tage aus. Am Vormittag dürfen wir verschiedenen Therapiestunden und Anwendungen beiwohnen. „Probiert möglichst viel aus“, ermuntert uns Dr. Buvar. Gesagt, getan: Wir probieren verschiedene Sportgeräte im Trainingsraum, testen Wasserdruckmassagen und maschinelle Lymphdrainage. In der Bäderabteilung werden uns verschiedene durchblutungsfördernde Bäder gezeigt: am eigenen Leib spüren wir ein Kohlensäure-Armbad und einen Kneippschen Knieguss. Wir lernen Bogenschießen, üben uns in Koordination und Qi Gong. Außerdem beobachten wir diverse Therapiegruppen: Wassergymnastik für Knie und Hüfte, Gangsicherheits- und Gehtraining, Arbeitsplatztherapie. Des Weiteren sehen wir in der orthopädietechnischen Sprechstunde zu. Einige Patienten werden mit neuen Bandagen und Fersenkeilen versorgt. Nach der Sprechstunde dürfen wir außerdem selbst einige Hilfsmittel testen. Nach einem leckeren Mittagessen in der Kantine nehme ich gemeinsam mit Dr. Buvar noch eine neue Patientin auf. Ich beobachte seine Anamnese, bei welcher er einen merklichen Fokus auf Funktionsfähigkeit und die Sozialanamnese legt. Im Anschluss untersucht Dr. Buvar orthopädisch, bevor ich einen orientierenden internistischen Status erheben darf. Dienstag- und Mittwochnachmittag hält Dr. Buvar einen Schulter- und Knieuntersuchungskurs. Gemeinsam üben wir zunächst die gängigen Untersuchungen ein. Im Anschluss zeigt er uns außerdem, wie man die beiden Gelenke sonographiert.
Das Programm ist wahrlich so abwechslungsreich, dass die Zeit nahezu verfliegt. Gut und gerne könnten wir auch noch ein paar Tage hospitieren, ohne dass uns langweilig wird.Ich bin wahnsinnig beeindruckt, dass wir diese vielen verschiedenen Therapiemöglichkeiten ausprobieren dürfen. Bisher war mir nicht klar gewesen, was während eines Reha-Aufenthalts geschieht, nun konnte ich mir ein eigenes Bild davon machen. Außerdem sind alle Mitarbeiter der Rehaklinik wahnsinnig freundlich. Aufgeschlossen beantworten sie alle unsere Fragen. In diesem Sinne ein riesiges Dankeschön an Dr. Tamas Buvar und die anderen Ärzte und Therapeuten.
Der Mittwoch bietet dann noch ein besonderes Schmankerl: An der Klinik findet ein Präventionstag für Mitarbeiter statt. Dr. Buvar hat uns eingeladen, ebenfalls daran teilzunehmen: Im großen Pulk wird eine knapp 5 km lange Laufrunde bestritten. Im Anschluss lassen wir den Abend beim gesellschaftlichen Grillen ausklingen.
Außerdem findet in dieser Woche der letzte Termin der Chamer Teachingreihe statt. Frau Dr. Elisabeth Albrecht behandelt mit uns den Themenkomplex „Palliativ Care“. Wir besprechen, wann eine palliative Versorgung beginnen kann. Dabei lernen wir, wie Kausal- und lindernde Therapie langsam ineinander übergehen und, dass – neben der Terminal Care am unmittelbaren Lebensende – auch die Trauerbegleitung der Palliativversorgung zugerechnet wird. Dr. Albrecht erläutert außerdem diverse Begrifflichkeiten: Hospiz, Palliativstation, AAPV, SAPV, Palliativmedizinischer Dienst, Hospizverein. Nach der Veranstaltung habe ich nun verstanden, was die Unterschiede der verschiedenen “Organisationen” sind. Anhand eines fiktiven Patientenfalls üben wir uns dann in der adäquaten Schmerztherapie nach WHO-Stufenschema. Dabei gibt uns Dr. Albrecht in einer interaktiven Runde zahlreiche Tipps und eine Grundformel zum Beginn einer Morphintherapie an die Hand.
So schnell und abwechslungsreich endet nun auch schon wieder die Woche. Ich freue mich erstmal auf das Wochenende.
Woche 11: 31.07. – 06.08.2023
Diese Woche startet für mich auf neuem Terrain: für zwei Tage darf ich bei Frau Dr. Friedl, niedergelassene Fachärztin für Dermatologie in Freyung, hospitieren. Am Morgen findet zunächst eine einstündige Notfallsprechstunde statt. Dabei geht es ziemlich turbulent zu. Ich beobachte die Bandbreite der dermatologischen Beratungsanlässe: Akne, Rosacea, Psoriasis, Arzneimittelexanthem, Hautpilz, Lichen sclerosus, Granuloma anulare. Rasch hat Frau Friedl die Blickdiagnosen erkannt und eine passende Salbe oder Medikation verordnet. Wenn nötig werden Kontrolltermine vereinbart. Auch die Hautkrebsvor- und Nachsorge macht einen großen Teil der Sprechstunde aus. Ich begutachte zahlreiche Hautveränderungen und überlege, ob es sich um harmlose Fibrome oder seborrhoische Keratosen handelt oder nicht doch eine gefährliche aktinische Keratose oder gar ein Basaliom, Spinaliom oder Melanom vorliegt. Krebsvorstufen werden direkt im Anschluss mit flüssigem Stickstoff vereist. Schon am zweiten Tag darf ich mich unter Aufsicht auch darin versuchen. Anschließend werden Patienten zu reichlich Sonnenschutz beauftragt. Außerdem kann ich Frau Friedl bei etlichen ambulanten Operationen über die Schulter schauen. Die zwei Tage vergehen zügig und ich fühle mich in der Beurteilung von Hautveränderungen schon deutlich sicherer. In diesem Sinne vielen herzlichen Dank an das überaus freundliche Praxisteam und Frau Dr. Friedl für die lehrreiche Zeit.
Zurück in Fürstenstein ergeben sich einige interessante Konsultationen. Uns besucht ein Patient mit neuerlicher diabetischer Stoffwechsellage. Wegen Müdigkeit hat er zu Hause probatorisch den Blutzucker gemessen. Dabei sind Werte von über 500 mg/dl aufgefallen. Auch in der Praxis ergeben sich derartig hohe Werte, inklusive eines enorm erhöhten HbA1c. Da es sich um einen Vertretungspatienten handelt, nehmen wir zunächst einen Ganzkörperstatus auf. Nachdem sich der Blutzucker mit leichter Insulingabe kaum senken lässt, überweisen wir den Patienten notfallmäßig an einen Diabetologen.
Das Ende der Woche steht dann unerwarteterweise ganz im Zeichen der Palliativversorgung. Eine Patientin wird aus dem Krankenhaus in palliativer Prognose entlassen. Wir besuchen sie im Pflegeheim. Massive AZ-Verschlechterung, ausgeprägte Dyspnoe, Nahrungsverweigerung und Sterbewunsch dominieren das klinische Bild. In Rücksprache mit den Angehörigen entscheiden wir uns, das SAPV-Team einzuschalten. Zum ersten Mal soll ich die telefonische Übergabe übernehmen. Als ich den Hörer in die Hand nehme, bin ich durchaus etwas aufgeregt. Gut gewappnet sitze ich vor der Patientenkartei und schildere dem Palliativmediziner die Situation. Nach einem ausführlichen Austausch nimmt sich das Palliativteam der Sache an und plant noch für diese Woche einen Besuch. Unterdessen starten wir mit einer niedrig dosierten subkutanen Morphintherapie.
Diese Woche bietet noch einen weiteren Höhepunkt: Am Mittwochabend laden wir vier PJ’lerinnen die beteiligten Lehrärzte zu einer kleinen geselligen Zusammenkunft in unseren Garten ein. Gemeinsam bereiten wir ein paar Salate, Brot und Kuchen vor. Nach und nach trudeln alle ein. Trotz regnerischen Wetter erwischen wir ein trockenes Zeitfenster und verbringen einen tollen Abend im Garten. Es ist schön, sich einmal fernab der Sprechstunde näher kennenzulernen und über zahlreiche medizinische und nichtmedizinische Themen auszutauschen.
Woche 12: 07.08. – 13.08.2023
Für mich beginnt eine besonders kurze Arbeitswoche, da ich am Mittwoch für einige Tage in meinen wohlverdienten Sommerurlaub fahren werde. Seit Sonntag sind Tabea und ich außerdem nicht mehr alleine in unserem großen Grafenauer Haus. Drei Blockpraktikanten aus Würzburg sind für die nächsten zwei Wochen eingezogen. So ergeben sich einige nette und gesprächige Abende.
Nichtsdestotrotz sind die verbleibenden zwei Tage nicht weniger anstrengend, da sich die Sprechstunde besonders turbulent gestaltet. Einerseits wird auch meine Praxis in der kommenden Woche in den Betriebsurlaub starten. Andererseits übernehmen wir diese Woche die Vertretung für gleich fünf umliegende Ärzte. Dementsprechend groß ist der Andrang. Zahlreiche Patienten tummeln sich, teils ohne Termin, im Wartezimmer und wollen gut versorgt werden. So behandle ich zahlreiche Infektpatienten, ziehe Fäden und führe Wundkontrollen durch. Auch einige Checkups und Abdomen-Sonographien stehen auf dem Plan. Ziemlich geschafft komme ich nach den beiden geschäftigen Tagen nach Hause.
So und nun werden Rucksäcke und Taschen gepackt, bevor es morgen zum Urlaub in Richtung Alpen losgeht. Wir hören uns nächste Woche!
Woche 13: 14.08. – 20.08.2023
Am Mittwoch kehre ich nach einem tollen Bergurlaub in das Praxisgeschehen zurück. Da sich auch meine Stammpraxis seit dieser Woche für drei Wochen im Urlaub befindet, verbringe ich den Mittwoch und Donnerstag mit Dr. Blank in der Grafenauer Sprechstunde. Nach dem bayerischen Feiertag am Dienstag und durch zahlreiche Urlaubsvertretungen der umliegenden Ärzte gestaltet sich der Vormittag als besonders trubelig.
Als Studentin habe ich noch das Glück mir, trotz Stau im Wartezimmer, ausreichend Zeit für jeden Patienten und meine Überlegungen nehmen zu können. Während ich also sorgfältig Anamnese und Untersuchung erarbeite, betreut Dr. Blank eine Vielzahl anderer Patienten, bevor er kurz seinen Blick über „meine“ Patienten fallen lässt. Beispielsweise erhalte ich auch besonders viel Zeit um eine Check-Up-Untersuchung durchzuführen. Anamnese, körperliche Untersuchung, Schilddrüsen- und Abdomensonographie sowie Hautkrebsscreening erfordern einiges an Aufmerksamkeit. Besonders beim Hautkrebsscreening freue ich mich meine neu erlernten Fertigkeiten aus der dermatologischen Hospitation bei Frau Dr. Friedl direkt gut anwenden zu können.
Am Freitag mache ich mich auf den Weg nach Regen. Dort werde ich für einen Tag Herrn Dr. Egid Werner über die Schulter schauen. Er ist niedergelassener Internist im dort ansässigen MVZ. Ich bekomme die Gelegenheit einige typische Krankheitsbilder aus internistischer Sicht kennenzulernen. KHK und COPD stellen die Hauptdiagnosen dar. Somit kann ich bei zahlreichen Ergometrien und Echokardiographien beobachtend zusehen. Zum ersten Mal erlebe ich außerdem den Einsatz eines Bodyplethysmographen. Eine weitere Patientin kommt zum Thromboseausschluss. Bei ausgeprägter Schmerzsymptomatik nimmt sich Dr. Werner mit besonderer Sorgfalt der Kompressionssonographie an. Dabei lerne ich, dass es zur Beurteilung der komplexen Venenverhältnisse am Unterschenkel von Vorteil sein kann, den Patienten im sitzen oder stehen zu untersuchen. So macht man sich den zusätzlichen hydrostatischen Druck zu Nutze, um den Füllungszustand der Venen zu erhöhen.
Nun steht auch schon wieder das Wochenende vor der Tür. Ich werde nun mal nach einer neuen Wandertour im Nationalpark suchen. Außerdem ist ein Ausflug nach Deggendorf geplant.
Woche 14: 21.08. – 27.08.2023
Auch diese Woche verbringe ich zur Vertretung der Urlaubszeit meiner Stammpraxis in einer neuen Örtlichkeit. Ich mache mich auf den Weg zu Dr. Michael Rosenberger. Er ist Allgemeinmediziner in Breitenberg. Die Gemeinde liegt direkt am Fuße des Dreisessels. Da sich die Fahrzeit nach Breitenberg doch auf knapp unter einer Stunde beläuft, bin ich sehr froh, dass Dr. Rosenberger für mich ein günstiges Zimmer organisiert hat, in welchem ich die Woche verbringen kann. Durch den Wegfall der langen Autofahrt kann ich am Abend die Umgebung entdecken: Ich besteige das Dreisesselmassiv, besichtige das Dreiländereck und bestaune den Blick auf den gewaltigen Moldau-Stausee. Auch die abendliche Erfrischung am örtlichen Badeweiher kommt bei der vorherrschenden Hitzewelle wie gerufen.
Dr. Rosenberger kenne ich schon aus unseren wöchentlichen virtuellen Fallbesprechungen. Umso schöner ist es, ihn nun einmal genauer kennenzulernen und mit ihm gemeinsam zu arbeiten. Da er zudem regelmäßig als Notarzt tätig ist, freue ich mich besonders auf die kommende Woche. Als ich dann erfahre, dass er zudem in der Bergwacht aktiv ist, haben wir reichlich Gesprächsstoff, da auch ich momentan die Ausbildung als Bergwachtanwärterin durchlaufe.
Ich begleite die Sprechstunde und freue mich, dass Dr. Rosenberger mich stets nach meiner Einschätzung fragt oder ob ich ergänzende Fragen zur Anamnese habe. Regelmäßig komme ich außerdem dazu, die ein oder andere Blutentnahme oder Infusion durchzuführen. Eine gute Vorbereitung für das kommende Tertial in der Klinik.
Es begegnen uns selbstverständlich auch einige spannende Fälle: Im Labor ist bei einem Patienten ein TSH-Wert von 80 (!) aufgefallen. Der Patient nimmt laut Medikationsplan bereits Thyroxin ein. Schnell stellt Dr. Rosenberger den Verdacht, dass die verschriebenen Medikamente nicht eingenommen werden. Dies verhärtet sich mit einem Blick in die Kartei, wonach die letzte verschriebene Packung längst zu Ende sein müsste. Bei einem Telefonat weist Dr. Rosenberger den Patienten schließlich noch einmal eindrücklich auf die Wichtigkeit der regelmäßigen Einnahme hin.
Am Mittwochmittag lädt mich die Praxis außerdem ein, einem gemeinsamen Essen beizuwohnen. Anlässlich des bevorstehenden Praxisurlaubes möchten alle Mitarbeiter noch einmal zusammenkommen. Ich freue mich sehr, dass ich mitkommen darf und wir genießen einige Leckereien bei guten und amüsanten Gesprächen. In diesem Sinne auch noch einmal ein großes Dankeschön an alle für die herzliche Aufnahme in Breitenberg.
Den Donnerstag verbringe ich mit Dr. Rosenberger in der BRK-Rettungswache in Waldkirchen. Dort besetzt er den Notarztstandort, wobei ich ihn begleiten darf. Am Morgen werden mir von den Diensthabenden zunächst RTW und NEF gezeigt. Die komplette Ausrüstung wird gecheckt, was für mich eine klasse Gelegenheit ist, alles Equipment kennenzulernen. Uns erreichen an diesem Tag zwei Einsatzmeldungen: „Leblose Person im Wasser“ und „Verdacht auf ACS“. Mit Sonderrecht fahren wir die Einsatzorte an. Vor Ort schaue ich Dr. Rosenberger im Hintergrund über die Schulter. Im Anschluss an den Einsatz erklärt er mir sein Vorgehen noch einmal genau und ich darf zahlreiche Fragen stellen.
Nach einer tollen Woche hier in Breitenberg starte ich nun in mein wohlverdientes Wochenende.
Woche 15: 28.08. – 03.09.2023
Wow, Woche 15! Vorletzte Woche, Wahnsinn, wie schnell die Zeit nun vergangen ist. Neben den Praxistagen gibt es außerdem bereits zahlreiche Dinge für das bevorstehende Tertial zu klären: Arbeitsverträge und Rotationswünsche möchten bearbeitet und eingereicht werden. Ein klares Zeichen, dass die Zeit hier im Bayerwald allmählich dem Ende neigt.
Ich freue mich besonders, diese Woche bei Frau Dr. Krenn in Röhrnbach verbringen zu dürfen. Bereits in den Pfingstferien durfte ich sie einige Tage in der Praxis begleiten. Dabei hat mich ihre herzliche Art besonders beeindruckt, weshalb ich mich sehr auf das Wiedersehen freue. Strahlend empfängt Frau Krenn mich am Montagmorgen in Ihrem Sprechzimmer.
Gemeinsam behandeln wir einige Patienten und schnell darf ich Anamnese und Untersuchung übernehmen, während Frau Dr. Krenn im Hintergrund dokumentiert. Im Anschluss erklärt sie jedem einzelnen Patienten die Zusammenschau der Befunde und die verschiedenen Möglichkeiten des weiteren Vorgehens. Dabei wirkt sie enorm kompetent und schafft es, zahlreiche anschauliche Vergleiche zu ziehen.
Neben der Betreuung der Patienten bleibt außerdem Zeit, dass Dr. Krenn mir zahlreiche nützliche Bücher, Websites, Apps und Fragebögen vorstellt, welche den klinischen Alltag erleichtern und unterstützen. Beispielsweise zeigt sie mir eine übersichtliche Antibiotikaübersicht aus Bielefeld, welche ich am Nachmittag direkt auf mein Tablet ziehe. Auch ein Rezept für „Karottensuppe nach Moro“ landet in meinen Unterlagen. Frau Krenn hat dieses „Hausmittel“ in der Palliativmedizin näher kennengelernt. So bewirken die Oligosaccharide, welche durch langes Kochen der Suppe freigesetzt werden, eine Bindung pathogener Durchfallkeime. Eine einfache Maßnahme, welche man durchfallgeplagten Patienten mit an die Hand geben kann.
Bei Dr. Krenns Kollegin, Frau Dr. Angela Ilg, kann ich außerdem eine Kindervorsorgeuntersuchung beobachten. Der fünfjährige Patient kommt zur U9. Geschickt gewinnt die Medizinerin das Vertrauen des kleinen Jungen und prüft spielerisch verschiedene Fertigkeiten ab: Sprachvermögen, Grob- und Feinmotorik, Farben, Formen, kognitive Entwicklung … Erst am Ende der spielerischen Untersuchung werden Stethoskop und Otoskop hervorgeholt und eine körperliche Untersuchung durchgeführt. So profitiert man vom zuvor aufgebauten Vertrauen des Kindes.
Außerdem nimmt Frau Krenn sich Zeit, mir noch einmal das strukturierte Vorgehen in der Abdomensonographie zu erklären. Sie demonstriert mir ihr einstudiertes Vorgehen: Oberbauchquerschnitt mit Pankreas und Aorta – Oberbauchlängsschnitt mit Darstellung des Leberrandes – Leberlängsschnitt medioclavicular zur Größenmessung – Leber-Nieren-Bild zur Parenchymbeurteilung – subkostaler Längsschnitt der Leber – subkostaler Schrägschnitt mit Durchfächern der Lebersegmente – Nabel-Schulter-Schnitt zur Darstellung von Gallenblase und DHC – rechte Niere längs und quer – linke Niere längs und quer – Milz – Harnblase – abschließend spezielle Fragestellungen. Ich muss zugeben, dass gerade meine Lebersonographie bisher nur mäßig strukturiert ablief, gerade weil mir manche Schnitte noch nicht so leicht von der Hand gehen. Darauf werde ich von nun an mein Augenmerk legen und schon am Folgetag versuche ich das Erlernte bei einem Check-up umzusetzen.
Am Freitag ergibt sich eine Reiseimpfberatung, welcher ich gespannt lausche. Dr Krenn berät eine Patientin, welche in 3 Monaten eine Reise nach Thailand plant. Zunächst kontrollieren wir den Basis-Impfstatus: Tetanus, Diphtherie, Polio, Pertussis, Hepatitis A und B. Mithilfe von epidemiologischen Karten demonstriert Frau Krenn das Vorkommen von Anopheles- und Aedes-Mücken. Aufgrund des geringen Malariarisikos wird sich zunächst gegen eine Prophylaxe entschieden. Dennoch bietet Frau Krenn einen zweiten Beratungstermin an, sobald die genaue Reiseroute feststeht und erläutert Basismaßnahmen wie Moskitonetz und Mückenspray. Auf weitere “exotische” Impfungen kann aufgrund der Reisegestaltung verzichtet werden.
Vielen Dank nochmals für die tolle PJ-Woche, ich habe – wie auch beim letzten Mal – viel mitgenommen. Nun steht auch schon das letzte Wochenende vor der Tür: das möchte ich noch einmal nutzen, um die ein oder andere Ecke zu erwandern.
Woche 16: 04.09. – 10.09.2023
Ich habe nochmal ein erlebnisreiches Wochenende verbracht: Freitags unternehme ich eine regnerische Laufrunde auf unseren Hausberg, den Lusen. Der Samstag startet zunächst mit Auto-Problemen: Tabeas Auto möchte nicht mehr anspringen. Doch wie funktioniert das mit dem Überbrücken noch gleich? Schwarz, rot, plus, minus? Keine Ahnung! Dankenswerterweise finden wir einen netten Nachbarn, welcher uns bei der Starthilfe mit Rat und Tat zur Seite steht, und schnell bekommen wir das Fahrzeug wieder zum Laufen. Im Anschluss mache ich mich auf den Weg nach Bodenmais: ich wandere über die Rißlochfälle auf den Kleinen und Großen Arber und bestaune am Rückweg den Ausblick vom Mittagsplatzerl. Eine gelungene Wandertour.
Am Abend kommt außerdem Katharina in Grafenau an. Sie ist bereits eine Woche früher angereist und quasi meine „Nachfolgerin“ und wird ihr PJ-Tertial in Fürstenstein antreten. Sonntags besteigen Katharina und ich den Großen Falkenstein via Höllbachgspreng, auch ein wirklich wunderschöner Gipfelanstieg des Bayerischen Waldes. Damit kann ich dann auch die “Gipfel-Bilanz” meines PJ-Tertials zufrieden abschließen.
Und auf einmal ist dann die letzte PJ-Woche des Tertials da. Zum Glück ist meine Stammpraxis aus dem Urlaub zurück und ich freue mich sehr, dort nochmals eine Woche zu lernen, bevor das Tertial zu Ende geht. Katharina und ich verbringen die Woche zu zweit in Fürstenstein: so kann ich sie etwas einarbeiten und erkläre ihr den ein oder anderen Kniff.
Diese Woche steht neben der regulären Patientenversorgung, bei welcher ich nochmals versuche, möglichst viel mitzunehmen, vor allem unter dem Motto: Abschied nehmen. Abschied vom Bayerischen Wald mit seiner atemberaubenden Landschaft, Abschied von Feierabendrunden auf den Lusen, Abschied von unserem Haus mit grünem Garten, Abschied von der dicken Nachbarskatze. Außerdem verabschiede ich mich von meiner Mit-PJ‘lerin und Mitbewohnerin Tabea. Wir hatten eine tolle Zeit in unserem Häuschen, und immer reichlich Gesprächsstoff am Küchentisch. Ich wünsche dir eine gute Zeit in deinem weiteren PJ!
Auch in „meiner“ Praxis in Fürstenstein fällt mir der Abschied nicht leicht. Einerseits fällt mir der Abschied vom tollen Praxisteam, von dem mir jeder einzelne ans Herz gewachsen ist, schwer. Die Herzlichkeit und Offenheit, mit der ich als Studentin aufgenommen wurde, ist nicht selbstverständlich.
Andererseits merke ich, dass ich auch einige Patienten mittlerweile ins Herz und Gedächtnis geschlossen habe und sie gerne weiterhin begleiten würde. „Wie wird es wohl weitergehen?“, schwirrt mir bei dem einen oder anderen Fall durch den Kopf – Fragen, die für mich wohl offen bleiben werden.
Des Weiteren blicke ich auf 4 Monate voller engagierter Lehre zurück: Sonographie mit Dr. Bolla, Ganzkörperstatus mit der Genauigkeit von Dr. Hackl, Impfen, EKG, Lungenfunktion, zahlreiche Anamnesegespräche – um nur ein paar der erlernten Fähigkeiten zu nennen. In diesem Sinne noch einmal ein riesiges Dankeschön an alle, die an der Organisation und Gestaltung des PJs beteiligt waren. Danke für die tolle Unterkunft, danke für die wahnsinnig gute Betreuung.
Wenngleich ich die Zeit hier im Bayerischen Wald überaus genossen und wahnsinnig viel lernen durfte, freue ich mich nun auch das kommende Tertial heimatnah zu beginnen. Nun heißt es: Bett abziehen, Koffer packen, Auto beladen – und anschließend geht es auf die Heimreise. Am Montag geht es schließlich schon wieder mit einem Neuanfang in der Klinik los.
Ade! – Servus! – Pfiat di!
Hauptstandort Kirchberg
Am Alten Sportplatz 3
94259 Kirchberg
Tel: 09927 441
info@praxis-bayerwald.de